Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Interview: Schauspielerin Thea Ehre: "Ich habe immer ein Mitspracherecht gehabt"

Interview

Schauspielerin Thea Ehre: "Ich habe immer ein Mitspracherecht gehabt"

    • |
    • |
    Thea Ehre sagt, ihr erstes Kleid habe sie von der Oma im Kindergarten bekommen.
    Thea Ehre sagt, ihr erstes Kleid habe sie von der Oma im Kindergarten bekommen. Foto: Fabian Sommer, dpa

    Welche Gedanken haben Sie beim Lesen des Drehbuchs bewegt?
    THEA EHRE: Ich habe das Drehbuch vor dem Live-Casting bekommen. Es war das erste Mal, dass ich so ein Drehbuch bekommen habe, in dem die Figur, die ich hoffentlich spielen würde, so groß erzählt wird. Ich war natürlich mega aufgeregt. Gleichzeitig war da auch eine extreme Vorfreude. Ich musste das spielen! Leni, die Figur, die ich spiele, hat ein ähnliches Leben wie ich, und es gibt so viele interessante Überschneidungspunkte mit meiner Lebenserfahrung. Dadurch konnte ich mit einer ganz offenen Haltung ins Casting gehen. Ich habe ein total tolles Gespräch geführt, zuerst mit Regisseur Christoph Hochhäusler und der Casterin Ulrike Müller. Wir haben eine halbe Stunde lang gequatscht: Was halte ich davon? Was kann ich mir vorstellen zu machen? Gibt es Änderungen, die ich mir vorstellen könnte? Beim Casting selbst war die ganze Aufregung irgendwie weg. Es war sehr viel Vorfreude mit dabei, auf jeden Fall.

    Der Autor des Drehbuchs Florian Plumeyer hatte eine eigene Trans-Beraterin. Hatten Sie auch einen Einfluss, wenn sie der Meinung waren, dass eine Szene nicht authentisch ist?
    EHRE: Ja. Mit Julia Monro, die den Film beraten hat, hatte ich persönlich während der Dreharbeiten wenig Kontakt, weil sie eher im Writers Room saß und dort über das Drehbuch geschaut hat. Drei Monate vor Drehbeginn habe ich angefangen, jeden Tag mit dem Skript zu arbeiten. Zu der Zeit habe ich noch gekellnert und musste das auf immer weniger Stunden reduzieren. Ich habe teilweise zwölf Stunden davorgesessen, das Buch durchgebüffelt und mir Sachen vorgestellt. Wenn sich irgendetwas nicht richtig angefühlt hat, habe ich immer Christoph schreiben können. Er hat mich angerufen und wir haben über diese Dinge gesprochen. Klar gibt es einen vorgegebenen Strang, der erzählt werden soll, aber ich habe immer Mitspracherecht gehabt. Mir wurde immer zugehört, und das ist bei so einem Projekt wirklich wichtig.

    Im Film sehen wir Leni auch in einer Boutique. Erinnern Sie sich, wie Sie das erste weibliche Outfit gekauft haben, mit dem Sie an die Öffentlichkeit gegangen sind?
    EHRE: Boah, das war ganz sicher schon im Kindergarten. Dann gab es eine Zeit, wo ich mich das nicht getraut habe, weil man dann auf dem Gymnasium und bei allem Möglichen oft bei anderen Menschen anstößt. Man möchte aber einfach dazugehören. Bei mir war es ein Kleid zur Kindergartenzeit, was ich von meiner Oma bekommen habe. Dann habe ich etwas von meiner Mama bekommen, einen Rock. Seitdem schenkt sie mir immer wieder Sachen, die sie nicht mehr will. 

    Teilen Sie die Ansicht, dass Trans-Menschen nur von Trans-Menschen, ethnische Gruppen nur von deren Vertretern und Behinderte nur von Behinderten gespielt werden sollten?
    EHRE: Ich kann nur über meine Gruppe sprechen, dazu bin ich berechtigt. Aus meiner Sicht kann ich sagen, dass jeder alles spielen kann. Natürlich möchte ich selbst ja auch andere Rollen spielen. Es ist interessant, dass es vonseiten der konservativeren Leute immer so eine Gegenbewegung gibt, nach dem Motto: „Ja, nee, es werden so viele LGBTQIA+ Filme erzählt und wir können nix mehr spielen, bla, bla, bla.“ Der Prozentsatz von Filmen, die rauskommen und das Thema kurz mal anschneiden, liegt bei einem Prozent oder so. Es werden tagtäglich Filme produziert, in denen jeder Schauspieler oder jede Schauspielerin besetzt werden kann. Darum finde ich, dass man ein bisschen lockerer damit umgehen sollte.

    Bekommen Sie nach Ihrem Berlinale-Erfolg zahlreiche Angebote?
    EHRE: Es gibt jetzt ein paar Sachen, die ganz toll sind und die ich machen durfte und darf. Natürlich habe ich das Gefühl, dass das eine Tür war, die sich geöffnet hat. Es ist ganz schön, dass ich sagen kann: Ich bin jetzt erst mal da. Nun muss ich natürlich auch abliefern. Die Leute wollen sehen, ob der Preis denn verdient war oder nicht. Darum heißt es für mich jetzt noch mehr zu arbeiten als zuvor. Aber man hat immer Angst davor, ein One-Hit-Wonder zu sein.

    Zur Person

    Der von Regisseur Christoph Hochhäusler gedrehte Thriller „Bis ans Ende der Nacht“ (Kinostart am 22. Juni) erzählt die Geschichte eines verdeckten Ermittlers, der in seinem aktuellen Fall mit der Trans-Frau Leni zusammenarbeitet. Die Rolle der Leni übernahm die österreichische Schauspielerin Thea Ehre, die für ihre Darstellung mit dem Silbernen Bären als „Beste Nebendarstellerin“ bei der diesjährigen Berlinale ausgezeichnet wurde. Die 23-Jährige gehört selbst der Trans-Community an.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden