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Interview: Starchoreograf Gauthier: "Tanz ist diese unglaubliche Sprache des Körpers"

Interview

Starchoreograf Gauthier: "Tanz ist diese unglaubliche Sprache des Körpers"

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    In der Tanzszene ist Eric Gauthier ein Superstar. Mit seinem Programm "Moves for Future" will er seine Begeisterung für Tanz teilen und Kinder in Bewegung bringen.
    In der Tanzszene ist Eric Gauthier ein Superstar. Mit seinem Programm "Moves for Future" will er seine Begeisterung für Tanz teilen und Kinder in Bewegung bringen. Foto: Jeanette Bak

    Herr Gauthier, Sie haben vor einigen Jahren gesagt, Sie wollen „the sunny side of modern dance“ zeigen. Dabei eignet sich die Kunstform Tanz doch hervorragend, um so viel mehr auszudrücken. Wie genau haben Sie das damals gemeint und sind Sie Ihrer Mission immer treu geblieben?
    ERIC GAUTHIER: Ganz am Anfang habe ich das absolut so gemeint. Am Anfang von Gauthier Dance bin ich viel gereist, habe mir in Deutschland viele Tanzgruppen angeschaut. Heute sieht die Welt anders aus, aber vor 16 Jahren war dieses deutsche Tanztheater sehr präsent: dunkel, schmerzhaft, man versteht gar nicht, was los ist. Ich wollte das Gegenteil machen. Das habe ich „the sunny side of modern dance“ genannt. Dem bin ich schon treu geblieben, aber mit 16 Jahren Wachstum, von Publikum und Compagnie, war es auch meine Aufgabe, eine andere Welt des Tanzes zu erkunden.

    Eric Gauthier stammt aus Kanada. Seit 2007 lebt und arbeitet der Tänzer und Choreograf in Stuttgart, wo er inzwischen zwei Compagnien leitet.
    Eric Gauthier stammt aus Kanada. Seit 2007 lebt und arbeitet der Tänzer und Choreograf in Stuttgart, wo er inzwischen zwei Compagnien leitet. Foto: Maks Richter

    Sie empfanden die Tanzwelt in Deutschland als besonders dunkel. War beziehungsweise ist diese denn so anders als in Ihrem Heimatland Kanada?
    GAUTHIER: Ja, das ist zu 100 Prozent klar. In Amerika wird die Kunst nicht von Land, Stadt und Bund gefördert. Da muss jeder Dollar an der Kasse verdient werden, oder von Sponsoren kommen. Hier hingegen gibt es ein unglaubliches System, in dem Steuergelder auch dafür benutzt werden, dass Kunst existiert.

    Wie immer geht es also auch um Geld, Tanz ist auch ein Geschäft. Aber was bedeutet er Ihnen ganz persönlich?
    GAUTHIER: Für mich ist Tanz „the most special“ Kunstform. Oper nutzt die Stimme, um Emotionen zu transportieren, Schauspiel nutzt die Worte. Das kennt man. Singen lernt man als Kind, man redet jeden Tag. Aber Tanz ist diese unglaubliche Sprache des Körpers.

    Ist Tanz dann nicht so intuitiv wie Singen oder Sprechen? Ist es nicht auch etwas, das von alleine zu den Menschen kommt?
    GAUTHIER: Man kann sich schon einfach zu Musik bewegen und spürt dadurch Emotionen. Das ist schon „magic“ – wie Magie. Man kann lachen, weinen. Es gibt so eine große Welt von Emotionen, die du durch die Verbindung deines Körpers mit Musik transportieren kannst. Ich mag auch Oper und Schauspiel, aber für mich ist Tanz einfach eine großartige Kunstform.

    Wie hat Sie die Leidenschaft für Tanz gepackt?
    GAUTHIER: Wie alle Jungs aus Kanada wollte ich erstmal Eishockeyspieler werden. Mit neun habe ich das Musical „Cats“ gesehen. Da war ich so baff, ich wollte genau das auch machen. Und meine Mutter erklärte mir, dass da neben Singen auch Tanzen dazugehört und eine Woche später hatte ich meine erste Ballettstunde. Seitdem bin ich dem Tanz treu geblieben, das war meine Berufung.

    Diese Begeisterung wollen Sie auch weitergeben.
    GAUTHIER: Zur Hälfte schlägt mein Herz auch für soziale Zwecke. In den ersten zwölf Jahren von Gauthier Dance waren wir mit der Hauptmannschaft und dem Projekt Gauthier Dance mobil unterwegs. Wir sind zu den Menschen gegangen, die keine Möglichkeit hatten, ins Theater zu kommen. Wir waren in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Jetzt ist die Compagnie zu beschäftigt dafür, aber als Vater habe ich während der Pandemie gemerkt, dass die Kinder nicht mehr so fit sind. Ich wollte sie in Bewegung bringen. Zu Hause haben wir immer wieder getanzt. Und weil es meinen Kindern so gutgetan hat, wollte ich es auch mit anderen Kindern teilen.

