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Foto: Warner Bros.
Foto: Warner Bros.

In der schönen Plastikwelt: Margot Robbie als Barbie und Ryan Gosling als Ken im Film „Barbie“ von Greta Gerwig.

Kino
19.07.2023

Wie die makellose "Barbie"-Blondine ins Grübeln gerät

Von Patrick Heidmann

Ein abendfüllender Werbespot über die Plastikpuppe Barbie? Nicht mit Greta Gerwig. Die Regisseurin hat mit ihrem Film ein durchaus feministisches Anliegen.

Wenn eine Spielzeugfirma einen Film über einen ihrer Bestseller in Auftrag gibt, ist Vorsicht angesagt. Was kann da schon anderes herauskommen als ein überlanger Werbespot? Dass im Fall von "Barbie" die Sache nun zumindest bis zu einem gewissen Grad komplexer geraten ist, liegt ausschließlich daran, dass als Regisseurin Greta Gerwig verpflichtet wurde. Die hat mit Filmen wie "Ladybird" oder "Little Women" bereits bewiesen, dass sie nicht nur ein durchaus feministisches Anliegen hat, sondern sich auch darauf versteht, alten Stoffen einen frischen Anstrich zu verleihen.

Mit Noah Baumbach hat Gerwig ein Drehbuch verfasst, das uns direkt hinein ins knallpinke Barbieland katapultiert. Hier erlebt Barbie (Margot Robbie) jeden Tag aufs Neue den absolut perfekten Tag. Von der Präsidentin bis zur Bauarbeiterin wird jeder wichtige Beruf von einer Frau namens Barbie ausgeübt, während Ken (umwerfend: Ryan Gosling) und seinesgleichen nichts anderes zu tun haben, als am Strand abzuhängen und zu hoffen, dass Barbie mal einen Moment ihrer Aufmerksamkeit übrig hat. Zum Ausklang gibt es täglich Tanzpartys und Mädelsabende und alles könnte ewig so glitzernd und sorgenfrei weitergehen. Wenn nicht Barbie eines Tages von ungewohnten Gedanken an den Tod heimgesucht würde – und plötzlich, Schreck lass nach, flache Füße hat, die das Tragen der üblichen hochhackigen Schuhe unmöglich machen.

Barbie: Verachtet als Symbol des sexualisierten Kapitalismus

Auf Anraten von Weird Barbie (Kate McKinnon), die ausgegrenzt wird, weil ihr jemand die Haare abgeschnitten und das Gesicht mit Filzstiften bemalt hat, macht sich Barbie samt dem schwer verliebten Ken im Schlepptau per rosa Auto, Boot, Rakete, VW-Bus und Rollerblades auf in die echte Welt, um herauszufinden, wer dort mit ihr spielt und so für das Schwinden ihrer Makellosigkeit verantwortlich ist. Der Schock ist groß. Denn anders als in Barbieland angenommen, haben die Puppen in der Realität nicht dafür gesorgt, dass sich alle Probleme in Sachen Feminismus und Gleichberechtigung in Luft aufgelöst haben. Vielmehr muss Barbie feststellen, dass Teenager wie Sasha (Ariana Greenblatt) sie als Symbol des sexualisierten Kapitalismus verachten, während Ken begeistert entdeckt, dass hier Männer das Sagen haben und sofort die Idee des Patriarchats nach Barbieland importieren will.

Liebevoll, aber mit Biss nimmt Gerwig den Mythos Barbie aufs Korn und hat in der ersten Filmhälfte nicht zuletzt an der visuellen Umsetzung unglaublich viel Spaß. Von den Kostümen bis zu den Kulissen ist die pinke Detailfreude atemberaubend; echte Barbiefans dürfen sich auf Referenzen an schnell aus dem Programm genommene Puppen wie die schwangere Midge oder Earring Magic Ken freuen. Smarte, flotte Dialoge und Gags über alles von *NSYNC bis hin zum Barbie-Hersteller Mattel tun ihr Übriges.

Letztlich ist "Barbie" ein Balanceakt

Der leichtfüßige Spaß tritt ein wenig in den Hintergrund, wenn es im Verlauf der Geschichte weniger um Barbies bunten Plastikalltag geht als um die Frage, was es eigentlich heißt, Frau zu sein in einer Welt, in der ein Mädchen zwar davon träumen kann, alles zu erreichen, aber die gesellschaftlichen Strukturen dafür längst noch nicht gegeben sind. Viel tiefer als diese Erkenntnis schürft "Barbie" im feministischen Anliegen nicht: Während in Barbieland die Jungs an der eigenen Emanzipation zu arbeiten beginnen, wird in der Realität gerade so weit am Status Quo gerüttelt, dass ein neues Mattel-Produkt als Lösungsversuch reichen muss. Trotzdem ist es faszinierend mitanzusehen, wie einfallsreich und clever Greta Gerwig sich an dem Balanceakt versucht, kitschigen Kommerz mit politischem Metatext aufzuladen.

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