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Porträt: Monika Gruber: "Heldin von Erding" oder "Pegida-Moni"?

Porträt

Monika Gruber: "Heldin von Erding" oder "Pegida-Moni"?

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    Gar nicht lustig: In Erding war Monika Gruber mit Ministerpräsident Markus Söder (Zweiter von links) auf einer Bühne, um gegen "Heizungsideologie" zu protestieren.
    Gar nicht lustig: In Erding war Monika Gruber mit Ministerpräsident Markus Söder (Zweiter von links) auf einer Bühne, um gegen "Heizungsideologie" zu protestieren. Foto: Matthias Balk, dpa

    Noch bevor die Show der „Gruberin“ beginnt, gibt es für die Fans etwas zu lachen. Ein Tisch mit Fan-Artikeln steht im Foyer der Augsburger Schwabenhalle. Darauf liegt Monika Grubers „Bussi Bussi Rosé“, neun Euro die Flasche, neben einem „Gehts doch alle scheißen!“-Kissen, und gleich bei einer Fußmatte mit dem Text: „Wer gendert braucht gar ned erst klingeln!“ 

    Die Blicke der Fans bleiben an der Matte hängen. Ein Pärchen stöbert durchs Angebot, bis sie den Türvorleger entdeckt, lächelt, und ihn in die Taille knufft – ha, schau, die Gruberin! Es ist der politischste Fanartikel der Kabarettistin, die zuletzt auf einer Demo gegen die Bundespolitik reichlich Wind machte, und der viele vorwerfen, rechte, populistische Phrasen zu dreschen. Was treibt Monika Gruber um? Ein T-Shirt aus ihrer Kollektion verkündet jedenfalls den Notstand: „Die Lage ist besäufniserregend.“

    Die "Gruberin" kürzlich in der Schwabenhalle Augsburg. Beliebt bei ihren Fans ist ihre Fußmatte mit dem Text: "Wer gendert braucht gar ned erst klingeln!"
    Die "Gruberin" kürzlich in der Schwabenhalle Augsburg. Beliebt bei ihren Fans ist ihre Fußmatte mit dem Text: "Wer gendert braucht gar ned erst klingeln!" Foto: Siegfried Kerpf

    Auf der Bühne in Augsburg zündet sie vor gut 4000 Zuschauern ihr Ein-Frau-Pointen-Feuerwerk. Auf einer Bühnen-Leinwand leuchten haushoch ihre Initialen, M und G, flankiert von pinken Pumps. Und in solchen Hacken tritt sie auf die Bühne, unter Jubel. Es ist dieselbe „Moni“, die am 10. Juni auf einer Bühne in Erding stand, im Jubel- und Buh-Gewitter. Gruber hatte zum Protest gegen die „Heizungsideologie“ aufgerufen, gegen das Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung.

    Dafür holte sie Bayerns Politspitze zu sich auf die Bühne. Während CSU-Ministerpräsident Markus Söder dann gegen Buh-Rufe anreden musste, schlug Hubert Aiwangers Stunde. Söders Vize von den Freien Wählern lederte los, es gehe darum, "die Demokratie zurückzuholen" – denn "Ihr in Berlin habt's wohl den Arsch offen".Die Mehrheit wolle nun einmal die Kernfamilie, mit Mama und Papa, mit Sprit im Tank und Fleisch auf dem Teller. Monika Gruber sei die Heldin von Erding, rief er, „und du wirst die Heldin von ganz Deutschland werden“. 13.000 Protestierende applaudierten. Im Schatten der Demo trommelte auch die Alternative für

    "Da läuft etwas schief, finde ich, das ist eine Entwicklung, die viele stört oder verwundert", sagt Kabarettistin Claudia Pichler

    Diese Szenen beschäftigen Claudia Pichler. Sie trägt den Spitznamen „Frau Doktor Polt“ – nicht nur, weil sie selbst als Kabarettistin tourt, die 38-Jährige Germanistin hat auch über „Fremdheit bei Gerhard

    Grubers Aufstand in Erding irritiert Pichler nicht nur deshalb. „Als Kabarettist mit politischen Akteuren auf der Bühne einer Demo zu stehen, da ist für mich eine Grenze überschritten. Es ist wichtig im Kabarett, unabhängig zu bleiben“, sagt sie. Natürlich, der Satiriker Dieter Hildebrandt sei Mitglied der SPD gewesen, Kabarettisten warben für Willy Brandt, später für Helmut Schmidt, bis der Bayerische Rundfunk einmal Hildebrandts TV-Format „Scheibenwischer“ ausgeknipst habe. „Die politische Richtung war bis in die 80er noch klar, vor allem in Bayern. Kabarett ist Opposition, und damit gegen die CSU“, sagt Pichler. „Aber Kabarett gleich Mitte links, die Gleichung gilt heute nicht mehr.“ 

