Die Halle kocht. Unten in der Arena lässt sich ein junger Mann mithilfe des Publikums auf Händen von der Mitte des Saals in Richtung Bühne tragen. Es sieht aus, als ob er schweben würde. Kurz vor dem Podium stoppen Saalordner seinen weiteren Weg. Die Metal-Party ist in vollem Gange. Der große Teil der rund 10.000 Fans (mindestens zwei Drittel davon bekleidet mit Iron-Maiden-Shirts) in der restlos ausverkauften Olympiahalle ist textsicher. "Fear of The Dark" dröhnt es durch das weite Rund, und selbst auf den Sitzplätzen sitzt kaum noch einer. Iron Maiden erfüllen an diesem Abend alle Erwartungen.
Sechs verwegen ausschauende Männer stehen oben, um die Halle zu erobern. Aber keine Angst – die tun nichts, die wollen nur spielen. Dass die Briten auch noch nachhaltig in Erinnerung bleiben werden, liegt vor allem daran, dass man Sänger Bruce Dickinson und seiner Crew anmerkt, wie viel Spaß sie selbst haben. Bassist Stephen Harris zeigt, wie gut er seine Zähne fletschen kann. Das Gitarren-Trio Dave Murray, Adrian Smith und Janick Gers schäkert immer wieder mal mit dem Publikum. Ebenso Schlagzeuger Nicko McBrain, der allerdings meist von seiner Schießbude völlig zugedeckt ist. Allen voran Bruce Dickinson. Er ist nicht nur stimmgewaltig, sondern legt ein Laufpensum ab, als ob er sich für die Olympischen Spiele qualifizieren wollte.
Das Maskottchen Eddie begleitet das ganze Iron-Maiden-Konzert in München
Und natürlich immer wieder Eddie. Die zombiehafte Gestalt, die schon seit jeher das Maskottchen der Band ist, begleitet den ganzen Abend. Entweder auf der Leinwand, als Gespenst, das auf einem Motorrad sitzt, oder als Freiheitsstatue in einem zum Untergang geweihten Wüstenstaat. Manchmal kommt Eddie als drei Meter hohe Gestalt auf die Bühne. Als Cowboy, als futuristischer Roboter oder als grausamer Krieger, der auf der Bühne den Maiden-Gitarristen an den Hals will. Es hat sich nichts geändert. Bei Maiden taucht man ein, in eine dystopische Welt, die grausam und furchtbar ist. Die Bühnenbilder sprechen eine deutliche Sprache, wenn Zombie Eddie im Kostüm von Alexander dem Großen ein wildes Heer zur Schlacht anführt ("Alexander The Great").
Die Show, auch daran hat sich nichts geändert, beginnt mit dem vom Band eingespielten "Doctor, Doctor". Dem einstigen Riesenhit von UFO. Etliches präsentieren Maiden von ihrem letzten Album "Senjutsu" (2021). "Days of the Future Past", "The Time Machine", "Hell on Earth", The Writing on the Wall" und "Death of the Celts". Ein bisschen vermisst man Klassiker wie "Run to the Hills" oder "The Number of the Beast", aber das wäre Jammern auf hohem Niveau. Zumal die Engländer natürlich auch "alte Sachen" raushauen und auch gleich mit "Caught Somewhere in Time" (1986) starten. Bruce Dickinson, der mit einem wallenden Mantel die Bühne betritt, ist in Höchstform und rennt dazu noch von einer Bühnenseite zur anderen. Kein Wunder, dass der Mantel beim fünften Song "Prisoner" in die Ecke fliegt. Unaufhörlich schießen Feuerblitze über die Bühne. Passend untermalt mit "Can I Play with Madness" oder "Heaven Can Wait". Das Finale furioso natürlich mit "The Trooper" und "Wasted Years".
Iron Maiden spielen sich in der Olympiahalle auch den Ärger von der Seele
Iron Maiden spielen sich dabei immer wieder ihren Ärger von der Seele. Viele können nicht verstehen, dass die Musiker noch nicht in die "Rock and Roll Hall of Fame" aufgenommen wurde. Für Rocker immer noch die höchste Ehrung. In Cleveland (Ohio), der Sitz dieser Institution, geht der Daumen entweder nach oben oder nach unten. Die Liste der bisher Geehrten ist lang und reicht von Chuck Berry bis zu den Yardbirds.
lron Maiden ist immer wieder mal nominiert, wurde aber immer wieder ausgebremst. Selbst Gene Simmons, der mit seiner Band Kiss im Jahr 2014 in die Hall of Fame aufgenommen wurde, ist fassungslos. Er bezeichnete die Institution "heuchlerisch" und meinte, dass es "ekelhaft" sei, Iron Maiden nicht aufzunehmen. Maiden-Sänger Bruce Dickinson bekommt einen dicken Hals, wenn er darauf angesprochen wird, und sagt, dass die Institution von einem "Haufen scheinheiliger US-Amerikaner betrieben wird". Andererseits hat Iron Maiden über 130 Millionen Alben bisher verkauft. Im Prinzip können sich die Herrschaften also entspannen. Und ob Hall of Fame oder nicht Hall of Fame. Den Fans – siehe München – ist das völlig wurscht.