Wenn es einem nicht besonders gut geht, kann man sich entscheiden, entweder laut zu jammern – „Mir geht es wirklich hundsmiserabel“ – oder die Sache kleinzureden – „Ich seh schlimmer aus, als es ist.“ In der Wirtschaft ist das nicht viel anders. Wobei die Buchbranche seit Jahren einen Mittelweg versucht: Jammern und klagen – „wo sind denn all die Leser hin?“ – aber zugleich auch nicht den Eindruck einer schwerkranken Sparte vermitteln: „Buchbranche erweist sich als krisenfest.“ Ein bisschen klingt das dann freilich wie das Pfeifen im Walde.
Wenn in der nächsten Woche bei der Frankfurter Buchmesse die neuen Zahlen vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels verkündet werden, wird vermutlich weniger gepfiffen, mehr gejammert und geklagt werden.
Umsatz im stationären Buchhandel sinkt um fast zehn Prozent
Erst zum Pfeifen und Tirili: Der stationäre Buchhandel hat im Vergleich zum Corona-Jahr 2021 wieder zugelegt. Die Buchhandlungen haben sich ein großes Stück vom Online-Verkauf gesichert. Die Nachfrage bei den jungen Leserinnen und Lesern ist gestiegen.
Jammern und Klagen aber: Seit Mai leidet der Buchmarkt unter Umsatzrückgängen. Im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten steht ein Minus von etwa zwei Prozent. Und für den stationären Buchhandel sieht es noch schlechter aus. Da schlägt im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten ein fettes Umsatz-Minus nahe an den zehn Prozent zu Buche. Und das Bulletin aus den Verlagen klingt nahezu dramatisch. Immens gestiegene Papierkosten, höhere Energiepreise, höhere Lohnkosten – das Buch wird immer teurer produziert, aber nicht teurer verkauft, oder nur ein bisschen. Weil man ja auch immer fürchten muss, dass man seine Leserschaft verschreckt. 22, 24, 26, 28 Euro für ein Hardcover? Dann vielleicht doch erst mal in den Bücherschrank schauen, was das so steht, oder was man online so entdecken kann. Hinzu kommt: Bei all den Krisen ist das Buch offenbar nicht das Eskapismus-Mittel der ersten Wahl, die deutliche Kaufzurückhaltung begann kurz nach Ausbruch des Ukraine-Krieges.
Die Verlage setzen auf sichere Titel
Was bedeutet das für die Lesenden? Auf den ersten Blick erst einmal wenig. Noch immer gibt es über 60.000 Erstauflagen jedes Jahr, da wird schon etwas Schönes dabei sein. Aber wer genauer hinsieht, entdeckt natürlich beunruhigende Symptome, muss vor allem ums besondere Buch fürchten. Denn was macht der Mensch, wenn er kränkelt: Hühnersuppe essen. Und was die Verlage? Aufs Herzhafte setzen. Auf Bestseller, auf sicher zu verkaufende Ware. Bitte jetzt doch keine Austern, die sich eh vielleicht keiner mehr leisten kann und mag. Was im Übrigen so auch die Vorsteherin des Börsenvereins, Karin Schmidt-Friderichs diagnostiziert: Verlage würden eher auf sichere Titel setzten. „Das Abseitige, Mutige, Innovative kommt dann manchmal zu kurz.“ Das spiegelt sich im Übrigen ja auch im Kaufverhalten: Die Absätze der Top-Titel von der Bestsellerliste steigen.
Was bedeutet das für die Politik? Noch ein Patient, der auch etwas vom vielbeschworenen deutschen Doppelwumms abhaben will. Wummsmedizin fürs Buch. Die tatsächlich aber so aussehen könnte, wie auch schon gefordert: Weg mit der Mehrwertsteuer für Bücher, auf Null also. Wovon alle Beteiligten der Branche profitieren würden. Sonst wird es bald weniger Verlage, vor allem weniger kleine, weniger Buchhandlungen und weniger Kulturgut geben. Infolge dann wohl auch weniger Leserinnen und Leser. Lassen wir also das Pfeifen, dem Buch geht es gerade wirklich nicht gut!