    Und auch darum brodelt es in der Szene. "Mein Kollege Bruno Jonas und ich, wir diskutieren oft über solche Streitpunkte", verrät Pichler noch. Jonas hatte Monika Gruber in der Süddeutschen Zeitung gegen alle Kritik verteidigt – sollte Gruber wie geplant auch noch auf der Theresienwiese demonstrieren, werde er an ihrer Seite stehen. Im Humorbetrieb beobachtet Jonas eine „Verengung der Perspektive“ auf das Schema von Gut und Böse. Wer vor dem Beifall von der falschen Seite warne, „begibt sich in eine Unmündigkeit, die er selbst verschuldet“. Und „wenn ein paar darunter sind, die uns falsch verstehen, haben wir unseren Spaß!“, meinte er. Claudia Pichler spricht mit Respekt von Bruno Jonas, der in ihrer Nähe wohnt: „Es wird ja manchmal so getan, als müsste man sich entscheiden, schwarz oder weiß, dies oder das. Aber man muss auch den anderen einmal gelten lassen.“

    Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf der Kundgebung in Erding.
    Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) auf der Kundgebung in Erding. Foto: Matthias Balk, dpa

    Ähnliches hört man in der Augsburger Schwabenhalle. Dort freut sich jetzt ein Mann in Reihe vier darauf, was die „Gruberin“ liefern wird. Erding? „Das eine war das eine. Heute wollen wir sie als Künstlerin wirken lassen“, sagt er. Und Gruber gibt sich an diesem Abend familiär, plaudert über ihren Kroatien-Urlaub, wo ihr eines aufgefallen sei: „Die Kroaten haben ganz wenige Hunde“ – also stecke im Cevapcici der Chihuahua? Eine Gruber-Pointe. Den lautesten Jubel erntet sie aber für Sticheleien gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Gegen die Grünen. Gegen die Energie-, Agrar- und Gesundheitspolitik. Die Weltgesundheitsorganisation nennt sie eine „Verbrecher-Organisation“, und dass die Arbeit der Landwirte noch völlig verschwinden werde, sei von der Politik vermutlich gewollt. Gruber, Bauerntochter aus Oberbayern, gräbt da einen Graben mit ihren Spitzen. Zwischen jenen, die fleißig „hackeln“, also 50 Stunden und mehr die Woche schuften, und den „Sozialschmarotzern“, die sich für das Klima auf die Straße kleben.

    "Es ändert sich ja stündlich, was man sagen darf", sagt Monika Gruber in Augsburg auf der Bühne

    Wie Gruber die Welt sieht, das wird in Tittenkofen bei Erding vielleicht etwas spürbarer. Sie wuchs in diesem Ort auf, über den heute die Flugzeuge wie Zugvögel gleiten, im Anflug auf den Airport Franz Josef Strauß. Ein Dorf, in dem „Jennys Stüberl“, das einzige Lokal am Ort, nach 150 Jahren kürzlich den Betrieb eingestellt hat. Wo an jeder Straßenecke ein Familienbetrieb liegt, vom Elektroladen bis zum Omnibus-Unternehmen. Liberal-konservativ nennt Gruber ihre Eltern in einem Interview mit der Zeitschrift Cicero. Will heißen: „Wir sind fleißig, zahlen brav unsere Steuern, wir helfen anderen, wenn wir können.“ Ihre Laufbahn begann sie als Fremdsprachensekretärin, Fotos von damals zeigen sie blond gelockt, schüchtern, mit dicken Brillengläsern. An einer Essstörung litt sie, weil sie sich für ihre Herkunft vom Land schämte. Vierzehn Jahre lang „hackelte“ sie auch als Kellnerin, um sich eine Ausbildung an der Schauspielschule leisten zu können – ein Job, den sie ihrer ersten eigenen Bühnenfigur verpasste, Kellnerin Monique.

    Auf dem Münchner Oktoberfest gab sie im BR ab 2004 ihren Senf dazu, spielte in TV-Formaten wie „München 7“ und im Kino-Klamauk „Eine ganz heiße Nummer“. Preise gewann sie mit Schlagfertigkeit und Grant bald in Serie: Deutscher Comedypreis, Bayerischer Kabarettpreis, 2023 der Karl-Valentin-Orden. Aber wie viel Spaß und Rolle steckt da noch in ihrem Auftritt?

