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Kommentar: Die Documenta und ihr Skandal gehen zu Ende

Kommentar

Die Documenta und ihr Skandal gehen zu Ende

Richard Mayr
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    Die Weltkunstausstellung "documenta fifteen" geht am Sonntag nach 100 Tagen zu Ende.
    Die Weltkunstausstellung "documenta fifteen" geht am Sonntag nach 100 Tagen zu Ende. Foto: Swen Pförtner, dpa

    Endlich muss man sagen, endlich sind die 100 Tage der Documenta 15 vorbei. Die bis zum Schluss umstrittene Weltkunstausstellung in KasselKassel wird am Sonntag mit guten Besucherzahlen – wahrscheinlich irgendwo zwischen 700.000 und 800.000 Besucherinnen und Besuchern – schließen, das ist kein neuer Rekord, aber auch nicht schlecht. In Erinnerung bleiben wird sie als der Antisemitismus-Skandal des Jahres 2022.

    Dass es dazu gekommen ist, mutet auch heute noch genauso unglaublich an wie zu Beginn der Schau. Wie, fragt man sich immer noch, kann es sein, dass niemand eingegriffen hat, obwohl schon vor der Documenta genau diese Vermutung immer wieder geäußert worden ist. Beteiligt seien auch Kollektive mit antiisraelischer Haltung. Allen Beteuerungen zum Trotz, dass Antisemitismus auf der Documenta nicht zu sehen sein wird, kam es anders. Zwei Tage nach der Eröffnung, als die Weltpresse schon wieder abgereist war, wurde am zentralen Platz ein Banner aufgehängt, in dem auch mit antisemitischen Darstellungen der Westen und die Diktatur in Indonesien angeprangert wurden.

    So verführerisch die Idee gewesen sein mag, die alle fünf Jahre stattfindende bedeutendste deutsche Kunstausstellung in die Hände eines Künstlerkollektivs zu legen, das dem globalen Süden zugerechnet wird, so sehr ist dieser Ansatz gescheitert. Es sollte eine Documenta des Zuhörens, des Austauschs, des Gemeinsam-Machens sein. Es war zum Schluss das Gegenteil davon. Es ging ums recht haben, Nichthinhören, um Schuldzuweisungen. Dem Antisemitismus-Vorwurf begegnete das Kuratorenkollektiv Ruangrupa mit dem Gegenvorwurf des Rassismus. Das alles finanziert auch durch viele Millionen Euro Steuergelder, die von der Stadt Kassel, dem Land Hessen und dem Bund kommen.

    Die Documenta-Idee kippte von Anfang an

    Dass klassische Kunstliebhaberinnen und -liebhaber nicht auf ihre Kosten kamen, hätte man verschmerzen müssen. Es ging dem Kuratorenkollektiv bei der Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht um Künstlertum, wie es hierzulande verstanden wird. Im Vordergrund standen Teilhabe, politischer Aktivismus, Gleichberechtigung, Gerechtigkeit. Dass ein Teil der Kollektive dabei mit Klischee-geladenen Darstellungen des bösen Westens für die eigenen Interessen kämpft, wäre mit Hinblick auf die grausame koloniale Geschichte der letzten fünf Jahrhunderte sicher hingenommen worden. Aber dass auch antisemitische Darstellungen zu sehen waren, ließ die Documenta-Idee von Anfang an kippen. Die Weltkunstausstellung in Kassel diente als Bühne, um Jüdinnen und Juden öffentlich zu schmähen. Hinzu kam im Anschluss ein Krisenmanagement der damaligen Documenta-Leitung sowie des Künstlerkollektivs Ruangrupa, das mehr hochnotpeinlich, ja katastrophal war. Beide Seiten stahlen sich schlicht aus der Verantwortung und behaupteten, nicht zuständig zu sein.

    Was folgt aus all dem? Hoffentlich viel, was die Organisation der Documenta angeht. Antisemitismus darf nie wieder auf einer Documenta eine solche Bühne bekommen, gleichgültig woher die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler stammen. Ansonsten schafft sie sich in ihrem Anspruch und ihrer Bedeutung selbst ab. Das zweite: Dass Kunst auch politisch sein kann, das ist in der Kunstwelt im Jahr 2022 angekommen. Interessant wäre doch einmal wieder eine Weltkunstausstellung, die der Kunst als Kunst die Bühne bereitet.

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