Frau Auer, viele Kinder lieben Ihre Buch-Reihe „Schule der magischen Tiere“ . Jetzt ist sie auch verfilmt worden. Erfüllt der Film denn ihre Erwartungen?
Margit Auer: Ja, er begeistert mich komplett. Als Schriftstellerin freut man sich natürlich einerseits, andererseits bangt man, ob es die Filmleute schaffen, meine Ideen, meine Figuren, meinen Kosmos auf die Leinwand zu übertragen. Das ist in diesem Fall aber wirklich geglückt.
Können Sie sich eigentlich erklären, warum die Kinder „Die Schule der magischen Tiere“ so lieben?
Auer: Den Erfolg kann man nicht erklären, aber ich habe es geschafft, dass sich meine Leserinnen und Leser komplett mit dieser Schulklasse identifizieren. Vielleicht liegt es daran, dass ich meine Figuren sehr ernst nehme, dass es nicht nur um Tempo und Spannung geht, sondern ich meine Leserinnen und Leser daran teilhaben lasse, was die Figuren bewegt. Die sind nie eindimensional, auch nicht Helene, vordergründig die Angeberin, die aber eben auch ein schweres Päckchen mit sich trägt und ihre Rolle finden muss. Die Leserinnen und Leser können mit den Figuren mitfühlen und jeder findet jemanden, der ihm nahe steht.
Wie kam es denn überhaupt zu der Idee mit der Grundschulklasse, in der jedem Kind ein magisches Tier zur Seite gestellt wird, das ihm in Notlagen hilft?
Auer: Der erste Band erschien 2013, aber die Idee hatte ich vorher schon Jahre lang mit mir herumgetragen. Meine eigenen Kinder waren begeisterte Leser, aber es gab wenig Bücher, die den ganz normalen Kinderalltag widerspiegeln. Es waren immer die ganz großen Abenteuer oder die ganz großen Probleme, aber das was vor der eigenen Haustür passiert, war mir im Kinderbuch zu wenig vertreten. Und ich dachte mir: Genau darüber sollte man eigentlich schreiben.
Aber will man darüber wirklich etwas lesen?
Auer: In den Absagen für die Manuskripte, die ich an Verlage geschrieben hatte, hieß es dann auch immer: schöne Geschichten, netter Stil, gute Figuren, aber es fehlt das Besondere. Und so kamen die magischen Tiere dazu. Hintergrund war natürlich, dass sich die meisten Kinder ein Haustier wünschen und wenn man Kinder beobachtet im Umgang mit einem Tier, dann ist das sehr innig. Da ist der Weg gar nicht mehr so weit, dass man sich denkt: Das wäre doch cool, wenn sich die beiden unterhalten könnten. Als Schriftstellerin braucht man ein Thema, das einem selbst Spaß macht, sonst müsste man sich jeden Tag an seinen Laptop zwingen. Für mich ist die Welt der magischen Tiere immer wieder eine große Freude.
Das Besondere an Ihren Büchern ist auch, dass die magischen Tiere nicht nur Hund, Katze oder Meerschweinchen sind, sondern Pinguin, Leopard und Känguru. Nun gehen Sie ja zum Schreiben am liebsten in die Universitätsbibliothek. Nutzen Sie da auch die biologischen Fachbücher?
Auer: Mein Mann hat mir mal zu Weihnachten ein ziemlich dickes Lexikon geschenkt, an die 1000 Seiten. Das ist sehr hilfreich, da kann ich zur Inspiration immer wieder blättern. Aber die Grundidee ist ja eine andere: Ich suche ein Tier, das zum Charakter eines Kindes passt. Die magischen Tiere haben viel Verständnis für die Sorgen ihrer Kinder und können sich gut in sie hineinversetzen. Da bekommt die rothaarige neunmalkluge Ida den Fuchs, der trödelige Benni die Schildkröte, obwohl er eigentlich liebe rein Raubtier hätte. Jeder ist richtig so wie er ist, das will ich meinen Leserinnen und Lesern sagen.
Mit Fuchs und Schildkröte haben Sie im ersten Band angefangen, am 21. Oktober kommt der 12. Band heraus. Welche Tiere werden denn da eingeführt?
Auer: Netter Versuch, aber das kann ich unmöglich verraten. Nur so viel: Ein Mädchen bekommt ein magisches Tier.
Früher gab es „Hanni und Nanni“ und „Fünf Freunde“, heute „Die Schule der magischen Tiere“ „Lotta Leben“, „Ella“ und vieles mehr. Warum finden Kinder Buch-Serien eigentlich so gut?
Auer: Sie wissen, in dieser Welt kenne ich mich aus, darauf kann ich mich verlassen. Die Figuren werden zu Freunden. Mein Vertrag mit meinen Leserinnen und Lesern ist, dass die Geschichten immer gut ausgehen. Ein Kinderbuch muss auch Heimat bieten und ich hasse es wenn Kinderbücher offen enden oder ein großer Retter von außen kommt, der alles auflöst. Bei mir sind immer die Kinder die handelnden Personen, die die Geschichte zu einem guten Ende bringen. Das tröstet in schwierigen Situationen.
Welche Herausforderungen stellt das Serienschreiben an eine Autorin?
