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Interview
27.02.2022

Claus Peymann: „Peymann zu engagieren, ist eine Mutfrage“

Claus Peymann bei einer Probe zu Ionescos „Die Nashörner“ im Stadttheater Ingolstadt.
Foto: Johannes Hauser Fotografie

Früher Berlin, heute Ingolstadt: Claus Peymann inszeniert Ionescos „Die Nashörner“. Er schimpft über die Geschäftemacher in der Politik und will ein bisschen Theater gegen Audi machen.

Claus Peymann: Warten Sie. Ich habe so ein schlechtes Licht hier. Wo steht es? (blättert in einem Konvolut aus Kopien). Hier. Thomas Bernhard in der FAZ. (räuspert sich) „Von Lissabon aus empfinde ich Augsburg als elementarer scheußlich als bei meinem neuen Theaterstück. Mein Mitgefühl mit den Augsburgern und allen in Europa, die sich als Augsburger verstehen, ist ungeheuer grenzenlos und absolut“. Das hat Thomas Bernhard damals gesagt.

Was für eine Begrüßung, Herr Peymann, vielen Dank. Thomas Bernhard aus Ihrem Mund. Waren Sie damals, als Thomas Bernhard über Augsburg geschrieben hat, involviert?

Peymann: Er hat mir viel davon erzählt. Da ich Augsburg nicht kenne, ist Augsburg für mich die Stadt mit den beiden Dichtern mit „B“: Brecht und Bernhard.

Mit beiden hatten Sie viel zu tun.

Peymann: Das kann man wohl sagen. Ich war ja ein Nachfolger von Brecht als Theaterdirektor im Berliner Ensemble. Für mich ist Augsburg verbunden mit Bernhards Stück „Macht der Gewohnheit“ und dem Satz „Morgen in Augsburg“. Es ist ein herrliches Theaterstück. Eigentlich müsste Augsburg stolz sein, dass es auf diese Art unsterblich geworden ist.

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Man braucht Zeit, bis man sich arrangiert. Das war mit Brecht und Augsburg auch so. Aber Herr Peymann, Sie waren doch selbst schon in Augsburg mit dem Berliner Ensemble.

Peymann: Wir haben mit der „Mutter Courage“ gastiert beim Brechtfestival. Das Festival ist prima. Ich hätte das gerne übernommen, weil ich Brecht anders sehe als diese etwas offiziellen und offiziösen Programme. Aber dafür ist es nun zu spät. Insofern bewerbe ich mich auch nicht. Schön, dass die Stadt es macht. Es war schön in Augsburg, man hat uns gefeiert. Aber ich muss auch sagen, dass die Stadt ein bisschen sehr fuggerisch ist.

Bedeutet fuggerisch so etwas wie anti-peymannisch?

Peymann: Wenn Sie so wollen, ja. Alles ist ein bisschen repräsentativ, auch das Theater. Aber immerhin haben sie in Augsburg die Synagoge nicht verbrannt, die einzige Synagoge in Bayern, wenn ich es richtig sehe, die nicht zerstört worden ist.

Vor kurzem lief bei uns die Nachricht, dass der Bund die Sanierung der Synagoge finanziell unterstützt.

Peymann: Habe ich gehört.

Sie sind auf dem Laufenden.

Peymann: Ach, ich habe geschlafen heute Nachmittag, weil ich jetzt gleich wieder eine Probe habe. Ich bin gerade dabei, Ionescos „Die Nashörner“ zu inszenieren. Wir sind weit. Aber es gab so viele Unterbrechungen durch Corona, dass ich manche Sachen praktisch jetzt erst probiere.

Wie blicken Sie auf die Pandemie?

Peymann: Also ich sehe die Corona-Pandemie doppelt. Natürlich habe ich Angst und leide. Obwohl es mich selbst vor kurzem erwischt hat und ich damit glücklicherweise mit links fertig geworden bin. Es ist ja im Grunde heute nur noch eine leichte Grippe.

Wenn man geimpft ist.

Peymann: Wenn man geimpft ist und noch einmal geimpft und noch einmal. Natürlich! Aber, dass diese Krankheit in die Hände der Geschäftemacher gekommen ist, und zwar der Geschäftemacher, die unmittelbar damit Geld verdienen, und der Geschäftemacher aus der Politik, die sich bestechen lassen und mit dem Schmerz und der Verzweiflung der Menschen ihr schmutziges Geschäft betreiben, zeigt, in welchem verwahrlosten Zustand sich unsere Demokratien befinden. Heute sage ich zugespitzt: Wir haben Corona verdient.

Wie bitte?

Peymann: Weil wir alles zerstört haben. Wir haben die Natur zerstört. Wir haben das Wasser vergiftet. Wir haben die Luft verpestet. Wir haben die Wälder vernichtet. Wie soll sich die Natur anders wehren? Wenn sie ein Tier quälen, beißt der Hund oder die Schlange.

Das klingt vollkommen düster.

