James Loeb - ein Name, dessen Träger nur wenigen bekannt ist und der doch bis heute in Kunst und Wissenschaft wirkt. Das Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte veranstaltet nach ihm benannte Vorlesungen und vergibt in seinem Namen Stipendien für junge Wissenschaftler, die die Tradition der klassischen Antike in Kunst und Architektur erforschen. Ein honoriger Kulturverein, die James Loeb-Gesellschaft, pflegt seine Bibliothek griechischer und lateinischer Autoren, lädt zu Akademien und Kulturveranstaltungen. Universität und Pinakotheken in München haben ihm für Schenkungen und Unterstützung zu danken. Doch wer war dieser Mann?
Die Historikerin Edith Raim (Landsberg/Augsburg) hat das Leben und Werk von James Loeb (1867 - 1933) in einer profunden Biografie dargestellt, die auch seine sozial-kulturelle Umgebung und den zeitgeschichtlichen Rahmen hell ausleuchtet. Loeb war ein amerikanischer Bankier, Sohn von Solomon Loeb, der aus einer jüdischen Krämer-Familie in Worms stammte und Mitte des 19. Jahrhunderts in die USA auswanderte. Dieser Solomon hatte wie viele Juden seiner Zeit auf bürgerliche Gleichstellung nach dem Emanzipationsedikt von 1812 gehofft, war von der gescheiterten 1848er-Revolution enttäuscht und suchte dann ein besseres Fortkommen auf der anderen Seite des Atlantiks. Im Mittleren Westen der USA betrieb er zunächst einen Textilhandel, gründete später in New York eine Bank und führte sie so erfolgreich, dass die Familie bald zur Elite der Metropole gehörte.
Loeb pflegte auch Kontakte zu Komponisten wie Reger und Strauss
Sein Sohn James konnte in Harvard studieren, und zwar neben Nationalökonomie vor allem Kunstgeschichte. Nach einer kurzen, weil ungeliebten Berufstätigkeit in der Bank verkaufte er seine Geschäftsanteile, lebte von seinem beträchtlichen Vermögen und widmete sich ganz seinen Interessen, Geschichte, Kunst, Musik, Wissenschaft. Da war er seinem Schwager, dem berühmten Kunsthistoriker Aby Warburg, sehr ähnlich. Während Warburg sich als Theoretiker einen Namen machte, wirkte Loeb als Förderer, Sammler und Herausgeber. Daneben war er ein begabter Musiker, spielte Cello und Klavier, begründete das Vorläuferinstitut der Juillard School of Music, pflegte Kontakte zu Komponisten wie Max Reger oder Richard Strauss.
1905, mit 38 Jahren, kehrte der Auswanderersohn nach Europa zurück, für ihn der Sehnsuchts-Kontinent der kulturellen Vielfalt. James Loeb zog von New York nach München - die Kunststadt am Fuße der Alpen zog ihn magisch an, und vom Münchner Psychiater Emil Kraepelin ließ er sich wegen psychischer Probleme behandeln. Der Architekt Carl Sattler baute ihm eine Villa nahe dem Englischen Garten und ein Landhaus in Murnau-Hochried, das ab den 1920er Jahren der Hauptwohnsitz von James und seiner Frau Antonie war.
Die Loeb Classical Library macht Texte der Antike zugänglich
Fast zwei Jahrzehnte setzte Loeb sein Vermögen großzügig zur Förderung der Wissenschaft und der Künste ein. In Harvard und Athen unterstützte er klassische Studien mit Millionen Dollar, er gründete die bis heute bestehende Loeb Classical Library, die griechische und lateinische Texte in Original und Übersetzung verfügbar macht (bis heute etwa 500 Bände), er trug eine beachtliche Antikensammlung und eine ebensolche Notensammlung zusammen (erstere schenkte er der Alten Pinakothek, von letzterer befinden sich Teile heute in der Augsburger Stadtbücherei), er finanzierte die Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie (heute Max-Planck-Institut für Psychiatrie) - insgesamt ein herausragendes mäzenatisches Engagement. Auch in Murnau wirkte Loeb als Wohltäter, stiftete das Kriegerdenkmal, richtete eine Wohltätigkeitsstiftung ein und ließ ein Krankenhaus bauen.
Zunächst bekam der Mäzen viel Lob und Anerkennung für seine Wohltaten, doch immer mehr mischten sich Antisemitismus und Feindseligkeit hinein. Edith Raim hat diesen Prozess des erstarkenden Nationalsozialismus vor allem in Murnau detailgenau nachgezeichnet. Wie München und Murnau, seine geliebten Orte, im braunen Wahn versanken, musste James Loeb nicht mehr miterleben, er starb am 27. Mai 1933. Ein ehrendes Andenken wurde ihm unter der nationalsozialistischen Herrschaft sowieso, aber auch nach 1945 lange verweigert. Erst seit den 1990er Jahren gibt es in München eine Gedenktafel, erst seit 2023 erinnert das Murnauer Schloßmuseum an den großen Mäzen.
Edith Raim: Der jüdische Mäzen und die Nazis. De Gruyter, 337 Seiten, 49,90 Euro.
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