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KI-Kunst: Revolution oder kreative Zukunft?

Künstliche Intelligenz

KI in der Kunstwelt: Wie Algorithmen Kreativität neu definieren

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    Als Promptografie bezeichnet Boris Eldagsen seine Arbeiten mit KI. Mit  „Pseudomnesia | The Electrician“ gewann er den Sony World Photography Award und hat damit eine breite Debatte um KI und Kunst angestoßen.
    Als Promptografie bezeichnet Boris Eldagsen seine Arbeiten mit KI. Mit „Pseudomnesia | The Electrician“ gewann er den Sony World Photography Award und hat damit eine breite Debatte um KI und Kunst angestoßen. Foto: Boris Eldagsen, Photo Edition Berlin

    Die Technologie dahinter ist eigentlich noch wahnsinnig jung, und doch prägt sie unsere Zeit. Ein paar KI-Bilder haben schon eine wirklich steile Medienkarriere hingelegt, wie gefälschte Aufnahmen von Trump oder ein Papst Franziskus in Daunenjacke und protziger Goldkette. Vor etwas über drei Jahren brachte OpenAI um den wirklichen KI-Papst Sam Altman das erste durchschlagende text-to-image-Modell auf den Markt: DALL-E, mittlerweile in dritter Generation. Text to image bedeutet: Man gibt dem Programm eine Anweisung in Textform, das Programm tut dann etwas, was Laien nur wie Magie erscheinen kann und spuckt dann ein irgendwie dem Text entsprechendes Bild aus.

    Doch abseits von politischen Propagandisten und Meme-Lords und Ladies haben auch Bildende Künstlerinnen und Designer die Spielzeuge für sich entdeckt. In den Kunstgalerien vollzieht sich so die KI-Revolution: Von Los Angeles über Seoul bis Istanbul bieten renommierte Einrichtungen der digitalen Avantgarde ihre Wände an. Doch wie immer bei neuen Technologien wird dem mit Vorbehalten begegnet: Wo ist da noch die kreative Eigenleistung? Ist das noch Kunst?

    Kann KI Kunst?

    Boris Eldagsen widerspricht dem entschieden. Ob Mensch oder Maschine kreativ waren, „das hängt vom Menschen ab, der mit der KI arbeitet.“ Eldagsen nutzt die Technologie schon seit Jahren und empfindet sie vor allem als künstlerische Befreiung. So habe sich seine Rolle als Künstler gewandelt und entspreche nun mehr der des Filmregisseurs oder eines Dirigenten, der das Trainingsmaterial der „KI als Chor“ sieht, aus der er Harmonien erzeugt. Vom Fotografen hat er sich so zum „Promptografen“ gewandelt, wobei englisch prompt für die Textanweisungen an die KI steht. Die eigentliche Kunst bestehe nun darin, gut zu prompten, zu beurteilen und dann besser zu prompten, bis das Ergebnis dem eigenen ästhetischen Urteil standhält.

    Ähnlich beschreiben es Nastassja Abel und Christian Otto, die das Kreativstudio SERIFA in München gegründet haben. Schon vor dem Einsatz von Midjourney, Stable Diffusion & Co fuhren die beiden ein „art every day“-Programm. Jeden Tag laden Sie auf ihrer Instagram-Seite eines oder mehrere neue Bilder hoch. Auch für sie sind die KIs schlicht Werkzeuge – Künstler, das blieben sie selbst. Die Programme böten ihnen präzise Kontrolle plus Zufallsfaktor und im Prozess entstünden sehr viel mehr „Outtakes“, also nicht veröffentlichte Ergebnisse, die einen trotzdem dem gewünschten Ergebnis näherbringen.

    Foto, Fake, vier Finger an der Hand – Was zeichnet KI-Kunst eigentlich aus?

    Ob KI-Kunst nun eine eigene Kunstgattung ist? Abel und Otto sehen die Frage als gar nicht so entscheidend. Viel wichtiger sei es, „welche neuen Ausdrucksformen und Perspektiven durch die Arbeit mit KI entstehen“. Wenn in einigen Jahren die Arbeit mit KI Standard sei, könne der kleine Zusatz auch einfach wegfallen. Auch Oliver Haussmann, Grafikdesigner und Künstler, gewinnt der Selbstkategorisierung wenig ab. Für seinen eher „offenen Zugang“ brauche er keine Etiketten. Den Begriff findet er dennoch interessant: „KI-Kunst könnte für mich bedeuten, künstlerische Reflexion von KI durch KI.“ Man könne zum Beispiel bewusst damit umgehen, wie die Maschinen einfach den „Durchschnitt von allem Westlichen“ als Standard ausspuckten. Ganz im Gegenteil sehe er aber, „alle probieren es aus, aber die KI-Beteiligung wird im Prozess oft ausgeklammert.“ Hmm ... dann ist ja vieles gar keine KI-Kunst.

