Nach dem Ende der Pandemie werden die Menschenmassen auf der Frankfurter Buchmesse zurückerwartet. Zwischen 18. bis 22. Oktober werde es "rappelvoll", sagt Buchmessen-Direktor Juergen Boos. Die Ticketverkäufe liegen schon zwei Wochen vor dem Start über denen von 2019. Damals waren mehr als 300.000 Besucher nach Frankfurt gekommen. Inhaltlich hat die Messe dicke Bretter zu bohren - etwa Künstliche Intelligenz und die damit verbundenen Urheberrechtsfragen oder eine lautstarke junge Generation und ihre Kritik an alten weißen Büchermenschen.
Außerdem feiert die Buchmesse in diesem Jahr einen runden Geburtstag: Seit 75 Jahren treffen sich im Herbst Autoren, Verleger und Leser in Frankfurt. Eigentlich ist das Event aber viel älter: Die Geschichte reicht zurück bis ins Mittelalter, das früheste Dokument stammt aus dem 15. Jahrhundert. Das Jubiläum bezieht sich daher nur auf die Nachkriegszeit, ist aber Grund genug zu feiern.
Der Veranstaltungskatalog ist so dick wie lange nicht. Die Zahl der Aussteller hat erneut um zehn Prozent zugelegt. Im vergangenen Jahr waren es rund 4000 aus knapp 100 Ländern gewesen. Besonders gewachsen ist das Agentenzentrum, wo die internationalen Rechte gehandelt werden. "Die internationalen Gäste sind zurück", sagt Boos. Indien und China seien so stark vertreten wie noch nie. Rechte Verlage - die in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand erbitterter Debatten waren - bleiben laut Messe weitgehend fern.
Friedenspreis für Salman Rushdie
Dafür kommt der Kämpfer für Meinungsfreiheit schlechthin: Salman Rushdie. Der indisch-britische Autor, der nach jahrelanger Verfolgung durch islamische Extremisten 2022 bei einem Attentat schwer verletzt wurde, erhält am 22. Oktober den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Zuvor will er an einer Literaturgala teilnehmen und mit Journalisten sprechen. Für den Eröffnungsfestakt am 17. Oktober hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt. Gastland ist das kleine, literarisch weitgehend unentdeckte Slowenien.
"Die Branche braucht die Buchmesse als Kraftquelle und Inspiration", sagte Boos bei der Vorschau-Pressekonferenz vor zwei Wochen. Sie braucht den Austausch aber auch, um Zukunftsfragen zu verhandeln. Bei den Themen, die die Branche in diesem Jahr besonders umtreibt, steht KI (Künstliche Intelligenz) ganz oben. Stereotype Liebesromane könne eine Maschine genauso gut schreiben wie ein Mensch, sagt Boos. Schon heute würden dafür Schreibprogramme eingesetzt. "Früher war das Science Fiction, jetzt ist es wirklich da", so Boss.
Problematischer findet Boos mögliche Folgen für Übersetzer. Bisher werde KI vor allem bei Sachtexten wie Gebrauchsanleitungen eingesetzt. Für Literaturübersetzungen glaubt Boos noch an die Überlegenheit des Menschen. "Die Maschine ist nicht originär. Sie guckt nach hinten, nimmt das, was da ist, stellt es vielleicht in einen neuen Zusammenhang, aber sie kann nichts Neues kreieren." Ungeklärt ist die "Grauzone" im Urheberrecht. Wem gehören die Rechte an einem maschinell entstandenen Text? Und wie steht es um die Rechte an den Texten, auf die die KI zurückgegriffen hat? "Da haben wie ein Riesenthema - und da geht es um richtig viel Geld", sagt Boos.
Boos: "Wir müssen voneinander lernen."
"Die alten weißen Männer und Frauen unserer Branche sind verunsichert", sagt Boos. Sie fühlten sich herausgefordert von einer jungen, lauten Generation, die einen anderen Blick auf gesellschaftliche Themen hätte. In den Fachforen könnte viel gestritten werden, zum Beispiel über die Frage, ob Verlage sogenannte Sensitivity Reader brauchen, um kritische Stellen in Texten zu entschärfen. Die Buchmesse sei der richtige Ort, um darüber zu verhandeln, sagt Boos. "Wir müssen voneinander lernen. Wir wollen miteinander ins Geschäft kommen."
Daher bekommt ein Aussteller, der im vergangenen Jahr zum ersten Mal nach Frankfurt gekommen war, 2023 eine noch größere Bühne: das Videoportal Tiktok und seine "Booktok"-Community. "Tiktok ist ein wichtiges Absatzinstrument für die gesamte Buchbranche geworden", sagt Boos. Der Kanal ziele nicht nur auf die Leser, sondern biete sich der Buchbranche auch als Dienstleister an.
Um die erwarteten Massen zu lenken, hat die Buchmesse manches neu organisiert. Statt stundenlangem Anstehen an Ständen überall auf der Messe gibt es erstmals ein "Meet the Author"-Areal, in dem man vorab einen Termin buchen kann für Autogramme oder Selfies. Die Publikumsveranstaltungen in der Stadt ("Bookfest") finden erstmals ausschließlich in Buchhandlungen, Büchereien und Bibliotheken statt. Neu ist auch ein spezielles Angebot für Familien unter dem Namen "Frankfurt Kids Festival". Dafür müssen die Besucher auf eines der beliebtesten Formate verzichten: Das "Blaue Sofa" von Bertelsmann, ZDF Deutschlandfunk und 3sat ist in diesem Jahr nicht auf der Messe.
(Von Sandra Trauner, dpa)