Fawn Creek ist eine Kleinstadt in Südlousiana. Jeder kennt sich und das Leben schleicht gleichförmig dahin – auch für die zwölf Siebtklässler der Schule im Ort. Jeder hat seine Rolle: Außenseiter Greyson, der sich für Mode interessiert, Dorothy, die sich hinter ihren Haaren versteckt, und Janie, die Schulschönheit. Hier hinein schneit auf einmal Orchid, exotisch wie die Blume, deren Namen sie trägt, und bringt das eingefahrene Gefüge ins Wanken. Sie tut Dinge, die man bisher nicht getan hat, gibt nichts aufs Gerede, interessiert sich für die Menschen, geht auf alle vorurteilsfrei zu, und das gefällt natürlich nicht jedem.
Neid und verletzte Gefühle verstellen in "Irgendwo wartet das Leben" den Blick auf die Menschen
Die amerikanische Autorin Erin Entrada Kelly schildert abwechselnd aus der Perspektive von Greyson, Dorothy und Janie die Ereignisse, die Orchid in Gang setzt. Dabei zeigt sie hellsichtig auf, nach welchen Mechanismen und welcher Dynamik Gemeinschaften funktionieren. Wie Neid und verletzte Gefühle den Blick auf die Menschen verstellen. Wie Fähigkeiten verkannt und Heranwachsende dadurch in ihrer Persönlichkeit beschränkt werden.
Orchid erweitert den Horizont der Jugendlichen, auch durch die Erzählungen über die weite Welt, die sie in die von Kelly atmosphärisch beschriebene Ödnis Fawn Creeks bringt. Und sie gibt ein Beispiel dafür, wie man trotz Verletzungen, Ablehnung und Schicksalsschlägen mit Fantasie und Liebenswürdigkeit Stärke entwickeln kann. Auch wenn sich die Eskalation am Schluss ein wenig glatt auflöst, ist Kellys „Irgendwo wartet das Leben“ ein besonderes Kinderbuch, das den Sinn für respektvolles Zusammenleben schärft.
Erin Entrada Kelly: Irgendwo wartet das Leben. Übersetzung von Birgitt Kollmann. dtv, 352 Seiten, 16 Euro