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Kettcar bei Sommer am Kiez in Augsburg: Ein bisschen so wie Taylor

Sommer am Kiez

Kettcar in Augsburg: Ein bisschen so wie Taylor

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    Nach 16 Jahren kam die Band Kettcar wieder nach Augsburg - hier Sänger Marcus Wiebusch auf einem Archivbild.
    Nach 16 Jahren kam die Band Kettcar wieder nach Augsburg - hier Sänger Marcus Wiebusch auf einem Archivbild. Foto: Uli Deck, dpa

    Gut, dass die Band Kettcar sich mit ihrem Auftritt beim „Sommer am Kiez“ einen Platz in der für Erinnerungen zuständigen Gehirnhälfte sichert. Denn wenn die Hamburger so lange wegbleiben wie zuletzt, dann werden sie erst im Jahr 2040 wieder in Augsburg spielen.

    Für diese lange Durststrecke leistet Sänger Marcus Wiebusch dann auch erstmal Abbitte, bevor es hineingeht in einen Abend, in dem, so Wiebusch, „auf jeden Protestsong ein Liebeslied“ folgt. Naja, nicht ganz, aber am schönsten bei „Balu“, der Ballade über ein Paar, so ungleich wie Audrey Hepburn und der Bär aus dem „Dschungelbuch“. So verschieden wie New York City und Wanne-Eickel. Nie wurde der Name der Ruhrgebietsstadt schöner gesungen, sofern er überhaupt schon mal gesungen wurde.

    Kettcar ist auch eine politische Band

    Vorher gab es „Sommer ‘89“ - ein Kommentar zu den Fluchtbewegungen der letzten Jahrzehnte. Eins jener Stücke, bei denen man nicht extra eine Interpretationshilfe braucht, um zu erkennen, dass die fünf Hamburger auch eine politische Band sind. Einer der Songs, für deren klaren Standpunkt so viele Kettcar bejubeln. Genauso beim Empowerment-Song für schwule Profifußballer, die es irgendwann doch wagen, sich zu outen: „Ein Tag, als hätte man gewonnen, dieser Tag wird kommen.“

    Kettcar gibt es seit dem Jahr 2002 - und sie haben so viele hier auf dem Augsburger Helmut-Haller-Platz beim Erwachsenwerden, Meinungbilden, Im-Leben-Ankommen begleitet. Ihr Publikum trägt T-Shirts von Indiebands, die sich mittlerweile aufgelöst haben, von Alternative-Rockgruppen der 90er- und 2000er-Jahre, es dominiert die Farbe Schwarz - aber ein freundliches Schwarz, wie sie es auch auf der Bühne tragen, Hemden statt Hooligan-Hoodies. Ein Abend „zwischen Punkrock und Lastenfahrrad“, wie ein Fan recht treffend seinen Freunden sagt.

    Während die Kinder daheim ihre Freundschaftsbänder fürs Taylor-Swift-Konzert tags darauf in München knüpfen, singen die Eltern hier jede Textzeile mit, grüßt Bassist Reimer Bustorff von der Bühne herunter seinen Augsburger Studienfreund Leopold im Publikum - und nicht nur Leopold denkt an diesem Abend zurück an die eigenen Uni-Zeiten, als man statt des Proseminars in Literaturwissenschaft lieber Kettcar-Texte hörte. Alle hier mögen es, da zu sein, die Fans und die Band, die den Erfolg auch nach mehr als 20 Jahren nicht als selbstverständlich nimmt. Sänger Wiebusch zeigt sich immer noch überwältigt, dass „Musik die Kraft hat, Menschen mit demselben Wertekosmos einmal kurz zusammenzuführen“. Und diese Menschen glücklich zu machen. Ziemlich genau wie bei Taylor Swift eigentlich, ein Safe Space Ü-30, wenn man so will.

    Kettcar weniger lang als Taylor Swift

    „Unsere gute Kollegin Taylor spielt dreieinhalb Stunden“, sagt Wiebusch dann auch, als er um kurz nach neun auf die Uhr schaut, „ein Drittel haben wir also geschafft“. Andererseits, die Aufmerksamkeitsspanne sinke seit Tiktok ja auf 30 Sekunden, weiß die Band - und hat ihre Stage Time ohnehin nicht selbst in der Hand. Um 22 Uhr ist hier Schluss, es ist ja laut und mitten in der Stadt.

    Aber bis es soweit sein kann, fehlen noch mindestens zwei Songs. „Landungsbrücken raus“ und „Deiche“, ihre größten Hits, bei denen die, die eben noch selig lachten und sich bei den Balladen eine Träne aus dem Augenwinkel wischten, ins Grölen und Hüpfen kommen. „Auf der Bierflasche steht danke“, singt Wiebusch dann im letzten Song. Beim „Sommer am Kiez“ gibt es nur Plastikbecher, aber die allermeisten hier würden die sicher auch so beschriften.

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