Meterhoch sind die Berge von Geldscheinen, die in den Katakomben eines alten Bunkers aufgeschüttet wurden. Die Säcke mit den Banknoten werden lastwagenweise heran gekarrt und achtlos abgekippt. Die Scheine sind nur noch wertloses Papier, das in dem Stollen verrotten soll, weil die Vernichtung zu kostspielig ist. Die Geldberge aus entwerteten DDR-Mark-Scheinen sind ein machtvolles Bild, das Natja Brunckhorst ins Zentrum ihres Filmes „Zwei zu eins“ stellt. Ein Bild, das in den damaligen Nachrichten nicht zusehen war. Denn die verrottende Landeswährung hätte die destruktive Seite der deutschen Vereinigung zu sehr betont und Verlustängste befeuert. So verschwand die Ostmark mit der Währungsunion sang- und klanglos im geheimen Komplexlager 12 von Halberstadt, das während des NS-Regimes von Zwangsarbeitern für die Rüstungsindustrie errichtet wurde.
Unter den Banknoten im Wert von etwa 109 Milliarden Mark waren auch 200- und 500-Mark-Scheine, die zwar als Devisenrücklage gedruckt, aber in der DDR nie in Umlauf gebracht wurden, weil die niedrigen Verdienste im Arbeiter- und Bauernstaat keine großen Geldscheine erforderten. Dennoch tauchten einige dieser Noten später an Bankschaltern und in Sammlerkreisen auf. Der Verdacht liegt nahe, dass sie aus den Halberstädter Stollen gestohlen wurden. In welchem Umfang Geld aus dem Depot geklaut wurde, kam nie ans Licht.
Halberstadt: Geheimes Geldversteck entdeckt von Maren, Robert und Volker
Aus dieser recht schmalen Faktenlage spinnt Regisseurin und Drehbuchautorin Brunckhorst eine Sommerkomödie, die im Jahr 1990 angesiedelt ist, als der SED-Staat seine Macht verloren hatte und Ostdeutschland noch nicht zur Bundesrepublik gehörte. Wie zuletzt „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ (2023) ist auch „Zwei zu eins“ in dieser Phase des Umbruchs und Machtvakuums angesiedelt.
Im Zentrum steht ein Wohnblock, dessen Hausgemeinschaft der Vereinigung mit sommerlicher Gelassenheit, Feierlaune und Grillfesten entgegenblickt. Maren (Sandra Hüller) lebt hier mit ihrem Mann Robert (Max Riemelt) und den beiden Kindern, als ihr gemeinsamer Freund Volker (Ronald Zehrfeld) wieder auftaucht. Die Drei waren in einer engen Dreiecksbeziehung miteinander verbunden, bis Volker ohne Abschied über Ungarn in den Westen abgehauen ist. Nun ist er zurück in seiner früheren Heimat, und alte Gefühle und Wunden brechen wieder auf.
Die DDR-Ersparnisse können „Zwei zu eins“ umgetauscht werden
Das Trio beobachtet die NVA-Lastwagen, die schon seit Tagen durch den Ort fahren. Mithilfe von Onkel Markowski (Peter Kurth), der im Armeelager gearbeitet hat, verschaffen sie sich Zutritt zum Stollen und stehen unverhofft vor dem Geldberg. Spontan stopfen sie sich die Rucksäcke voll und stapeln die Scheine auf dem Küchentisch, ohne zu wissen, was sie damit anfangen sollen. Es sind nur noch wenige Tage bis zum Stichtag, an dem man seine privaten DDR-Ersparnisse im Verhältnis 2:1 bis zu einer Höhe von 6000 Mark eintauschen kann. Die meisten im Wohnblock haben ihre Spareinlagen schon umgewandelt. Und so entwickelt die Hausgemeinschaft einen regen Handel mit den Vertretern aus dem Westen, die nach der Wende scharenweise durch die frühere DDR tingeln, um den Ostdeutschen Mikrowellen, Staubsauger und Fernseher zu verkaufen.
Der Garagenhof wird zum Warenlager umfunktioniert. Auf der anderen Seite der Grenze wird das Zeug wieder unter der Hand verkauft und in harte Westmark umgewandelt. Bald schon steigt die Hausgemeinschaft mithilfe zurückkehrender DDR-Diplomaten, die eine spätere Umtauschfrist haben, im großen Stil in den Devisenhandel ein. Von dem Erlös wollen sie den örtlichen Betrieb kaufen, der abgewickelt werden soll. Mit viel Liebe zum historischen Detail entwirft Brunckhorst eine federleichte Sommerkomödie, in der eine ostdeutsche Hausgemeinschaft in Robin-Hood-Manier dem herannahenden Kapitalismus ein Schnippchen schlägt.
Mit einer unaufdringlichen Original-Ausstattung rekonstruiert Brunckhorst das Wendejahr und überzieht es mit einem leicht verklärenden Sommerlicht. Das betrifft nicht nur die Kulissen und Kostüme, sondern auch die liebevolle Gestaltung der Charaktere in der Hausgemeinschaft, deren kollektiver Geist angesichts der Geldberge auf eine harte Probe gestellt wird. Ähnlich wie „Goodbye Lenin“ fasst „Zwei zu eins“ das historische Momentum des Jahres 1990 auf komödiantische Weise genau ins Bild und lässt dennoch Raum für ernste, pointierte Zwischentöne. Als Markowski von der Treuhand zurückkehrt, wo er den örtlichen VEB für nur eine Mark erwerben könnte, wird die Entwertung der Lebens- und Arbeitsbiografien der Bewohner und Bewohnerinnen eines ganzen Ortes in einem hochemotionalen Moment plastisch vor Augen geführt. „Zwei zu eins“ macht deutlich, dass im Osten immer noch viele unerzählte Geschichten in den Bunkern des kollektiven Gedächtnisses lagern, die nur darauf warten, dass jemand sie hervor befördert.
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