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Kinderbuch: Daniela Kulots neues Kinderbuch: Mit der Zwillingsschwester ans Ende der Welt

Kinderbuch

Daniela Kulots neues Kinderbuch: Mit der Zwillingsschwester ans Ende der Welt

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    Das Ende der Welt suchen Daniela und ihre Zwillingsschwester Wackel.
    Das Ende der Welt suchen Daniela und ihre Zwillingsschwester Wackel. Foto: Daniela Kulot/Klett Kinderbuch

    Immer wenn der Blick des großen Bruders in die Ferne schweift, gärt etwas in ihm, das weiß „Baby“ schon, die kleine Schwester. Aber erst am Abend, als sie im Stockbett übereinander liegen, rückt er damit heraus: „Ich will den Schildkrötenpanzer haben!“ Den Panzer jener verstorbenen Schildkröte, die die Kindergartenkinder in einem Kistchen und einer angemessenen Zeremonie zu Grabe getragen hatten. Denn der ist etwas Bleibendes, der verrottet nicht, der ist ein Schatz und auf den ist Woffe scharf. So scharf, dass er die kleine Schwester dazu anstiftet, Wache zu halten, während er die Schildkröte wieder ausbuddelt. Aber dann machen die beiden Kinder bei ihrer nächtlichen Tour eine eklige Entdeckung, und so liegt der Panzer wohl noch immer irgendwo in einem oberbayerischen Dorf unter einem Stein vergraben.

    Daniela Kulots neues Kinderbuch „Und es geschah auch kein Unfug...“ erzählt Familiengeschichten

    Die kleine Schwester, die der Bruder auch heute noch Baby nennt, ist Daniela Kulot, bekannte Illustratorin und Malerin in Augsburg. Einen Namen gemacht hat sie sich mit zahlreichen Bilder- und Kinderbüchern, in denen sie oft hintergründig lustige Geschichten erzählt, wie in „Nasebohren ist schön“ oder „Scheiße sagt man nicht!“. Nun startet mit ihrenFamiliengeschichten eine neue Reihe im Klett Kinderbuchverlag, in dem es um Kindheitsgeschichten von früher geht. In „Es geschah auch kein Unfug ...“ erzählt die 1966 in Schongau Geborene aus einer Zeit, als die Erzieherinnen „Kindergartenfräulein“ hießen und das Wort „verhaltensauffällig“ noch nicht zum pädagogischen Sprachschatz gehörte und es einfach „böse Buben“ gab, die viel Unsinn im Kopf haben.

    Daniela Kulot, Illustratorin Augsburg
    Daniela Kulot, Illustratorin Augsburg Foto: Daniela Kulot

    Zwischen Kuhstall und Schule spielt sich Kulots Kindheit ab, in einer Familie mit fünf Kindern. „Es war eine Kindheit in Freiheit und mit unglaublichen Abenteuern“, erinnert sich die Künstlerin im Telefongespräch. „Eine sehr unbeaufsichtigte Kindheit, wie man sie auch auf dem Land nicht mehr erlebt.“ Aber auch eine, in der sich die Langweile schwer aufs Gemüt legen kann an Tagen, an denen man nichts als den Landfunk aus dem Autoradio, das Schnauben der Kühe und vielleicht einmal eine Transall am Himmel vorbeidüsen hört. „Das kenne ich gut, diese tiefe Trübnis, die einen an solchen Tagen befällt, es war ja absolut nichts los im Dorf“, erinnert sich Kulot. Geholfen haben ihr dann oft ein Blatt Papier und Malstifte, aber eben auch der Zusammenhalt mit den Geschwistern, eine davon „Wackel“, die Zwillingsschwester.

    Mit ihr sucht die Erzählerin an einem jener Samstage, an denen die Langeweile nicht enden will, nach dem Ende der Welt. Denn ob die Erde wirklich eine Kugel ist, wie der große Bruder so gescheit daherredet, oder doch eher eine Platte, von deren Rand man ins Universum springen kann, das wollen die beiden Mädchen unbedingt erforschen und machen sich auf dem Weg dahin, wo die Bäume aufhören. „Wir nahmen uns bei der Hand, für den Fall, dass die Kante schon bald kommen würde, und damit nicht eine von uns beiden aus Versehen runterfällt, wenn wir dranstanden. Sicher ist sicher.“ Doch der Weg wird beschwerlicher und auch länger als gedacht und endet für die beiden Mädchen in tiefer Verzweiflung auf einer Wiese. „Da saßen wir im frühsommerlichen, grünen Gras. Ganz eng aneinander. Der Himmel leuchtete sehr blau. Aber über uns braute sich eine riesenschwarze Wolke zusammen. Nicht in Wirklichkeit. Aber so fühlte es sich im Herzen an. Was war ich froh, dass Wackel da war. Dass wir einander hatten. Wir zwei ganz allein in dieser Welt. Nicht mal das Ende, also die Kante hatten wir gefunden.“ Wie die beiden Mädchen dann aber doch mit eigenen Augen sehen können, dass die Erde eine Kugel ist, gehört nicht nur zu der guten Wendung, die diese Geschichte noch nimmt, sondern ist auch wunderbar erzählt ganz ohne Rührseligkeit, aber mit viel Gefühl.

    Illustration aus "Es geschah auch kein Unfug..." mit Familiengeschichten von Daniela Kulot
    Illustration aus "Es geschah auch kein Unfug..." mit Familiengeschichten von Daniela Kulot

    Daniela Kulot beschreibt sehr genau, wie sich Kindheit anfühlt

    Wie überhaupt Daniela Kulot ohne erzwungenen Witz und gekünstelte Originalität einen Ton trifft, der nicht nur sehr lustig zu lesende Kindheitserlebnisse nahe bringt, sondern sehr genau beschreibt, wie sich Kindheit anfühlt - vom schlechten Gewissen bei unerlaubten Unternehmungen zum Wohlgefühl zwischen Mama und den Geschwistern auf dem Sofa; von den Kleidchen mit den Lederträgern, die eigentlich aus Plastik waren, bis zum Karokaffee; von den Eltern, die einander „die Allerinteressantesten“ sind, bis zum Bruder Woffe, dem geheimen Star ihrer Kindertage. Eine sehr überraschende Seite an ihm entdeckt die Erzählerin in der Geschichte „Wie Barbie mir beinahe den ganzen Tag versaut hätte“.

    Es ist eine Kindheit in Geborgenheit, in der es unglaubliche Freiräume gab, nicht nur, weil die Zeit eine andere war, sondern auch, weil die Eltern ihre Aufmerksamkeit und Liebe nicht immer allen der fünf Kinder gleich schenken konnten, wie Daniela Kulot erzählt. „Man musste es sich erobern, wenn man Bedeutung haben wollte“, sagt sie heute. „Aber als Kind mit vielen Geschwistern hat man es im Blut, dass man Rücksicht nehmen muss, dass man auch mal Platz machen muss.“ Von all dem zeugen auch Daniela Kulots souveräne Illustrationen - bunte Zeichnungen, die nicht nur abbilden, sondern erzählen und mit großer Dynamik den Geschichten zusätzlichen Schwung geben.

    Daniela Kulot: Es geschah auch kein Unfug...“ , Klett Kinderbuch, 91 Seiten, 16 Euro - ab 7 Jahe.

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