Auer: Ich muss immer wieder einen Anreiz suchen, damit es spannend bleibt. Das ist die große Kunst, die Grundsituation immer wieder zu variieren. Wir erinnern uns: Silas bekommt sein magisches Tier nur auf Probe und hat Angst, dass er es zurückgeben muss. Im letzten Band ist es nicht Mister Morrison, der das Tier aussucht, sondern das Tier ist selbst zu Elisa gekommen. Diesen Kniff immer wieder zu finden, ist die Herausforderung. In Band 12 werde ich die magische Tür noch einmal um ein großes Stück öffnen.
Sie erwähnten vorhin schon, dass Sie den Alltag der Kinder in ihre Bücher bringen wollen. Nun ist es ja immer wieder ein Thema, welche Welt sich in Kinderbüchern spiegelt. Achten Sie eigentlich auf Diversität in der „Schule der magischen Tiere“?
Auer: Ich spüre den gesellschaftlichen Druck und auch die Notwendigkeit, Randgruppen in meine Bücher zu bringen. Aber es muss meine Geschichte sein und ich muss das glaubwürdig vermitteln können. Ich kann also nicht über ein Flüchtlingskind schreiben, wenn ich gar nicht weiß, wie es sich fühlt. Da müsste mir schon ein Flüchtlingskind sein Herz öffnen, damit ich dessen Weltsicht und Alltag wiedergeben kann. Ansonsten habe ich Angst, dass es zu klischeehaft und gezwungen wirkt. Ich habe in der Klasse zwei türkische Mädchen aber ich löse das so, dass ich aus der Sicht der anderen Kinder schreibe, wie sie die beiden wahrnehmen.
Sie pflegen einen engen Kontakt mit Ihren Lesern durch Lesungen? Wie war das jetzt im Lockdown möglich?
Auer: Das ist leider ein wenig abgebrochen. Ich habe Lesungen Online gemacht, aber das ist nicht dasselbe. Ich mache Lesungen auch, weil ich etwas zurückbekommen möchte. Ich will die Kinder spüren, will ihre Augen leuchten sehen, will ihre Fragen hören, will sie zappelnd vor mir stehen sehen. Das ist für mich ja auch der Reiz des Schreibens für diese Altersgruppe. Was ich aber ganz schön fand, waren die Online-Lesungen für die ausländischen Verlage. Dabei habe ich gespürt, dass diese Kinder in anderen Ländern meine Geschichten genauso wahrnehmen wie hier, dass auch sie das Gefühl haben, das ist ganz nah an meinem Kinderleben dran. Als ob die Wintersteinschule bei ihnen um die Ecke steht. Da war ich verblüfft und erfreut.
Haben Sie bei Online-Lesungen und auch in Zuschriften der Kinder festgestellt, dass Ihre Bücher ihnen durch die Zeit des Lockdowns geholfen haben?
Auer: Das war so. Auch aus dem Bekanntenkreis weiß ich, wie sehr die Kinder die Schule vermisst haben, und das ist ja das, was ich in meinen Büchern vermitteln möchte: dass Schule Spaß macht und etwas Schönes ist.
Es geht in Ihren Büchern aber immer auch um Gemeinschaft und darum, wie wir mit den anderen umgehen..
Auer: Genau, es kommt mir darauf an, die Kinder anzustoßen, hinter die Fassade zu blicken, wenn man einen neuen Menschen trifft. Dass man sich überlegt, warum sich jemand so und so verhält. Ich will Empathie wecken und dazu ermuntern, jemanden näher kennenzulernen, bevor man sich ein Urteil über ihn bildet. Und was mir wahnsinnig wichtig ist: den Kindern mitzugeben, dass sie sich einen Verbündeten suchen, wenn sie Kummer haben. Es gibt leider keine magischen Tiere, aber es gibt eine ganze Menge Helfer. Man muss natürlich bereit sein, über seine Sorgen zu reden. Das ist meine ganz, ganz große Botschaft: Erzählt es jemandem, der Klassenlehrerin, der Freundin, der Mama, dem großen Bruder und fresst euren Kummer nicht in euch hinein. Kinder sind unheimlich stark, wenn man ihnen hilft. Wenn sie es für sich alleine ausmachen müssen, dann haben sie ein großes Problem. Da müssen wir als Gesellschaft unterstützen und helfen.
Jetzt haben Sie das Wort Botschaft verwendet. Viele warnen vor dem pädagogischen Zeigefinger, der in Büchern dann erhoben wird.
Auer: Natürlich brauchen wir eine Botschaft, denn wenn die in einem Buch fehlt, hat es keine zweite Ebene und ist reine Unterhaltung. Man muss schon auch mal den Zeigefinger erheben und sagen: Sei doch nicht so gemein zu den anderen. Ich mache das mit Hilfe der magischen Tiere, das ist viel lustiger, als wenn es der Papa oder Sportlehrer sagt. Wenn der Tipp von einem Pinguin kommt, ist er für die Kinder viel leichter anzunehmen.
Margit Auer, 54, ist eine international erfolgreiche Schriftstellerin, deren Kinderromane ein Millionenpublikum erreichen. Zuletzt erschienen zwei neue Bände aus ihrem Zyklus „Die Schule der magischen Tiere“. Am Donnerstag läuft die Verfilmung von „Die Schule der magischen Tiere“ in den Kinos an.