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Jubiläum: Der 100. Band von „Drei Fragezeichen Kids“

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100. Band „Drei Fragezeichen Kids“: Ewige Kindheit in Rocky Beach

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    Die drei Fragezeichen sind ein Klassiker der Kinderlektüre und werden von den jungen Lesern der Meringer Bücherei immer noch gerne ausgeliehen.
    Die drei Fragezeichen sind ein Klassiker der Kinderlektüre und werden von den jungen Lesern der Meringer Bücherei immer noch gerne ausgeliehen. Foto: Peter Stöbich (Archivbild)

    Manchmal sagen Zahlen mehr als Worte: 25 Jahre! 10.000.000 verkaufte Bände! Und jetzt ist am vergangenen Montag auch noch der 100. Band erschienen. Die Rede ist von den „Drei Fragezeichen Kids“. Gut möglich, dass beim Kosmos-Verlag ein paar Champagnerkorken knallten angesichts dieser unglaublichen Erfolgsgeschichte seiner drei Kinderdetektive.

    Einer Erfolgsgeschichte, die 1999 ihren Anfang nahm. Damals bekamen die längst zu jungen Erwachsenen gereiften klassischen „Drei Fragezeichen“ in einer parallel erscheinenden Serie ihr 10-jähriges Alter Ego verpasst: die „Kids“. Seither können Jugendliche und Kinder wählen zwischen echten Krimis und den etwas harmloseren, weitgehend gewaltfreien Abenteuern. Und seither laufen die von Ulf Blanck (seit 2005 im Wechsel mit Boris Pfeiffer) verfassten „Kids“ den Größeren zunehmend den Rang ab.

    Der 100. Band von „Drei Fragezeichen Kids“ heißt „100 Stunden“

    Der 100. Band heißt passend „100 Stunden“. Er ist um 60 Seiten dicker und liest sich phasenweise wie ein Zeitraffer der 99 vorangegangenen Bände. Als habe man allen Fans einen nostalgischen Rückblick liefern wollen und zugleich allen Erstlesern eine besonders gründliche Einführung in die Welt von Rocky Beach. Der zwischen Los Angeles und Santa Monica angesiedelte Fantasieort ist die Heimat der „Drei Fragezeichen“ und Schauplatz beinahe aller spannenden, zuweilen gruseligen Fälle.

    So eben ist der 100. Band der populären Reihe "Die drei Fragezeichen Kids" erschienen.
    So eben ist der 100. Band der populären Reihe "Die drei Fragezeichen Kids" erschienen. Foto: Kosmos Verlag

    In Band 100 fehlt also nichts von dem, was über 25 Jahre hinweg Kinder und vorlesende Väter und Mütter fasziniert und überzeugt haben dürfte: Die Welt von Rocky Beach ist so solide konstruiert, dass die vier Mal jährlich erscheinenden Bände niemals Gefahr liefen, ihre Leserschaft zu langweilen. Da ist zum einen der Ort selbst, der vom Pazifikstrand über die kleinstädtische Infrastruktur bis hin zum naturbelassenen Hinterland alles bietet, was das Abenteurerherz begehrt. Und da ist zum anderen das geradezu stur auf 14 Hauptfiguren limitierte Personal.

    Rocky Beach ist eine Jungswelt

    In Rocky Beach leben neben den drei Jungs Justus, Peter und Bob Justus‘ Onkel Titus sowie Peters‘ und Bobs‘ Väter. Dazu kommen der Kommissar, ein autoritärer Kneipenbesitzer samt dessen fiesem Sohn, der Hafenmeister, der Supermarktbetreiber und Giovanni, der Inhaber der Eisdiele. Außerdem dürfen die örtliche Bibliothekarin sowie Justus‘ Tante Mathilda mitmachen. Ergibt acht Männer, vier Jungs – und zwei Frauen. (Hin und wieder taucht in einer Nebenrolle der Bürgermeister auf, natürlich auch ein Mann.)

