Als Ridley Scott im Jahr 2000 „Gladiator“ herausbrachte, war dessen Erfolg keineswegs eine ausgemachte Sache. Das Genre des Sandalenfilms, das mit Klassikern wie „Quo vadis“ (1951), „Ben Hur“ (1959) und „Spartacus“ (1960) seine Blütezeit erlebte, war Ende der Sechziger zu Grabe getragen worden. Dass dann ausgerechnet zu Beginn des neuen Jahrtausends ein Monumentalfilm, der ins alte Rom zurückführte, die Kinokassen eroberte, war ein popkultureller Anachronismus der besonderen Art. Aber Scott gelang es, den Retro-Flair des Genres kongenial mit modernsten digitalen Effekten zu kombinieren. „Gladiator“ erreichte ein weltweites Einspielergebnis von 465 Millionen Dollar und wurde mit fünf Oscars ausgezeichnet.
Anders als bei seinem frühen Erfolg „Alien“ (1979) widerstand Scott der Versuchung, dem Blockbuster, der den australischen Schauspieler Russell Crowe zum Star machte, ein zeitnahes Sequel hinterherzuschicken. Aber nun, fast ein Vierteljahrhundert später, begibt sich der mittlerweile 86-jährige Regisseur erneut in die Arena, um ein cineastisches Spektakel vor antiker Kulisse in Szene zu setzen.
Statt in Germaniens Wälder geht‘s in „Gladiator 2“ an die Küste
Begann „Gladiator“ mit einer atemberaubenden, blutigen Schlacht in den germanischen Wäldern, so lässt der Nachfolger nun die römische Flotte vor der nordafrikanischen Küste anrücken, um eine numidische Festungsstadt zu erobern. Hier lebt Lucius (Paul Mescal), der als Zwölfjähriger von seiner Mutter allein ins Exil geschickt wurde, weil ihm in Rom der Tod drohte. Nun steht er mit zahlreichen tapferen Kriegern der römischen Invasionsarmee des Generals Acacius (Pedro Pascal) gegenüber, der die Stadt vom Meer aus mit militaristischer Übermacht erobert.
Gleich zu Anfang lässt „Gladiator 2“ die Muskeln spielen und entwirft ein monumentales Gemetzel, in dem alle Register gezogen werden. Lucius, der in der Schlacht seine geliebte Frau Arishat (Yuval Gonen) verloren hat, wird als Sklave nach Rom verschifft. Dort fällt er dem Talentscout Macrinus (Denzel Washington) ins Auge, der Gladiatoren fürs Kolosseum castet. In Lucius erkennt er jene tief sitzende Wut, die man zum Überleben in der Arena braucht. In Rom, das von den tyrannischen Zwillingen Geta (Joseph Quinn) und Caracalla (Fred Hechinger) regiert wird, steigt Lucius schon bald zum beliebten Star der Arena auf. Gegen die unberechenbaren Herrscher plant der zurückkehrende General Acacius mit seiner Frau Lucilla (Connie Nielsen) ein Komplott. Die Dinge verkomplizieren sich, als Lucilla in dem jungen Gladiatoren ihren Sohn wiedererkennt, dessen leiblicher Vater kein Geringerer als der legendäre Gladiator Maximus war, der vor 25 Jahren im Körper von Russell Crowe in der Arena stand.
Ridley Scott ließ das Kolosseum analog nachbauen
Die Handlungsstruktur von „Gladiator 2“ lehnt sich sehr stark an den Originalfilm an. Auch im Sequel setzt Regisseur Scott auf die bewährte Mixtur aus persönlichen Rachegelüsten des Helden, politischen Intrigen und blutigen Kämpfen. Im Halbstundentakt kehrt der Film immer wieder ins Kolosseum zurück, das nicht digital animiert, sondern auf Malta als analoge Kulisse aufgebaut wurde. Das Spektrum der blutigen Schauwerte reicht vom Kampf gegen ein riesiges Rhinozeros bis zur Nachstellung einer Seeschlacht in der überfluteten Arena samt hungriger Hai-Population. Historisch sicherlich nicht verbrieft, aber ein fantastisches Spektakel.
Ob monumentales Schlachtengemälde oder minutiös choreografierte Gladiatorenkämpfe – in den zahlreichen Actionsequenzen wird „Gladiator 2“ dem epischen Kinoformat mehr als gerecht. Ein klassischer Intrigen-Plot und eine familiäre Entwicklungsgeschichte von Shakespeare‘scher Wucht sorgen für den notwendigen Spannungsbogen. Dabei wird das Pathos so großzügig aufgetragen wie die Buttercreme auf einer Hochzeitstorte. Aber auch für Echos zur politischen Gegenwart ist gesorgt, wenn im Film immer wieder die Korrumpierung des „römischen Traums“ durch die tyrannischen Herrschaft angeklagt wird.
Paul Mescal reicht nicht ganz an Russell Crowe heran
Der irische Schauspieler Paul Mescal tritt beherzt in die Fußstapfen von Russell Crowe, an dessen virile Präsenz er nicht ganz heranreicht, dafür aber in den ruhigen, intimen Momenten seiner Figur zu überzeugen versteht. Aber der eigentliche Star des Films heißt Denzel Washington, der den vom Sklaven zum Gladiatoren-Meister und politischen Strippenzieher aufgestiegenen Macrinus mit einer umwerfend souveränen Lässigkeit verkörpert und zu einem der schillerndsten Antagonisten der jüngeren Filmgeschichte ausbaut. Eine grandiose Performance, die sicherlich mit einer Oscar-Nominierung belohnt werden wird.
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