"Und wie liegt man darin?", fragt Museums- und Erlebnispädagoge Gernot Ladwein den 8-jährigen Carlo, der sich gerade in einen Sarg gelegt hat. "Gut", sagt der Bub grinsend. Und fügt hinzu: "Weich". Was geradezu grausig sein könnte, ist in der neuen Ausstellung im Neu-Ulmer Kindermuseum eine von viel Lachen und fröhlicher Neugier begleitete Erkundung. Diese Ausstellung "Erzähl mir was vom Tod" im Edwin Scharff Museum stellt das letzte große gesellschaftliche Tabuthema ins Zentrum – Tod und Sterben. Ein bedrückendes Thema, durch Corona und Ukrainekrieg mit Macht in unseren Alltag gerückt – und uns damit oft unvorbereitet treffend.
Wie bringt man so ein Thema ans Kind, an Frau und Mann? Spielerisch. Mit Erzählfreude, Fantasie, Unerschrockenheit. Wie in der Station „Und was kommt dann?“, wo ein Holzsarg mit goldfarbenem Innenfutter steht, den Kinder in Begleitung von pädagogischem Fachpersonal erkunden. Wer will, darf hinein. Carlo traut sich als Erster und möchte sogar, dass der Deckel geschlossen wird, testweise. Ganz kurz. Behutsam schließt Ladwein den Deckel, fragt: "Alles okay?" Ein "Ja" aus dem Innern. Nach drei, vier Sekunden öffnet sich der Deckel wieder. Der Junge ist weg, großes Staunen. Dann kommt er aus dem geschlossenen Fußteil gekrabbelt – Überraschung gelungen.
Staunen, Erkenntnis und Heiterkeit im Neu-Ulmer Kindermuseum
So ohne Angst und Verzagtheit kann man sich in 13 Räumen voller spannender Exponate und Mitmachangebote einem heiklen Thema nähern. Alle Räume regen zum Nachdenken an, zum Spielen und Anfassen, andere verlangen auch einen Moment der Ruhe. "Es ist eine generationenübergreifende Ausstellung", betont die stellvertretende Museumsleiterin Birgit Höppl, verantwortlich für den Bereich Kindermuseum, "das Thema betrifft jedes Lebensalter".
Provokantes, Schockierendes findet man nicht. Stattdessen Staunen, Erkenntnis und, ja, tatsächlich Heiterkeit. So trudelt man in der zehnten Station hinein in den knallbunten und aufheiternden Altar zum mexikanischen "Dias De Muertos", dem Tag der Toten. Es gibt einen wunderbaren mexikanischen Spruch: "Die Toten sterben nur, wenn sie in unseren Herzen sterben". Hier wird das Kennenlernen dieses "Volksfestes" mit Musik, Tanz und Essen, das eben auf dem Friedhof stattfindet, zur interkulturellen Erfahrung. Die Kinder staunen, als sie hören, dass man am "Dios De Muertos" auf dem Friedhof picknicken darf, weil die Toten "Urlaub haben und zu den Lebenden zu Besuch kommen, um Kaffee zu trinken, etwas Gutes zu essen und ihre Lieblingsmusik zu hören".
Tränen und traurige Momente gehören zu dieser Ausstellung für Kinder
Als die vom "Alice – Museum für Kinder" in Berlin kuratierte Ausstellung 2011 schon einmal in Neu-Ulm zu Gast war, reagierten Besucher erst zurückhaltend, erinnert sich Höppl: "Da sind Eltern, Omas und Opas erst mal zu einem Testbesuch gekommen, um zu prüfen, ob man das mit den Kindern ansehen kann." Die Testbesuche fielen durchweg positiv aus, die Besucherzahlen schnellten nach oben – sodass man zeitweise für den Besuch reservieren musste. Das könnte auch dieses Mal so sein. Denn Ausstellung wie auch Thematik sind zeitlos. Zudem, so Höppl, gehe das Museumspersonal mit jeder Frage, jeder Situation aufmerksam um. "Wir sind für alle Fragen gewappnet."
Dass es auch traurige Momente, auch mal Tränen gebe, gehört zum Thema, weiß Museumspädagogin Pia Grotsch vom "Alice"-Museum. Und erzählt von einer Zwölfjährigen, die kurz nach dem Tod der eigenen Mutter vor der geschlossenen Ausstellung stand und erklärte, sie wolle sich nun unbedingt "Erzähl mir was vom Tod" ansehen. Was sie dann auch, trotz Schließtages, durfte.
Das Thema Tod bringt auch Leben in das Edwin Scharff Museum
Tatsächlich ermöglicht die interaktive Ausstellung in Neu-Ulm Jung wie Alt einen leichten, nicht aber leichtfertigen Einstieg in ein sensibles Thema. Am Eingang etwa bekommen alle einen "Reisepass" und durchschreiten dann das Portal der Zeit: Dutzende tickende Uhren, an denen man ebenso vorbei muss wie an einer riesigen Sanduhr. Fragen zum Leben wie zum Tod entzünden sich ganz natürlich an den subtil, ja oft poetisch gestalteten Stationen. Eine solche Station ist etwa "Großvater geht" des Erlanger Fotografen Georg Pöhlein. Er begleitete das Sterben des geliebten Großvaters über Wochen hinweg in einfühlsamen Schwarz-Weiß-Fotografien. Die Kindergruppe im Edwin Scharff Museum blickt nachdenklich auf das Motiv mit dem im offenen Sarg Liegenden. Ein Junge staunt: "Er sieht so aus, als ob es ihm gut geht". Finden andere auch.
Wie viel Leben das Thema Tod ins Museum bringt, kann man beobachten, wenn Museumspädagogen mit einer Kindergruppe durch die Ausstellung gehen. Ängstlichkeit? Betretenes Schweigen? Nichts davon. Aber: Fragen über Fragen. Im "Labor der Unsterblichkeit" darf man sich einen "Unsterblichkeitsdrink" mixen. Und im "Wohnzimmer der Erinnerung" ein altes Radio einschalten und in die Vergangenheit lauschen. Im "Paradiesgarten", der letzten Station, wird es besonders lebendig. Ein echtes Skelett ist da zu sehen. Was ist Totenruhe? Und wie heißen die Menschen, die alles über solche Toten in Erfahrung bringen?
"Erzähl mir was vom Tod" bringt Unfassliches in Worte, Bilder, Klänge
Zuletzt dürfen alle auf Zettel notieren, was sie sich als ihr persönliches Paradies vorstellen. Ein Kind schreibt mit Bezug auf verschiedene Religionen und Bestattungsriten: "Die Glauben sind so schön."
"Erzähl mir was vom Tod" bringt scheinbar Unfassliches in Worte, Bilder, Klänge, Erlebnisse. Traurigkeit und Schmerz kann und will die Ausstellung den Besuchenden nicht nehmen. Doch sie ist ein wunderbarer Ort, die Angst vor einem angstmachenden Thema zu bewältigen und sich, gerade in dieser Zeit, der Einzigartigkeit jedes Lebens (wieder) bewusst zu werden.
Info: "Erzähl mir was vom Tod!" ist bis zum 3. März 2024 im Kindermuseum im Edwin Scharff Museum Neu-Ulm zu sehen. Infos, auch zum Begleitprogramm, gibt es unter www.edwinscharffmuseum.de.