    Es scheint in den vergangenen 25 Jahren niemanden gestört zu haben, dass die Gleichstellungsdebatte so komplett an der Jungswelt von Rocky Beach vorbeigezogen ist. Der Verlag hat das Thema vor 15 Jahren mit der Einführung der Mädchenreihe „Drei Ausrufezeichen“ elegant umschifft; die Autoren Blanck und Pfeiffer argumentieren kaum weniger elegant mit der dramaturgischen Last, die jede weitere Figur bedeuten würde. Nicht einmal zu einer Schule mit Lehrern und Mitschülern habe es deshalb gereicht – in Rocky Beach sind immer Ferien.

    Auch der 100. Band macht da keine Ausnahme. Ulf Blanck, der ihn verfasst hat, gehört wohl zu den wenigen Kinderbuchautoren, die heute noch Sätze schreiben dürfen wie: „Tante Mathilda goss ihrem Mann eine Tasse Kaffee ein“ – ohne kurz darauf politisch korrekt an den Pranger gestellt zu werden. Eher scheint es, als habe die Leserschaft die heile, 1999 am Ende eines Jahrzehnts politischer Illusionen entstandene Welt von Rocky Beach so sehr schätzen gelernt, dass sie sehr gerne ein Auge zudrückt, wenn es um den Zeitgeist geht.

    Rocky Beach ist Projektionsfläche für eine heilere Welt

    1999, das war die Welt vor dem Anschlag auf die Twin Towers, vor dem Irakkrieg, vor der ins öffentliche Bewusstsein gelangten Klimakrise, vor Syrien, der Ukraine, vor dem Anschlag der Hamas und den fürchterlichen Folgen. Rocky Beach ist eine Art Brücke, über die vorlesende Väter und Mütter mit ihren Kindern allzu gerne in die vermeintlich heilere Welt von einst zurückkehren. Rocky Beach ist Projektionsfläche. Rocky Beach ist Fluchtpunkt. Als habe jemand der Weltgeschichte zugerufen: „Freeze!“ Einfrieren!

    Dazu passt die ewige Kindheit, welche die Reihe implizit verheißt. Mögen die fasziniert lauschenden Kinder und ihre vorlesenden Eltern älter werden – Justus, Peter und Bob sind und bleiben zehn. Und alle Personen um sie herum wirken, als habe eine Art Dornröschenwelt sie für immer von der Geißel des Alterns erlöst. Niemand stirbt in Rocky Beach, ein Krankenhaus fehlt in der ansonsten mit bester Infrastruktur ausgestatteten Kleinstadt. Seit gut 20 Jahren spricht der gutmütige, ein wenig naive Kommissar Reynolds davon, alsbald in Rente zu gehen. Und ermittelt doch weiter – mit tatkräftiger Hilfe der drei Jungs, die er in einem frühen Band zu seiner „geheime Spezialeinheit“ ernannt hat.

    In Rocky Beach gibt es keine Spielekonsolen und Mobiltelefone

    Jungs, die aus einer Zeit stammen, in der Jungs noch das waren, was Nostalgiker „echte Jungs“ nennen. Keine Spielekonsolen, Mobiltelefone und Computer nur im Ausnahmefall. Stattdessen Abenteuer auf dem Schrottplatz von Justus Onkel und Tante, geheime Treffen in einem stillgelegten Wassertank an einer ehemaligen Bahnlinie, Surfbretter, Fahrräder, nächtliche Streifzüge durch Wälder und Freizeitparks. Der Verlag sagt hingegen, dass auch viele Mädchen erstaunlich viel mit dieser Welt anfangen können.

    Eine Welt, die in diesen Tagen ihren 25. Geburtstag feiert. Der Sonderband hat ein paar nette Features auf dem Cover und zelebriert am Rand der Seiten grafisch den Countdown von 100 Stunden, innerhalb derer die „Drei Fragezeichen Kids“ beinahe im Alleingang einen Erpresser besiegen müssen, der es doch tatsächlich auf ihren guten Ruf abgesehen hat. Aber natürlich wird alles gut, in Rocky Beach herrscht neben der Immer-Ferien-Garantie eine Happy-End-Garantie.

    Und die Garantie, dass es weiter geht, immer weiter. „Ein nächster Fall wartet bestimmt schon auf uns“ sagt Peter am Ende. Und Justus antwortet: „Wieso ein nächster Fall? Auf uns warten 100 Fälle.“

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