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Kommentar: Die Deutschen mögen ihre Theater – und meiden sie doch

Kommentar

Die Deutschen mögen ihre Theater – und meiden sie doch

Stefan Dosch
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    Das Bayreuther Festspielhaus, Spielstätte der Bayreuther Festspiele.
    Das Bayreuther Festspielhaus, Spielstätte der Bayreuther Festspiele. Foto: Daniel Vogl, dpa

    Jetzt, da die großen Theater-, Opern- und Konzertfestspiele wieder stattfinden und die Nachrichten gerne mal Bilder von illustren Besuchern auf roten Teppichen zeigen, sodass man meinen könnte, bei diesen Festivals handle es sich um exklusive Treffs für glücklich Auserwählte, kaum aber für die Allgemeinheit – gerade jetzt ist es Zeit, darauf hinzuweisen, dass die Deutschen ihre Theater- und Musikstätten keineswegs nur als Spielwiese für ein paar Begüterte und Hochgebildete begreifen. Kürzlich hat eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Liz Mohn Centers der Bertelsmann Stiftung zutage gebracht, dass über 90 Prozent der Menschen in Deutschland es für wichtig halten, Theater und ihre Angebote für kommende Generationen zu erhalten. Ja, mehr noch, drei Viertel der Befragten sehen die Notwendigkeit, die Theater weiterhin mit öffentlichem Geld zu unterstützen. 

    Theater gehören zur kulturellen Identität Deutschlands

    Groß ist in der Gesellschaft also der Konsens darüber, dass Theater und vergleichbare Institutionen zur kulturellen Identität dieses Landes gehören. Das ist von Bedeutung nicht zuletzt deshalb, weil dort, wo die Theaterlandschaft zum Thema wird, oft genug die schrillen Töne hervorstechen, allemal dann, wenn es um Sanierungen, gar Neubauten, und damit verbunden nicht unbeträchtliche Investitionen geht: Zu teuer, zu unzeitgemäß, zu wenig breitenorientiert sollen sie angeblich sein, diese Theater, Opern- und Konzerthäuser! Offensichtlich irrt hier das Bauchgefühl. 

    Alles Sonnenschein also über Deutschlands Bühnenlandschaft? Mitnichten. Bei allem Überzeugtsein von der grundsätzlichen Notwendigkeit der Kulturhäuser: Zwei Drittel der Bevölkerung, auch das hat die Umfrage zutage gefördert, interessieren sich gar nicht oder allenfalls am Rande für Schauspiel-, Opern- und Konzertaufführungen. Wie kommt solch eine Diskrepanz zustande? Ein Großteil der Menschen in Deutschland fühlt sich von dem, was auf den Bühnen geboten ist, nicht angesprochen. Vor allem Jüngere finden, dass das Angebot der Theater sich nicht an Menschen wie sie richtet. Man fühlt sich fehl am Platz, klagt auch häufig über eine angeblich wenig verträgliche Preisgestaltung. 

    Was als Mangel angeführt wird, ist oft längst vorhanden

    Das erstaunt in der Summe. Denn das meiste von dem, was da als Mangel angeführt wird, gehört vielerorts längst der Vergangenheit an. Spielpläne, die brandaktuelle Themen pflegen, Spielstätten in bewusst ausgesuchten Randgebieten, digitale Formen des Theaters, Spezialformate für Kinder und Jugendliche bestimmen heute zu einem erheblichen Teil die Angebote. Und doch hält sich hartnäckig die Vorstellung, auf den Bühnen würden Themen verhandelt, die nichts zu schaffen haben mit der Lebenswelt von Leuten wie du und ich. 

    Ganz offenbar liegt da ein Kommunikationsdefizit vor. Hier müssten sich die Theater & Co. noch mehr ins Zeug legen, gar nicht einmal mit mehr (Werbe-)Masse, wohl aber mit gezieltem Marketing – bei den so heftig umworbenen Jüngeren, dem „Publikum von morgen“, gewiss mit professioneller (heißt: bloß nicht uncooler!) Social-Media-Präsenz. Das treue Stammpublikum zugleich bei sich zu halten, wird dabei das Kunststück sein. 

    Über allem aber steht in Großbuchstaben: Der Rückhalt für Theater, Oper und Konzert ist stabil hierzulande, die Einsicht in die Bedeutung ihres Fortbestands nicht minder. Nicht zuletzt sollte das ein Fingerzeig sein für die Politik, sich dieser Zustimmung zu erinnern, wenn es darum geht, mit Steuermitteln fürs weitere Gedeihen dieser Kultur zu sorgen.

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