Kino
27.07.2022

Kinofilm "Der perfekte Chef": Alles nur zum Wohl der Firma

Von Martin Schwickert

Javier Bardem spielt im Film „Der perfekte Chef“ den Besitzer eines Waagen-Unternehmens, der sich fürsorglich gibt, aber Mitarbeiter manipuliert – bis er die Balance verliert.

Auf das Gleichgewicht kommt es an – so lautet das Mantra des Unternehmers Julio Blanco (Javier Bardem), der sein Produkt zur Firmen- und Lebensphilosophie erhoben hat. Schon in der zweiten Generation baut das spanische Familienunternehmen Waagen für Industrie und Haushalt. „Sie wissen, dass ich und meine Frau kinderlos sind. Wir brauchen keine Kinder. Sie sind unsere Kinder.“, sagt Julio zu den Angestellten in der Fabrikhalle von der Hebebühne herab.

"Der perfekte Chef" : Die Belegschaft muss auf Harmonie getrimmt werden

So viel Pathos muss sein. Schließlich ist „Blanco Waagen“ einer von drei Finalisten um den Preis der Bezirksregierung für „unternehmerische Exzellenz“. Die Jury kann jederzeit auf einen Überraschungsbesuch vorbeikommen. Da heißt es, die Belegschaft noch einmal auf Harmonie einschwören.

Ein Unternehmer, der glaubt, alles richtig zu machen, steht im Zentrum der Arbeitsplatz-Satire „Der perfekte Chef“ von Fernando León de Aranoa. Am Anfang ist es nur ein Vogel, der sich auf einer der beiden Waagschalen neben dem Pförtnerhaus niederlässt und das Messgerät aus der Balance bringt. Aber wenig später schlägt auf der anderen Straßenseite José (Óscar de la Fuente) seine Zelte auf, um gegen seine Kündigung zu protestieren.

Schauspieler Javier Bardem spielt "Julio"

Und auch hinter dem Werkstor kriselt es. Produktionschef Miralles (Manolo Solo) kämpft mit Eheproblemen und macht folgenschwere Fehler bei der Materialbestellung. Seit 22 Jahren arbeitet der Mann, so wie zuvor sein Vater, in der Waagenfabrik. Julio versucht, den Liebeskranken beim Essen im Restaurant oder mit Stripklub-Besuchen zur Besinnung zu bringen, und dringt mit seinen übergriffigen Fürsorgebemühungen viel zu tief in das Privatleben des labilen Mitarbeiters ein. Von oben durch die Glasscheiben seines Büros hat Julio ein Auge auf die neue Praktikantin Liliana (Almudena Amor) geworfen. Die 24-Jährige erwidert seine Annäherungsversuche, ist aber nicht gewillt, es bei einem One-Night-Stand zu belassen.

Mit schwarzem Humor und analytischem Blick dekonstruiert Fernando León de Aranoa in „Der perfekte Chef“ den Mythos des gutherzigen Kapitalisten. Fein nuanciert spielt Javier Bardem den Unternehmer, der sich als fürsorgliche Vaterfigur inszeniert und es gewohnt ist, alle Fäden in der Hand zu halten. Aber hinter der paternalistischen Selbstgefälligkeit verbirgt sich eine kontrollsüchtige Führungspersönlichkeit, die mit regelmäßigen Grenzüberschreitungen in das Leben der Mitarbeitenden eingreift, um sie zum profitablen Wohl der Firma zu manipulieren.

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Gleichzeitig ist die Figur als Prototyp einer Männergeneration angelegt, die sich nie selbst hinterfragen musste und ihre eingeschränkte Sicht auf die Welt im permanenten Mansplaining-Modus erklärt. Bardem, der während seiner Hollywood-Karriere in Filmen wie „No Country For Old Men“ (2007) schon einige verstörende Psychopathen verkörpert hat, besitzt das notwendige Handwerkszeug, um hinter der jovialen Fassade die seelischen Abgründe seiner Figur zu erkunden. Vor allem aber überzeugt „Der perfekte Chef“ durch seinen analytischen Blick und ein stringentes Konzept, das selbstbewusst der eigenen Idee vertraut statt sich dem Mainstream anzubiedern.

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