    Hinter dem Projekt Serifa verbergen sich Nastassja Abel & Christian Otto. Ihre Arbeit "Own Roots" entstand mit Hilfe von KI.
    Hinter dem Projekt Serifa verbergen sich Nastassja Abel & Christian Otto. Ihre Arbeit "Own Roots" entstand mit Hilfe von KI. Foto: Serifa

    Franziska Kunze treibt die Kategorisierung dagegen schon aus beruflichen Gründen mehr um. Sie ist Sammlungsleiterin für Fotografie und Zeitbasierte Medien an der Pinakothek der Moderne in München und kuratierte bereits mehrere Ausstellungen, in denen auch mittels KI kreierte Kunst gezeigt wurde. Das „mittels KI kreiert“ ist dabei so allgemein wie nur möglich zu verstehen, denn bei digitalen Bildfindungen kann die neue Technologie an ganz unterschiedlichen Stellen im Prozess irgendwie eine Rolle spielen. Vielleicht falle KI-Kunst auch einfach allgemein unter den Begriff Medienkunst, so Kunze, die eine Ästhetik oder das eine Thema gäbe es auch nicht.

    Der Wandel ist rasant, nicht nur technologisch. Noch vor etwas über einem Jahr hatte Matthias Gründig die nicht ganz akkurate Anzahl der Finger an von KIs generierten Menschenhänden als ästhetisches Merkmal herausgearbeitet. Heute haben die sich als Kinderkrankheit entpuppt und laut Eldagsen „schon wieder einen vintage look“. Doch die Fehleranfälligkeit, den Zufallsfaktor oder Perspektivwechsel – je nachdem – schätzt er so sehr wie Abel, Otto und Haussmann und nutzt die unmöglichen KI-Objekte und Bewegungen als eine Art Wasserzeichen, um sie von Fotografie erkennbar abzugrenzen.

    Irgendwas mit Medien, irgendwas mit KI, wen kümmert‘s?

    Irgendwas mit Medien und darin irgendwas mit KI und eigentlich sieht man es auch nicht, wenn man es nicht darauf anlegt. Ist es also am Ende doch egal und die Unterscheidung stirbt irgendwann mit dem Hype? Wie umgehen mit dem neuen Phänomen? Kunze plädiert für Transparenz und Nachvollziehbarkeit, gerade weil sich die Dinge überschlagen. Zugleich sieht sie aber auch eine Grenze, „denn viele Kunstwerke leben davon, dass man eben nicht genau weiß, wie sie zustande gekommen sind.“ Boris Eldagsen ist in der Hinsicht ganz bewusster Grenzgänger. 2023 gewann er den renommierten Sony World Photography Award mit dem KI-generierten Bild „The Electrician“ – er lehnte den Preis ab. Eine Debatte wollte er anstoßen, wie mit KI insbesondere in der Fotografie umgegangen wird. Die habe er auch bekommen, aber oft werde sie sehr seicht geführt.

    Dabei geht es ihm nicht einfach nur ums Prinzip. Speziell die Fotografiewelt müsse gemeinschaftlich klären, wo die Grenzen verschiedener Kategorien verlaufen und welche Chancen auf Preise, Förderungen und Ausstellungen damit verknüpft sind. Die Frage, ist Kunst mit KI-Einsatz Kunst, ist also einfach. Eldagsen formuliert es so: „Für mich ist Kunst Ausdruck der „Conditio Humana“. Wenn KI Kunst machen würde, dann müsste sie zeigen, was es heißt, eine KI zu sein. Das kann sie offensichtlich nicht. Dagegen ist die Frage, ist Kunst mit KI-Einsatz ihr eigenes Ding, hochkomplex. Die Antworten darauf werden mit bestimmen, wo die Reise hingeht. Aber machen Sie sich doch einfach selbst ein Bild.

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