    "Es ändert sich ja stündlich, was man sagen darf", sagt sie in Augsburg auf der Bühne. Und danach – sie stiert ins Publikum – dass es angeblich nicht zwei, sondern 72 Geschlechter geben soll? "Hams des gar ned gwusst?", fragt sie, um die Antwort mitzuliefern: Das sei Ideologie und habe in Klassenzimmern nichts zu suchen. Zwischendurch umarmt sie ihr Publikum. Hier träfen so viele verschiedene Meinungen im Saal aufeinander, sagt sie. Darunter vermutlich Wähler der SPD, der Grünen, FDP, CSU. Auch die AfD schließt sie in die Reihe ein. Die "Mitte der Gesellschaft", nannte Gruber ihre Zielgruppe, und die vertritt sie gerade mit einem Gefühl von "Frust, Wut, Lethargie und Resignation". Wobei sie betont: "Radikale Ansichten sind mir zuwider, egal aus welcher Ecke."

    Christian Springer: "Gruber wird schon lange in der Szene 'Pegida-Moni' genannt"

    Wann ihre Stimmung den Kipppunkt erreicht habe? Auch davon erzählte Gruber schon: 2015 sei das entscheidende Jahr, als Flüchtlinge – vor allem aus Syrien – in großer Zahl in Deutschland ankamen. Der Zündstoff ging seitdem nicht aus: MeToo, der Ukraine-Krieg, die Pandemie ... In der Corona-Zeit schrieb Monika Gruber mit Andreas Hock ein Buch zur Gegenwart, "Und erlöse uns von den Blöden", in dem sie die "Corona-Hysterie" ins Visier nahm. Ist sie nach rechts abgedriftet, wie andere Kabarettisten auch? Kabarettist Christian Springer, der als Postbote Fonsi TV-bekannt wurde und sich sozial engagiert, unter anderem für die

    Springer und Gruber zählten beide einmal zum Kreis um den Kabarettisten Günter Grünwald, ulkten ab 2003 in seinem Late-Night-Format „Die Komiker“. Doch: „Mit Monika Gruber habe ich seit zehn Jahren keinen Kontakt“, sagt Springer. „Dann plötzlich beschimpft sie mich über eine Zeitung als ‘Zeitgeistnutte’.“ Tatsache: In einem Interview, das sie gemeinsam mit Helmut Schleich dem Münchner Merkur gab, teilte Gruber grob aus: Viele Kabarettisten seien nur mehr „Zeitgeistnutten“. Springer verstand das als Angriff, auch gegen seine Person: „Ich hab gedacht: Ruf mich doch einfach an, wenn’s was zu bereden gibt.“ Was für ihn Kabarett bedeutet, fasst er in vier Worte: „Solidarität mit den Schwachen.“ Zur Erdinger Demo meint er: „Wer sich die beiden höchsten Politiker des Landes auf die Bühne holt, hat diese Rolle verlassen. Wer dann auch noch eine Sprache spricht, die von Rechtsradikalen bejubelt wird, füttert die AfD mit Stimmen.“ Traurig sei das, und gefährlich: „Kabarett driftet nach rechts.“

    Nach der Show mischt sie sich in ihren pinken Pumps unters Volk

    Die Pläne für eine weitere Demo, dann auf der Münchner Theresienwiese, hat Gruber fallen gelassen – unter Vorbehalt, weil die Ampel das Gebäudeenergiegesetz entschärfen will. Und so tourt sie weiter, sehr wortreich mit ihrer Tournee „Ohne Worte“. Sie schwärmt in Augsburg: „Ich hab seit 20 Jahren die besten Fans.“ Nach der Show mischt sie sich in ihren pinken Pumps unters Volk, signiert mit Geduld jede Bussi-Bussi-Weinflasche, jede Anti-Gender-Matte, lächelt in alle Handykameras. Nur für ein Gespräch mit unserer Redaktion steht sie nicht bereit. Zu viele Interview-Anfragen, lautet die Begründung. 

    Schluss mit lustig bei Gruber? Claudia Pichler, ihre Kollegin, hofft, dass die Szene wieder enger zusammenrückt, im Streit sich auch selbst hinterfragt: „Nur Bestätigung zu suchen, das ist ja nicht der Sinn von Kabarett.“ Selbst Christian Springer findet eine halbwegs versöhnliche Erklärung, weshalb es so laut kracht in der Kabarett-Szene. „Wir sind anscheinend auch nur Menschen“, findet er. Und lacht.

    Korrektur-Hinweis: Die erste Fassung dieses Artikels erweckte den Eindruck, dass nicht nur Monika Gruber, sondern auch ihr Kollege Helmut Schleich den Begriff „Zeitgeistnutten“ verwendet hat, in Bezug auf andere Kabarettisten. Tatsächlich hat einzig und allein Monika Gruber – im Doppelinterview mit Schleich, das im Münchner Merkur erschien – diese Formulierung verwendet, in Bezug auf andere Kabarettisten. Diesen Fehler haben wir im Text korrigiert. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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