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Foto: Oliver Weiken, dpa
Foto: Oliver Weiken, dpa

Mit seinem Film "Im Westen nichts Neues" sorgt Regisseur Edward Berger international für Furore.

Interview
08.03.2023

Regisseur Edward Berger: "Unsere Oscar-Nominierungen kann uns niemand mehr nehmen"

Von Patrick Heidmann

Mit "Im Westen nichts Neues" ist Regisseur Edward Berger gelungen, was bisher noch keinem deutschen Film widerfuhr: neun Oscar-Nominierungen.

Herr Berger, herzlichen Glückwunsch zu den neun Oscar-Nominierungen für Ihren Film "Im Westen nichts Neues". Die zurückliegenden Monate, in denen Sie und Ihr Team bei zahllosen Festivals und Events die Award-Kampagne des Films unterstützt haben, waren sicherlich anstrengend, oder?

Edward Berger: Nun ja, wir haben viel gearbeitet, aber das macht natürlich auch großen Spaß. In die unterschiedlichsten Länder zu reisen und vielen Menschen den Film näherzubringen, mit ihnen darüber zu sprechen, ist eine wunderbare Sache. Wobei ich dieses Mal gar nicht so viele Termine wahrnehmen konnte, denn ich drehe im Moment meinen neuen Film. Meine Zeit war einigermaßen eingeschränkt.

Mit welchen Erwartungen oder Hoffnungen gehen Sie denn nun in den Oscar-Abend am 12. März?

Berger: Das Schönste ist, dass wir mit so vielen Kolleg:innen, die am Film mitgewirkt haben, für einen Preis nominiert wurden. Diese Anerkennung werden wir alle gemeinsam genießen. Dennoch muss man realistisch bleiben, denn es haben viele Nominierte extrem gute Arbeit geleistet. Es kann also absolut sein, dass man ganz ohne Preis nach Hause geht. Unsere Nominierungen kann uns jetzt aber niemand mehr nehmen. So viele Nominierungen für einen deutschen Film gab es noch nie, und das wird so schnell in meinem Leben wohl auch nicht wieder passieren. Darüber bin ich einfach glücklich.

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Foto: Netflix / Reiner Bajo / Reiner Bajo
Foto: Netflix / Reiner Bajo / Reiner Bajo

Szenenbild aus dem Film "Im Westen nichts Neues", der für neun Oscars nominiert ist.

Schon als der Film im vergangenen Herbst in Toronto Premiere feierte und dann später bei Netflix zu sehen war, hatte man den Eindruck, dass die Reaktionen gerade im englischsprachigen Ausland noch eine ganze Ecke begeisterter waren als in Deutschland. Haben Sie das auch so empfunden?

Berger: Das kann ich Ihnen gar nicht sagen, weil ich das nicht verfolge. Ich lese absichtlich keine Kritiken, denn wenn man die positiven ernst nimmt, muss man auch die negativen beachten. Die einen machen höchstens eitel, während die anderen verletzen, was beides nicht förderlich für den nächsten Film ist. Deswegen habe ich vor etlichen Jahren beschlossen, diesen Dingen keine Beachtung mehr zu schenken. Aber ich weiß, dass der Film generell sehr gut angekommen ist, sowohl im In- als auch im Ausland. Und gerade Letzteres war mir besonders wichtig, ich wollte unser Gefühl und den Film mit anderen Ländern teilen.

Warum war es Ihnen besonders wichtig, dass dem Film im Ausland Aufmerksamkeit entgegengebracht wird?

Berger: In Deutschland haben wir natürlich ein ganz besonderes Verhältnis zum Thema Krieg und wissen um unsere Schuld. Ich zumindest schleppe sie täglich mit mir herum und werde sie auch nie überwinden, denn sie ist nun einmal Teil unserer Geschichte. Mich hat es interessiert, dieses Gefühl auch mit dem Publikum im Ausland zu teilen. Wenn ich englische und amerikanische Kriegsfilme schaue, fällt mir immer wieder auf, dass es dort Helden gibt. Sie besiegen den Feind, haben eine Mission zu erfüllen, müssen Hindernisse überwinden oder jemanden retten, und am Ende kann man sie für ihre heldenhaften Taten feiern. Diese Geschichte können wir in Deutschland nicht erzählen, und mir war es wichtig, mit "Im Westen nichts Neues" auch den Menschen in anderen Ländern zu vermitteln, warum das so ist. Gerade bei Vorführungen in England und den USA waren die schönsten Momente für mich, wenn danach Zuschauer:innen zu mir kamen und sagten, dass sie darüber noch nie nachgedacht hätten. Sie haben durch den Film ihre Position überprüft und kamen hin und wieder auch zu der Einsicht, dass es im Krieg womöglich keine Helden gibt, sondern nur Verlierer.

Das Stichwort Ambition fiel eben auch schon. Reizte es Sie an diesem Projekt auch, dass es Ihr bislang aufwendigster und größter Film war?

Berger: In jedem Fall mag ich die Herausforderung. Ich möchte Filme machen, die ich vorher noch nie gemacht habe. Filme, vor denen ich Angst und Respekt habe, weil ich mit ihnen auch scheitern kann. Natürlich traf das insbesondere auf dieses Projekt zu. Mir war schon bewusst, dass das auch enorm schiefgehen kann. Aber ich suche mir eben gerne Hürden, die ich überspringen muss, selbst wenn ich sie womöglich reißen könnte. Ich gehe morgens gern mit Angst zum Set. Dann muss man sich besonders anstrengen.

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Zum Abschluss noch mal zurück zu den Oscars, denn wie Sie schon sagten, hat es so viele Nominierungen noch nie für einen deutschen Film gegeben. Profitiert davon nun die ganze hiesige Branche?

Berger: Das klingt nach einer großen Verantwortung, ich weiß nicht, ob ich die schultern kann. Es gibt allerdings keinen Grund, warum ein Film wie "Lost in Translation" von Sofia Coppola nicht auch eine deutsche Regisseurin hätte machen können. Es braucht einfach nur den Willen, eine gute Idee und ein gutes Drehbuch und ein klares, starkes Stilempfinden. Wir müssen uns nur trauen und es wollen. Wenn "Im Westen nichts Neues" ein ganz kleines bisschen zu dem Gefühl beitragen kann, dass wir alles, was wir uns vornehmen, auch schaffen können, dann wäre das eine wahnsinnige Ehre.

Zur Person: Edward Berger, geboren 1970 in Wolfsburg, hat in New York Regie studiert. 2012 bekam er für seinen Film "Ein guter Sommer" den Grimme-Preis. 2014 präsentierte er seinen Kinofilm "Jack" im Wettbewerb der Berlinale. 

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