Ruhestand - nicht denkbar bei Julius Berger. Er ist eine musikalische Institution, besonders auch in Augsburg, seinem Geburtsort. Im geliebten Hohenschwangau ist er mit den Allgäuer Bergen eins geworden. Und doch strahlt er nach wie vor Präsenz aus. Er hat seinen Kraftquell, die Natur, und zieht auf allen Pfaden der Musik scheinbar unentwegt seine Bahn. An diesem Sonntag feiert der Cellist und Pädagoge seinen 70. Geburtstag. Just vor diesem Tag gibt es einiges von ihm zu berichten, Projekte in Wort und Ton.
Julius Berger erzählt in seinem Buch „Ja. Cello“ seine Entwicklung
Ein Buch wird dieser Tage erscheinen, mit dem lapidaren und keinesfalls abwegigen Titel „Ja. Cello!“ (Schott Verlag). Darin schreitet er auf präzise, wie emotional-persönliche Weise, unterfüttert von ikonischem Foto- und Bildmaterial, die Phasen seiner musikalischen Entwicklung ab. Beschrieben sind erste kindliche Begegnungen mit der Musik, wie seine Lehrerin Ilse Hermann, heute 95, die Liebe fürs Cello-Spiel entfachte – die Initialzündung. Es schließt sich der Reigen der Persönlichkeiten an, die Berger den Weg zur internationalen Karriere wiesen, die ihn prägten.
Der legendäre Antonio Janigro, dessen Assistent Berger am Salzburger Mozarteum war, hat ihm das musikalische Erbe des Cello-Urvaters Pablo Casals implantiert. Eine große Rolle spielte in vielen Projekten Weltstar Mstislav Rostropovich, oder die charismatische Zara Nelsova. Fritz Kiskalt, dessen Cello-Ton nicht wenige wegen seiner unnachahmlichen griffigen Feinheit rühmten, war wohl sein wichtigster Lehrer. Wie Berger die - oft verblüffend unterschiedlichen - Vorgehensweisen der Lehrkoryphäen in Bezug auf Technik und Ausdruck beschreibt, ist spannend zu lesen, nicht nur für Cellisten. Im Mittelpunkt der Erzählungen befinden sich zwei Celli, die ihm zur Verfügung standen: Die Stradivarius ex Luigi Boccherini (1709), mit der er dessen sämtliche Cellokonzerte einspielte, und Amati Charles IX (Cremona, 1566), das älteste bekannte Cello, mit dem üppig verzierten Boden. Die Begegnung mit diesem Juwel schildert der Autor wie ein veritables Abenteuer - lesenswert.
Julius Berger pflegt die klassische Literatur
Als Pädagoge war Berger schon jungen Jahren gefragter Professor: in Würzburg, Saarbrücken und Mainz, und dann von 2000 bis 2019 in Augsburg, am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität, heute Leopold Mozart College of Music. Dort ruft er in dem von ihm ausgerichteten Wettbewerb den talentierten Nachwuchs aufs Podium. Berger pflegt die klassische Literatur. Doch stets ist er, der unentwegt neugierige Pionier, auf Entdeckungsreisen, ist ohne das Erforschen neuer Töne nicht denkbar. Für ihn sind das Gestern und das Heute magisch miteinander verbunden, über 20 Werke bedeutender Neutöner sind ihm gewidmet.
Stimmiger Begleiter des Buchs ist eine neue CD (arcantus), die den Künstler trefflich charakterisiert. „Warum toben Völker“ vereint Texte des alten hebräischen Psalmen-Buchs mit der Musik eines dazu berufenen Komponisten. Ernest Bloch (1880 - 1959), der nach dem 1. Weltkrieg in den USA lebte, war anfangs Schöpfer von spätromantischen, an Strauss, Mahler, Debussy erinnernden Werken, an Opern, Sinfonik, Kammermusik. Sein Schaffen nährte sich dann aber immer intensiver aus der Substanz des religiösen Erbes – aus dem Alten Testament. Die Klänge des Synagogen-Gesangs, folkloristisches, an Klezmer-Musik gemahnendes Kolorit, archaische Anmutungen wie das Ertönen des Schofar, des Widderhorns, sind mit hohem kompositorischen Können überhöht. Die Musik, die hier elf ausgesuchten Psalmen begleitet, ist für das Cello geschrieben. Als Begleitung sah Bloch meist das Klavier vor, doch Julius Berger spielt mit den fein schwirrenden und doch pointierten Arrangements des Percussion-Duos GRAD (Vibraphone, Marimba).
Im Mittelpunkt steht die Suite „Jewish Life“. Wenn man diese von Berger mit bezwingender Vertiefung, und bebenden Kontrasten zelebrierten Klänge hört, muss Zara Nelsova erwähnt werden. Diese Lehrerin machte Berger mit Ernest Bloch vertraut. Bloch: „Sie ist meine Interpretin“. Rezitiert werden die Psalmen von Annette Schavan, kirchenpolitisch lange Zeit engagierte Katholikin und Kennerin des Psalmen-Buchs. Der Titel gebende Psalm 2 „Warum toben Völker“ eröffnet diesen Weltreigen der Psalmen, der mit meditativer Versenkung, aber auch prallster Bildkraft die Nöte, die immerwährenden Kriegsängste und Erlösungsgedanken der Menschheit vorführt. Musikalisch eröffnen und beschließen Berger und seine Musiker diesen Bogen mit zwei expressiven Gebeten ohne Worte: „Meditation Hébraique und „Nigun“. Julius Berger – ein Prophet des Cellos.
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