Dass er als strahlender Held auf der Leinwand die Welt immer und immer wieder vor ihrem sicheren Untergang bewahrt, gehört bei einem Mann wie Tom Cruise zur Stellenbeschreibung. Aber neuerdings rettet er nicht nur im Alleingang die Menschheit, sondern auch Hollywood. Kein Geringerer als Steven Spielberg hat Cruise den Dank ausgesprochen: „Du hast Hollywood den Arsch gerettet – und vielleicht auch der gesamten Kinobranche“, lobte Spielberg bei einem Oscar-Dinner den erfolgreichen Schauspieler und Produzenten, der allen Pandemie-Widrigkeiten zum Trotz am Kinostart von „Top Gun Maverick“ festhielt und dem Studio im letzten Jahr einen Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Dollar bescherte.
Nun legt der 61-Jährige noch einmal eine Schippe nach und reanimiert das zweite große Franchise, mit dem er sich als Action-Star in die Filmgeschichte eingeschrieben hat. Zum siebten Mal schlüpft Cruise mit „Mission: Impossible – Dead Reckoning Part One“ in die Rolle des Supergeheimagenten Ethan Hunt, der die freie Welt vor ihren zahlreichen Feinden beschützt. Diesmal kämpft der omnipotente Spion nicht gegen einen Bösewicht mit Gesicht und Stimme, sondern gegen ein anonymes digitales Wesen, das von einer autonom agierenden Künstlichen Intelligenz gesteuert wird.
"Mission: Impossible" ist voll auf der Höhe seiner Zeit
Damit ist dieser „Mission: Impossible“ voll auf der Höhe seiner Zeit und gleichzeitig fest in einem Genre verankert, das mit Filmen wie James Camerons „Terminator“ (1984) oder Steven Spielbergs „A. I.“ (2001) im Science-Fiction-Gewand vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz warnte und nun von den Entwicklungen der Gegenwart eingeholt wird.
Der Film beginnt unter der dicken Eisdecke des Beringmeeres, wo ein russisches U-Boot sich mit neuester KI-Technik für seine Gegner unsichtbar gemacht hat und zur gefährlichsten Waffe der Welt ausgebaut wurde. Dann scheint sich der suspekt leuchtende Zentralcomputer, der mit einem kreuzförmigen Doppelschlüssel gesichert ist, selbstständig zu machen. Das System täuscht einen Angriff vor und lenkt die abgeschossenen Torpedos gegen das eigene U-Boot. Auf mysteriöse Weise bleiben die beiden Schlüsselhälften unversehrt, die fortan verschiedene rivalisierende Geheimdienste und Schurkenorganisationen gewaltsam an sich bringen wollen.
Natürlich bekommt auch Ethan Hunt einen Auftrag – wie gehabt auf einen altmodischen Kassettenrekorder, der sich nach 10 Sekunden selbst zerstört. Aber Hunt wäre nicht Hunt, wenn er nicht schon bald zu dem Schluss käme, dass eine solch allmächtige Wunderwaffe weder in die Hände seiner Auftraggeber, noch eines anderen Staates gehört. So ist das Mission-Impossible-Team, zu dem weiterhin die Kollegen Luther (Ving Rhames) und Benji (Simon Pegg) gehören, bald auf sich allein gestellt, wenn es um die Rettung der Menschheit vor einem daten- und machthungrigen KI-Monster geht, das von der Weltbank bis zu Medien und Regierungen alle digitalen Schnittstellen infiltriert hat.
Eine halsbrecherische Actionsequenz folgt in "Mission Impossible" auf die andere
Mit der Verlässlichkeit eines Metronoms lässt Regisseur und Drehbuchautor Christopher McQuarrie, der auch schon die letzten beiden „Mission: Impossible“-Filme inszeniert hat, eine halsbrecherische Actionsequenz nach der anderen auf das Publikum los. Von einem Ritt durch die Wüste und einem Gefecht im Sandsturm geht es auf den Flughafen von Abu Dhabi, wo alle Ebenen des komplexen Gebäudes bespielt werden, zu einer Verfolgungsjagd in Rom mit einem Fiat 500 die spanischen Treppen hinab, nach Venedig zu einer stylischen KI-Party und schließlich zum Finale auf die Waggon-Dächer eines Zuges durch die österreichischen Alpen. So wie es die Marke verspricht, kommt man auch in diesem „Mission: Impossible“ aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Tom Cruise und die Marketing-Kampagne des Films bestehen darauf, dass die Stunts weitestgehend ohne Zuhilfenahme digitaler Hilfsmittel in Szene gesetzt wurden. Als Action-Star der alten Schule versteht sich Cruise als letzter Verfechter der physischen Glaubwürdigkeit des Kinos. So wie sein Ethan Hunt gegen die Gefahren der Künstlichen Intelligenz ins Feld zieht, kämpft Cruise gegen die Omnipräsenz digitaler Bildproduktion im Blockbuster-Gewerbe. Während andere Schauspieler in Superheldenanzügen vor den Greenscreen im beheizten Studio angestrengte Grimassen verziehen, stürzt Cruise sich auf einem rasenden Motorrad eine schwindelerregende Klippe hinunter, um mit einem Fallschirm auf einen fahrenden Zug zu springen.
Die Halsstarrigkeit von Tom Cruise flößt in "Mission Impossible" Respekt ein
Man mag von der aufgeblasenen Persönlichkeit des Hollywood-Stars halten, was man will, aber die Halsstarrigkeit, mit welcher der Mann auf die Authentizität des Actionkinos besteht, flößt Respekt ein. Hinzu kommt, dass Cruise offensichtlich mit zunehmendem Alter auch von allzu egozentrischer Selbstinszenierung Abstand nimmt und den Mitspielenden deutlich mehr Raum gibt. Dies gilt besonders für vier starke Frauencharaktere, die sich neben dem Superstar angemessen profilieren können.
Die charismatische Rebecca Ferguson, die als abtrünnige MI6-Agentin schon im letzten „Mission: Impossible“ mit an Bord war, hat nur wenige, aber umso markantere Kurzauftritte. Als gewiefte Trickbetrügerin, die auf eigene Rechnung arbeitet und sich erst in die Rolle als Weltenretterin einfinden muss, stößt die fabelhafte Hayley Atwell zum Impossible-Team. Die verlässliche Vanessa Kirby verleiht der gewissenlosen Waffenhändlerin shakespearsche Tiefe und Pom Klementieff erweist sich in der Rolle der Schurkenschlägerin als kämpferische Naturgewalt. Bei einem solch effizienten Stunt- und Personalmanagement fällt es kaum auf, dass die Story um die Erlangung eines zweiteiligen Schlüssels fast schon anachronistisch anmutet. Aber das kann sich nach 163 Filmminuten und einem wahrhaften Kliffhänger-Finale noch ändern. Denn für das kommende Jahr ist die Fortsetzung dieses möglicherweise letzten „Mission: Impossible“ mit Tom Cruise angekündigt.