Jeder Tag ist Muttertag! Diesen Satz sagt meine Mutter einmal im Jahr am zweiten Sonntag im Mai. Sie will an diesem Tag keine Geschenke (selbstverständlich hat sie sich über jedes selbst gemalte Bild riesig gefreut), keine Blumen (jeder selbst gepflückte Gänseblümchenstrauß lässt sie am Muttertag strahlen), keinen gedeckten Tisch (sie freut sich trotzdem) – sie erwartet von ihrer Familie Unterstützung und Wertschätzung das ganze Jahr. Was bringt schließlich ein Muttertag, wenn an 364 Tagen die Mutter und ihr Tun als selbstverständlich gesehen werden?
Jeder Tag muss Muttertag sein
Jeder Tag muss Muttertag sein! Wir nehmen den offiziellen Tag zu Ehren der Mutter – übrigens erfunden 1914 in den USA – heuer aber zum Anlass, um an die Rolle von Müttern in besonderen Zeiten zu denken. Die heute alten Menschen haben erlebt, dass Millionen Mütter in der Vergangenheit schon einmal Übermenschliches geleistet haben. Vor 75 Jahren waren es die Frauen, Mütter, auf deren Schultern der Neuanfang unseres Landes, der Neuanfang der Familie, der Neuanfang unserer Gesellschaft lag. Die wenigsten sprachen groß darüber, sie machten einfach, sie hatten meistens keine andere Wahl. Sie versorgten die Kinder, sie organisierten Geld wie Nahrung und sie versuchten, etwas Normalität in den chaotischen Alltag zu bringen. In vielen Fällen ohne Mann. Als unser Land dann wieder langsam funktionierte, schickten die Männer die Frauen zurück an den Herd und teilten unter sich die Machtpositionen in Beruf und Gesellschaft auf. Jahrzehntelang kämpfen Frauen nun schon um eine Gleichstellung, die eigentlich längst selbstverständlich sein müsste.
In den vergangenen Jahren hat sich vieles zum Positiven verändert. Aber in Corona-Zeiten offenbart sich, dass die Gleichstellung der Frauen vielerorts und auch in vielen Familien nur zum Schein existierte oder zumindest nur so lange, wie externe Hilfen diese zuließen. Umfragen zeigen, dass zurzeit die Frauen die größte Last der Sorgearbeit übernehmen und dadurch neben dem Job eine deutliche Mehrbelastung schultern müssen.
Wir erleben in der Corona-Krise einen Rückfall in traditionelle, patriarchalische Rollenbilder
Man muss sich nur im eigenen, eigentlich liberal-modernen Bekanntenkreis umhören oder die Beiträge auf Hashtag #coronaeltern im Internet lesen: Kommt die Putzfrau nicht mehr, übernimmt jetzt meistens die Frau. Sind Schule und Kita geschlossen, übernimmt meistens die Mutter Homeschooling und Kinderbetreuung. Haben beide Elternteile Telefonkonferenz, hat plötzlich häufig die des Mannes höhere Priorität, weil er den besser bezahlten Job hat. Falls es jemand zwischendurch vergessen haben sollte, wir leben im Jahr 2020! Und wir erleben gerade einen Rückfall in traditionelle, patriarchalische Rollenbilder. „Plötzlich sind die Frauen weg“, hat Managerin Julia Jäkel, zweifache Mutter und Vorsitzende der Geschäftsführung des Verlagshauses Gruner + Jahr, auch in Entscheiderkreisen festgestellt. Das jetzige Verschwinden der Frauen aus dem Berufsleben habe auch langfristige Folgen, weil in Krisen Karrieren gemacht werden. Männer steigen auf, Mütter aber machen Teilzeit – und bekommen das später auch bei der Rente zu spüren.
Aus welchen Gründen auch immer Mütter gerade zurückstecken (müssen), die Politik muss ihnen helfen, damit die entlastende Infrastruktur schnellstmöglich wieder funktioniert. So, wie es derzeit läuft, halten viele Mütter nicht mehr lange durch. Und nicht nur die Politiker und Politikerinnen sind gefordert. Alle können die Krise als Chance nutzen, um unser Land in Sachen Gleichberechtigung weiter voranzubringen: Väter, helft mehr! Mütter, fordert mehr Hilfe ein! Kinder, macht mit! Heute, morgen, am Muttertag – und am Montag, Dienstag, Mittwoch …
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