"Begrabt die Männer, dass nicht das Getöse Des Schlachtgemenges länger sie umschallt, Und dass vom Todeskrampf, der sie umkrallt, Die Erde ihre starren Glieder löse."
Dunkle Zeilen aus dem Gedicht „Marcia Funebre“ von Hedwig Lachmann. Es war eine andere Zeit, als die Jüdin das Gedicht im 19. Jahrhundert schrieb, doch haben sie gerade in Zeiten des Ukraine-Krieges eine bedrohliche Bedeutung. Diese und einige andere Zeilen der Jüdin und ihrer Schwester Franziska Lachmann-Ott hat die Klezmerband Mesinke aus Krumbach nun vertont und bringt sie zu ihrem 30-jährigen Jubiläum auf die Bühne.
Melancholie und Aktualität prägen die neuen Lieder von Mesinke
„Ihre Sprache wirkt zwar wie aus der Zeit gefallen, und doch sind sie so aktuell,“ sagt Jürgen Groß, der neben Erika Spielvogel den Großteil der Gedichte vertont hat. Und dieser Aktualität und der zwangsläufig einhergehenden Schwere dieser Tage sind sich die Musiker aus Krumbach durchaus bewusst. Trotzdem haben sich die Bandmitglieder dazu entschieden, bei ihrer Jubiläumstour Zeilen vor Publikum aufzuführen, die vom Krieg erzählen.
Dem Entschluss sei aber durchaus auch eine Diskussion vorangegangen, weil Titel wie „Die Schlacht“ auf dem Programm stehen, sagt Groß. Doch weil die Jubiläumstour bereits vergangenes Jahr geplant war, sei es Zufall gewesen, dass die insgesamt 14 arrangierten Gedichte gerade in diese Zeit des Krieges fallen. Nun geben die Musiker jiddischer Lieder den Stücken eben das, was neben der Melancholie notwendig ist – Aktualität.
Vor allem auch, weil es nicht in allen Gedichten um Krieg oder Hoffnungslosigkeit geht. Im Gegenteil, Liebe und Aufschwung spielen eine wichtige Rolle, wie Sänger, Gitarrist und Drummer der Band, Thilo Jörgl, erklärt.
Hedwig und Franziska Lachmann inspirieren Mesinke mit Lyrik
Es ist kein Zufall, dass die Band sich ausgerechnet die Lachmanns als Projekt vorgenommen hat. Ebenso wie das Ensemble stammt Hedwig Lachmann aus Krumbach. Als Tochter des Kantors der dortigen jüdischen Gemeinde wuchs sie im Ort auf. 1918 starb sie auch dort. Zeit ihres Lebens übersetzte die Sprachlehrerin bekannte Werke wie die der Schriftsteller Edgar Allen Poe oder Oscar Wilde ins Deutsche. 1902 wurden Nachdichtungen und ihre eigenen Gedichte veröffentlicht. Weit bekannter als sie ist allerdings ihr Mann Gustav Landauer. Der jüdisch-deutsche Schriftsteller und pazifistische Politiker vertrat den kommunistischen Anarchismus und war ein wichtiger Theoretiker und Aktivist im deutschen Kaiserreich. Er war an der Münchner Räterepublik beteiligt und wurde nach deren Niederschlagung in Haft ermordet.
Neben dem örtlichen Bezug reizte die Band noch etwas anderes: „Die Gedichte sind zeitlos,“ sagt Groß. Auf ihre eigene Art seien sie schlicht, weshalb die Musik dazu „keinesfalls aus hoch komplizierten Kompositionen besteht.“ Zusammen mit der Band habe er versucht, der Schlichtheit und den Inhalten gerecht zu werden. Offenbar ist das gelungen: „Die Stücke kamen beim Publikum gut an,“ sagt Jörgl. Das habe sich bei der Auftaktveranstaltung in der Kresslesmühle in Augsburg gezeigt.
„Lass nun das Jammern, lass nun das Klagen“, singt Mesinke
Vertont hat die Band unter anderem die Gedichte „Charakter“, „Melancholia“ oder „Wahrspruch“. Zu den beiden letzteren und einem Instrumentalstück wird Mesinke Musikvideos auf der Videoplattform Youtube veröffentlichen. Doch wie klingen eigentlich Gedichte? Jedenfalls durchaus sehr verschieden und weit weniger komplex, als die Verse vermuten lassen.
Im Falle der Komposition der Gedichte „Marcia Funebre“ und „Die Schlacht“, die zusammen in einem Stück verarbeitet wurden, werden Zuhörer vom Marschtempo mitgenommen. Die düsteren Verse eines Kriegsschauplatzes versetzen in einen bedrückenden Zustand – wäre da nicht die volksnahe Klezmermusik, bei der eine gewisse Leichtigkeit schon allein wegen der eingeworfenen Klarinetten-Soli mitschwingt. Positiver kommt das Stück „Aufschwung“ daher, wenn die Band „Lass nun das Jammern, lass nun das Klagen“ singt. Eine gewisse Melancholie ist ständiger Begleiter.
Mesinke plant eine Tournee zum 30-jährigen Jubiläum
Entstanden sind die Lieder laut Groß beim Lesen der Zeilen. Nicht immer fielen ihm zu den schwierigen Versmaßen und Reimschemata Melodien ein, sagt er. Der Sänger, Gitarrist und Spieler am Akkordeon schrieb nieder, was aus ihm heraus- sprudelte, wie er im Gespräch erzählt. Gemeinsam mit der Band wurde arrangiert. Proben waren für Mesinke aufgrund der Pandemie nur schwer möglich. Hinzu kommt, dass der Klarinettist, Alexander Maier, in London lebt. Trotzdem feierte Mesinke bereits im vergangenen Herbst Premiere mit zwei der vertonten Gedichte im Rahmen des Krumbacher Literaturherbstes.
Jetzt geht die Band mit den Gedichten und den Höhepunkten der vergangenen 30 Jahre auf Tour. Geplant sind noch sieben weitere Konzerte. Unter anderem in Krumbach (24. September) und Fellheim (5. November).