„Unsere Erde, der kleine, blaue Planet in den Weiten des Universums, leidet an einem Bazillus. Der Bazillus ist erbarmungslos, aggressiv und hochintelligent. Sein Name ist: Mensch“. Mit seinem neuen Jugendroman „No Alternative“ legt Autor Dirk Reinhardt den Finger direkt in die Wunde und spricht eines der wichtigsten Themen der Zeit an: Die Umweltzerstörung und die Klimakatastrophe. Unbeschönigt und mit harten Fakten beschreibt er, was wir unserem Planeten antun und wirft dabei die Frage auf: Wenn Menschen mit Gewalt die Erde zerstören, ist es dann nicht auch legitim die Erde mit Gewalt zu verteidigen?
Autor Dirk Reinhardt beschäftigt sich mit aktuellen und brisanten Themen
Auch in vorhergehenden Büchern beschäftigte sich Dirk Reinhardt mit gesellschaftlich brisanten und aktuellen Themen. In seinem Roman „Train Kids“ von 2015 befasste er sich mit der Situation von jugendlichen Migrantinnen und Migranten, die mit Güterzügen in Mexiko unterwegs sind und wurde damit für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. In einem Interview über sein neuestes Werk äußert er seine Gedanken und Gefühle zum Thema Umweltaktivismus: „Umwelt- und Klimaschutz ist niemals radikal, Umweltzerstörung ist radikal“.
In „No Alternative“ steht die junge Emma Larsen im Mittelpunkt. Seit sie die Spitze des Frankfurter Messeturms hochgeklettert ist und dort ein Transparent der Umweltschutzorganisation „No Alternative“ angebracht hat, ist sie das bekannteste Mitglied der radikalen Aktivistengruppe. Nachdem ihr Freund Patrick bei einer Kampagne gegen den Pharmakonzern PLS ums Leben kam, schloss sich die 17-Jährige der Untergrundgruppe an. Seitdem lebt sie in einer WG mit Valerie, Noah und Vincent, drei anderen Mitgliedern der Organisation. Zusammen bilden sie eine von vielen, weltweiten „Zellen“, die alle ein gemeinsames Ziel verfolgen: Die Erde zu retten. Und das auch mit moralisch fragwürdigen Methoden.
„No Alternative“: Wieviel Radikalität lässt sich im Kampf für die Umwelt rechtfertigen?
Dirk Reinhardt konstruiert in seinem Roman ein hierarchisches Geflecht, vereint durch eine gemeinsame Kampfansage. Aber auch hier gibt es gegensätzliche Positionen, die im Wettstreit um den richtigen Weg sind. Wie viel Radikalität kann man rechtfertigen? Wie viel Gewalt ist moralisch vertretbar? Und dann ist da noch Finn. Er kennt Emma noch aus Schulzeiten, als sie gemeinsam Dialoge für ein Theaterstück schreiben sollten und sich dabei ständig in die Haare bekamen. Finn ist fasziniert von Emmas energischer Art, ihrem Selbstbewusstsein und ihrem halsbrecherischen Mut. Als Finn ein Praktikum bei einem großen Nachrichtenmagazin macht und daraufhin das Angebot bekommt, eine längere Reportage zu schreiben, entschließt er sich „No Alternative“ und Emma Larsen näher in Augenschein zu nehmen.
Dirk Reinhardts Jugendbuch ist spannungsgeladen und zugleich poetisch. Es zeigt eine vermeintlich dystopische Zukunft auf, präsentiert in Wahrheit aber nur die Realität. In kleinen Zwischenkapiteln liest man Ausschnitte aus dem Manifest der Untergrundorganisation und wird mit schockierenden Zahlen konfrontiert: „Der durch diese Gase erzeugte Treibhauseffekt entspricht der Energie von 400.000 Hiroshima-Bomben – und zwar, ohne dass wir sie überhaupt abwerfen mussten“. Bereits zu Beginn des Buches macht Emma ihren Standpunkt in einer Talkshow deutlich und erinnert dabei an Greta Thunberg: „Meine Heimat ist die Natur, weil es mich ohne sie nicht geben würde. In ihr bin ich aufgewachsen, sie ernährt mich. Wird sie angegriffen, verteidige ich sie. Und wird sie mit Gewalt angegriffen, verteidige ich sie mit Gewalt. Es interessiert mich nicht, was andere davon halten. Ich habe jedes Recht der Welt, meine Heimat zu verteidigen.“
Nun lebt Emma, wie die anderen Mitglieder von „No Alternative“ im Schatten, bei Nacht und in den toten Winkeln der Überwachungskameras. Hier bröckelt ihre vermeintliche Souveränität mit der Zeit und sie muss sich mit den eigenen moralischen Vorstellungen auseinandersetzen.
Dirk Reinhardt: No Alternative. Gerstenberg, 320 Seiten, 20 Euro - ab 14 Jahren.
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