    Haben Sie es denn bei Ihren eigenen Kindern geschafft, die Leidenschaft fürs Tanzen zu wecken?
    GAUTHIER: Nein, gar nicht (lacht). Von den Dreien will keiner Tänzer werden.

    Jetzt probieren Sie es aber trotzdem bei anderen Kindern und gehen dafür auch an Schulen, diese Woche zum Beispiel auch in Ulm.
    GAUTHIER: Das machen wir seit eineinhalb Jahren. Das Projekt heißt „Moves for Future“, wir wollen also die richtigen Bewegungen für die Zukunft zeigen. Wir bringen Tanz zu einer jungen Generation, zu Grundschülern. Es gibt viele Kinder, die haben kein einfaches Familienleben, die gehen nie ins Theater, um dort Tanz zu sehen. Und gleichzeitig geht es darum, dass die Kinder sich bewegen und mit uns tanzen.

    Wie läuft das in der Regel ab?
    GAUTHIER: Meine Juniors tanzen in Kostümen vor. Erst den sterbenden Schwan, klassisches Ballett mit Spitzenschuhen, dann einen ganz modernen Pas de deux, barfuß und sehr dramatisch. Ich selbst übernehme immer die Moderation und zeige zum Beispiel, wie ein Choreograf arbeitet. Ich entwickle auch eine neue kleine Choreografie, die die Kinder direkt mitlernen. Und zum Abschluss tanzen wir gemeinsam. Besonders gut kommen unsere Tiertänze an, wie der Eisbärtanz, Schmetterlingstanz oder Löwentanz, bei dem sie ihre Lehrer fressen dürfen.

    Wie viele Kinder haben Sie denn schon dazu gebracht, sich für Ballett- oder Tanzstunden anzumelden?
    GAUTHIER: Das weiß ich leider nicht. Aber ich bekomme immer wieder E-Mails von Eltern, deren Kinder zu Hause ganz begeistert nur noch vom Kaninchentanz erzählen.

    In der Tanzszene sind Sie ein Promi. Die inzwischen abgedankte niederländische Königin Beatrix zählt zu Ihren Fans. Wie reagieren denn die Kinder in den Schulen, die sie mit „Moves for Future“ besuchen, auf Sie?
    GAUTHIER: Nein, die kennen mich nicht (lacht). Und das ist auch okay so. Aber ein Drittel der Sporthallen, wenn wir in Stuttgart unterwegs sind, sind immer voll mit Mamas und Lehrerinnen. Viele von denen kommen schon, weil ich da bin.

    Die Gauthier Dance Juniors kommen in Ulm aber nicht nur zu Schulen, sie treten mit dem Programm „Renaissance“ auch im Roxy auf. Was darf das Publikum da erwarten?
    GAUTHIER: Im Roxy wird es schon etwas anders als sonst. Es ist ja eine Veranstaltungshalle für Musik, da haben wir nicht unsere normale Bühne wie in Stuttgart. Wir wollen dort auch das Programm „Moves for Future“ vorstellen. Dazu haben wir es natürlich für ein älteres Publikum angepasst. Und vielleicht schaffen wir es ja sogar, dass auch die Erwachsenen mittanzen. Nach der Pause kommen wir dann zu drei der sechs Meisterstücke aus dem Renaissance-Programm aus Stuttgart. Es gibt einen sehr spannenden Bolero von Andonis Foniadakis. Dann haben wir ein Stück von Sharon Eyal, die ist gerade das It-Girl der modernen Tanzwelt, und im Mittelteil haben wir ein ganz cooles Duett für zwei Männer von Marco Goecke. Es wird ein großer Abend, das kann man schon so sagen.

    Andonis Foniadakis gehört zu Eric Gauthiers Dance Juniors.
    Andonis Foniadakis gehört zu Eric Gauthiers Dance Juniors. Foto: Jeanette Bak

    Es gibt da diese Geschichte, dass Tanzikone Konstanze Vernon Ihnen folgenden Satz zugeflüstert haben soll: „You will save dance“. Jetzt mal ganz unbescheiden: Ist Ihnen das gelungen?
    GAUTHIER: (lacht) Ich glaube, die Mission läuft täglich weiter. Es ist schon klar, dass ich die Sachen anders mache als andere. Viele Ballettdirektoren kümmern sich nur darum, dass es gut läuft, dass die Karten verkauft werden. Das machen wir auch, aber wir kümmern uns eben auch um die Zukunft des Tanzes. Direkt in die Schulen geht kaum jemand. Und mir ist wichtig, persönlich dabei zu sein, obwohl viele das erst gar nicht glauben. Aber ich muss das machen. Das ist meine Mission. Ich bin nur für eine begrenzte Zeit auf der Welt und in diesen Jahren will ich so viel zurückgeben, wie ich kann.

    Zur Person

    Eric Gauthier stammt aus Kanada. Seit 2007 lebt und arbeitet der Tänzer und Choreograf in Stuttgart, wo er inzwischen zwei Compagnien leitet. Für sein soziales Engagement wurde er mit dem Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. 

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