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Johann Sebastian Bach und das Rätsel um seine Markus-Passion

Neuentdeckung

Alles zu Ehren von Johann Sebastian Bach

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    Das Bach-Denkmal steht vor der Thomaskirche in Leipzig. Bis heute rätselt man, ob Bach dort eine Markus-Passion aufgeführt hat und wie diese dann geklungen haben mag.
    Das Bach-Denkmal steht vor der Thomaskirche in Leipzig. Bis heute rätselt man, ob Bach dort eine Markus-Passion aufgeführt hat und wie diese dann geklungen haben mag. Foto: Jan Woitas, dpa

    Von Johann Sebastian Bach sind zwei oratorische Passionen überliefert, jene nach dem Evangelium von Johannes (1724) und die nach dem Evangelium von Matthäus (1727). Da denkt sich mancher Geistliche, mancher (Kirchen-)Musiker, mancher Gläubige: Wäre doch stark bereichernd, wenn es noch eine altmeisterliche Bach-Passion nach den Evangelisten Lukas und Markus gebe...

    Der Wunsch ist nicht einmal an den Haaren herbeigezogen. Wurde doch einerseits durchaus eine Lukas-Passion ins Bach'sche Werkverzeichnis aufgenommen – auch wenn diese in ihrer Hauptsache als nicht authentisch bezeichnet werden muss –, und existiert doch andererseits ein Libretto zu einer Markus-Passion des Dichters Picander – jenes Picander, den Bach in der Matthäus-Passion und in mehreren seiner Kantaten vertonte. Und genau diese Markus-Passion ist nachweislich am Karfreitag 1731 in Leipzig aufgeführt worden und dann noch einmal – leicht erweitert – im Jahr 1744. Dass Bach dabei nicht in irgendeiner Form involviert gewesen wäre, darf nahezu ausgeschlossen werden.

    Es gibt diverse Eigeninitiativen

    Der Haken dabei ist nur: Welche Noten von welchem Komponisten damals auf den Pulten der Musiker lagen, entzieht sich bis heute aller hochwissenschaftlichen Kenntnis. Sie sind verschollen. Vielleicht stammten sie von Bach, vielleicht nicht. Die Ungewissheit indes ließ so manchen Tonsetzer nicht ruhen, was zu diversen Eigeninitiativen in Form spekulativer Rekonstruktionen führte und wobei regelmäßig authentische Bach-Musik Aushilfe leistete, weil sich der Thomaskantor ja oft genug im Parodieverfahren bei sich selbst bediente. Auch der Dirigent Ton Koopman steuerte eine hypothetische Version bei.

    Jetzt aber liegt eine neue Markus-Passion im Gedenken Bachs auf dem Tisch, nahezu über zweidreiviertel Stunden klingend. Sie stammt von dem 1981 in Berlin geborenen Nikolaus Matthes, der sich jedoch nicht bekannter barocker Musik zur Unterlegung von Picanders Libretto bediente, sondern selbst im Stil, in der Manier von Bach komponierte – praktisch als Treuester aller Treuen. Die künstlerischen Voraussetzungen dafür erwarb er sich – nach einem Filmstudium in London – an der Basler Musik-Akademie.

    Die neue Markus-Passion von Nikolaus Matthes

    Zwei symmetrische Teile weist diese neue Markus-Passion bei reicher Orchesterbesetzung im altmeisterlichen Stil auf: "Vor der Predigt" und "Nach der Predigt" mit jeweils vier Arien – davon eine mit Soloinstrument – sowie jeweils acht Chorälen. Durchaus eine erkleckliche Choralanzahl, bei denen Nikolaus Matthes – so wie Bach auch – auf bekannte Melodien zurückgriff, im vorliegenden Fall auf Choräle unter anderem von Martin Luther, Heinrich Isaac, Johann Hermann Schein, Hans Leo Haßler. 50 Nummern versammelt die neu-alte Markus-Passion mit ihren Schwerpunkten auf die Worte Jesu (erster Teil) und die Kommentierung der Ereignisse durch das Volk (zweiter Teil). 

    Und nun will natürlich die Bach-Gemeinde wissen, ob ein Erwerb der Einspielung auf drei CDs als Folge von Konzerten in der Schweiz sich lohne. Das freilich ist schwer zu entscheiden. Der eine wird das Projekt als Anmaßung empfinden, die andere als glücksspendende Bereicherung. Was aber ohne Zweifel gilt: Hier wird mit Ernsthaftigkeit von ausgesuchten Musikern hoher Reputation musiziert: von Spezialisten alter (sowie neuer) Musik, von besten Oratorien-Sängern, darunter die Tenöre Daniel Johannsen und Georg Poplutz als (doppelt besetzte) Evangelisten, darunter Daniel Perez, Maya Boog, Annekathrin Laabs, Matthias Helm. Die Ausführung ist bestechend und so gilt, dass die Auseinandersetzung mit dieser reflektierten Stilkopie eine Zeitnutzung, nicht Zeitverschwendung ist (Resonando).

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