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Kommentar: Ist die Documenta noch zu retten?

Kommentar

Ist die Documenta noch zu retten?

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    Am Tag nach dem Abhängen des umstrittenen Großbanners «People's Justice» des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi, bleiben auf dem Friedrichsplatz das leere Gerüst sowie die Ständer für die ebenfalls entfernten Pappfiguren zurück. Das Großbanner wurde nach öffentlicher Kritik wegen antisemitischer Bildsprache entfernt.
    Am Tag nach dem Abhängen des umstrittenen Großbanners «People's Justice» des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi, bleiben auf dem Friedrichsplatz das leere Gerüst sowie die Ständer für die ebenfalls entfernten Pappfiguren zurück. Das Großbanner wurde nach öffentlicher Kritik wegen antisemitischer Bildsprache entfernt. Foto: Uwe Zucchi, dpa

    Es gibt Rücktritte, da bleibt ein ungutes Gefühl. Da möchte man dem oder der Zurückgetretenen eigentlich zumindest mal die Schulter tätscheln, tröstende Worte auf den Weg geben. Irgendjemand wird das wohl auch bei Sabine Schormann gemacht haben, seit dem Wochenende nun Ex-Generaldirektorin der Documenta, aber wenn, dann offenbar so, dass es kaum einer gemerkt hat. So laut und klar ihr Rücktritt zuletzt gefordert worden war, so eindeutig waren nun auch die Reaktionen. Er wurde, wie man so schön sagt, von allen Seiten begrüßt. Zu retten war

    Skandal auf der Documenta: Wer oder was ist in Kassel aber jetzt eigentlich noch zu retten?

    Fast ein Drittel der Ausstellungsdauer ist mittlerweile vorbei und zumindest für diese 15. Documenta steht schon fest, zu retten ist sie natürlich nicht mehr. Zumindest nicht, wenn man den eigentlichen Anspruch als Maßstab zugrunde legt: Nämlich eine der wichtigsten zeitgenössischen Ausstellungen der Welt sein zu wollen, die Blicke öffnen will, zur Diskussion einlädt, die Kassel zum Festplatz der Kunst werden lässt. Stattdessen aber stand dort, wo gefeiert werden soll, das Banner des indonesischen Künstlerkollektivs mit seinen antisemitischen Darstellungen. Und die Art des Umgangs mit diesem Skandal von verantwortlicher Seite offenbarte dann gleich noch einmal, dass offenbar all jene tatsächlich recht gehabt hatten, die der Documenta schon im Vorfeld Blindheit und Laxheit gegenüber antisemitischen und israelfeindlichen Einstellungen attestierten und fassungslos fragten: Sind die in Kassel eigentlich alle noch zu retten?

    Nicht mehr zu retten ist ja auch das Konzept, das statt der Stärke von Kollektiven nun vor allem eben auch eine Schwäche wie unter dem Vergrößerungsglas hervortreten lässt: Wenn alle verantwortlich sind, ist es individuell eben auch keiner. Kollektives Versagen. Make friends – not art, heißt ein Slogan der Ausstellung, aber liebe Freunde, dazu gehört doch nun mal auch Vertrauen!

    15. Documenta: Auch Besucherrekorde können nichts mehr ändern

    Die 15. Documenta ist also nicht mehr zu retten, und selbst Besucherrekorde können daran nichts ändern. Sie kann nur noch als schwer beschädigtes Gesamtwerk wahrgenommen werden.

    Was aber nun, die Documenta am besten gleich schließen? Alles vielleicht mal schnell verhüllen, wie für kurze Zeit auch das Banner von Taring Padi als „Denkmal der Trauer“, was eine wirklich dämliche Idee war, weil man doch seit Christo weiß, was erst Stoffbahnen über das Verdeckte offenbaren. Dann wäre die Documenta womöglich wirklich unrettbar verloren, nämlich auch für die Zukunft.

    Wie geht es weiter mit der Documenta?

    Es klingt leider etwas schwammig, was der Aufsichtsrat nun ankündigte. Die Documenta-Strukturen sollen überprüft werden, eine zeitnahe Aufklärung erfolgen, ein Expertengremium Empfehlungen für die Aufarbeitung geben. Dringlichkeit klingt jedenfalls anders und Rettung bedeutet meist ja auch, dass da jemand schnell beherzt handelt. Wer das aber sein soll, ist offenbar noch unklar.

    Knapp 70 Tage kann oder darf die Ausstellung vielleicht noch dauern. Lasst sie offen, schaut euch das ramponierte Ding an, redet schnell! Retten lässt sich doch nur, was noch lebt.

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