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Kino: Kritik zu "Die einfachen Dinge": Das Duell zweier Lebenseinstellungen

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Kritik zu "Die einfachen Dinge": Das Duell zweier Lebenseinstellungen

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    Greory Gadebois (rechts) als Pierre und Lambert Wilson als Vincent in dem Film "Die einfachen Dinge" von Éric Besnard.
    Greory Gadebois (rechts) als Pierre und Lambert Wilson als Vincent in dem Film "Die einfachen Dinge" von Éric Besnard. Foto: Neue Visionen Filmverleih/dpa

    Die Fernsehmoderatorin weiß, wie man mit Männern wie Vincent Delcourt (Lambert Wilson) umgeht, der es mit der Dating-Plattform "Fast Match" zu einem Milliardenvermögen gebracht hat und zu den wichtigsten Playern der Hightech-Branche gehört. Erst zählt sie die Erfolge des Unternehmers auf, um sich langsam ins Privatleben des bekennenden Hedonisten vorzuarbeiten, was der erfahrene Medienmann seinerseits souverän ins Leere laufen lässt. Da stellt die Journalistin eine einfache, alles entscheidende Frage: "Sind Sie glücklich?" Dem gewieften Manager verschlägt es die Sprache und wenig später atmet er, von einer Panikattacke ergriffen, in eine Papiertüte hinein. Eben noch auf der Überholspur, nun aus der Bahn geworfen geht Vincent dorthin zurück, wo seine Verunsicherung ihren Anfang genommen hat. 

    Am Morgen war er mit seinem Cabriolet auf einer Serpentinenstraße in den französischen Alpen liegen geblieben. Der wortkarge Pierre (Gregory Gadebois) kam mit dem Motorrad vorbei und hat den Fremden zu sich in die einsame Berghütte eingeladen. Vincent plapperte sich munter von einem Fettnapf in den nächsten.

    Regisseur Éric Besnard macht es sich in "Die einfachen Dinge" nicht zu einfach

    Auf jeden Fall steht er nach dem TV-Eklat wieder bei Pierre vor der Tür, der sich nur widerwillig auf das Asylbegehren einlässt. Auf den ersten Blick bedient Éric Besnard in seinem neuen Film "Die einfachen Dinge" das Klischee von der Land- und der Stadtmaus, die aus vollkommen unterschiedlichen Lebenswelten heraus aufeinandertreffen.

    Hier der smarte Wirtschaftsmogul im Slim-Jacket, der von einem Termin zum nächsten hetzt und nachts keinen Schlaf findet. Dort der schweigsame Almöhi, der in sich ruht und als Selbstversorger im Einklang mit der Natur lebt. Die heilsame Wirkung des Landlebens hatte Besnard schon in seinem Publikumshit "Birnenkuchen und Lavendel" (2015) wirkungsvoll beschworen – und lockte damit mehr als 700.000 Zuschauende in die deutschen Kinos. Auch in seinem letzten Film "À la carte" (2021) schickte er einen Hofkoch am Vorabend der Französischen Revolution zurück in die Provinz, um ein Restaurant ohne Klassenschranken zu eröffnen. 

    Dass nun ein gestresster Großstadt-Snob vor alpiner Kulisse durch die Freuden der Entschleunigung geläutert wird, würde bestens in Besnards filmisches Beuteschema passen. Aber so einfach macht es sich der Regisseur nicht und zaubert noch vor der Mitte des Films eine Wendung aus dem Hut, die das Aufeinandertreffen der beiden unterschiedlichen Männer in einem anderen Licht erscheinen lässt.

    Das Duell der beiden Lebenseinstellungen wird zum Seherlebnis

    Denn der Bergmensch entpuppt sich als versierter Meeresbiologe, dessen Arbeiten über das Plankton die Klimaforschung revolutionieren könnten – und Vincent hat sich in das Leben des Aussteigers eingeschlichen, weil er darin ein gutes Geschäft wittert. Damit werden die Hürden für eine Freundschaft der verschiedenen Charaktere, wie sie die Gesetze des Buddy-Movies vorschreiben, noch einmal deutlich nach oben verschoben.

    Auf nicht immer schlüssige, aber durchaus interessante Weise verwebt Besnard egoistische, altruistische und selbsttherapeutische Motive im komplexen Kennenlernprozess der beiden Männer, die sich hartnäckig eine gemeinsame Vertrauensbasis erarbeiten. Das Duell der konträren Lebenseinstellung wird vor allem durch die ideale Besetzung der beiden Hauptdarsteller zu einem interessanten Seherlebnis. Lambert Wilson ("Von Menschen und Göttern") ist wie geschaffen für die Rolle des agilen Geschäftsmannes, dessen Selbstbewusstsein aus der Balance gerät. Gregory Gadebois, der schon für Besnard in "A la Carte" vor der Kamera stand und zurzeit zu den gefragtesten Schauspielern des französischen Kinos gehört, verleiht dem wortkargen Aussteiger, in dessen Inneren es zu brodeln beginnt, eine subtile Intensität. Umgeben sind die beiden von einem beeindruckenden dritten Hauptdarsteller – den französischen Alpen, die hier als wandelbare Naturkulisse das Geschehen stimmungsvoll kommentieren, ohne dass die ausladenden Landschaftstotalen in Postkartenkitsch verfallen.

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