Peymann: Es ist düster. Die Natur gehorcht nicht akuten Windstößen, sondern großen Bewegungen. Wir verdienen diese fürchterliche Krankheit, die so viele Opfer gefordert hat. Aber es ist schrecklich, dass selbst mit dieser Erkrankung in erster Linie Geschäfte gemacht werden. Wir haben einen Gesundheitsminister, der nicht überleben würde, würde er nicht immer wieder erneut diese Krankheit ins Spiel bringen. Mal ist sie eine Todeskrankheit, mal gibt er Entwarnung. Die völlige Ahnungslosigkeit und Hilflosigkeit der Politik, das ist die eigentliche Krankheit. Wir sehen, die jungen Menschen, aber auch wir älteren, wir sehen, auf welchem dünnen Boden diese Demokratie steht.

Haben Sie das Gefühl, dass er durchbrechen könnte?

Peymann: In der Tat. Wir haben jahrelang hören müssen, ich als früherer Linker, dass die Gefahr von links kommt. Im Schatten dieser Psychose, dass alles, was die Linken sagen, das Verbrechen ist, hat sich der Faschismus wieder etabliert. Jetzt ist das Realität geworden, vor dem wir immer gewarnt haben. Die Nazis kommen wieder aus ihren Löchern gekrochen und greifen unsere Demokratie an. Die Politik ist wehrlos. Die Politik hat sich in die Hände der Geschäftemacher begeben. Dass Bundestagsabgeordnete der CSU das große Maskengeschäft machen, ist eine solche Unvorstellbarkeit und eine solche Unglaublichkeit, dass man nur aufschreien kann – oder Ionesco spielen.

Ziehen Sie sich bei dieser düsteren Gegenwartsbeschreibung mit Ihrer Ingolstädter Ionesco-Inszenierung zurück auf die Bühne?

Peymann: Ich war immer jemand, der aus dem Theater heraus schimpft oder schreit. Die Leute halten mich für einen Krawallmacher, aber letztlich ist das die reine Verzweiflung. Da wir keine Rezepte mehr haben – die Kirche ist seit langem tot, der Sozialismus hat sich selbst zerstört – was bleibt uns übrig als das zynische Gelächter von Heiner Müller oder jemand wie Ionesco, der die gesellschaftlichen Prozesse als Clown erlebt. Die ganze Gesellschaft ist eine einzige Zirkuskomödie. Diese Freude am Absurden, das ist Ionesco.

Was hat Sie nach Ingolstadt gebracht?

Peymann: Wissen Sie, Peymann zu engagieren, das ist eine Mutfrage. Ruhig bin ich nicht, nett bin ich auch nicht und gehorsam erst recht nicht. Insofern ist das ein Pokerspiel, das man als Intendant mit mir eingeht. Aber ich kann und liebe meinen Beruf. Deshalb bin ich Knut Weber hier in Ingolstadt dankbar, dass er mir als erster nach meinem Abschied als Intendant vom Berliner Ensemble geschrieben hat: Kommen Sie doch nach Ingolstadt.

Es war die erste Anfrage?

Peymann: Es war die erste von den nicht sehr häufigen Anfragen.

Warum ist Peymann nicht mehr so gefragt?

Peymann: Vielleicht war ich fünf Jahre zu lange Intendant in Berlin. Hinterher ist man immer schlauer. Ich habe nicht so viele Angebote, wie ich gedacht habe. Sehr viele meiner früheren Assistenten stehen inzwischen selbst an der Spitze von Theatern. Andreas Beck, der ein paar Jahre bei uns Assistent war, hat gesagt: Ich bin gerade rechtzeitig aus Peymanns Klauen entkommen und nach Basel gegangen.

Das klingt nicht sehr nett.

Peymann: Es ist die Realität. Ich weiß ja selber nicht, ob ich als Intendant in Wien, Bochum, Stuttgart und im Berliner Ensemble einen 84- jährigen Schreihals engagiert hätte. Vielleicht hätte auch ich die Finger davon gelassen. Aber zu meiner Ehrenrettung: Der Tabori hat bei uns noch mit über 90 Jahren regelmäßig inszeniert. Er gehörte zu unserer Theaterfamilie. Jetzt bin ich Rentner. Ich bin Angestellter und nicht mehr König. Jetzt bin ich darauf angewiesen, dass Leute keine Angst vor mir haben.

Wie kommen Sie mit der Situation zurecht, nicht mehr König zu sein, sondern angestellt?

Peymann: Ich habe mich darauf gefreut. Ich habe mir gedacht, da muss ich nicht mehr so viel arbeiten. Ich war ein Intendant, der nie gastiert hat. Ich bin nie weggegangen aus Bochum, Stuttgart, Wien und Berlin. Ich bin jeden Abend 40 Jahre lang in meinem Theater gewesen.

Und jetzt sind Sie in Ingolstadt.

Peymann: Mein Herz schlägt immer für die Leute am Ort. Jetzt mache ich für Ingolstadt Theater. Hier sollen die Menschen kommen. Ich hoffe sehr, dass sie kommen werden. Ich hoffe sehr, dass uns das Theaterglück hold ist. Das weiß man natürlich nie. Heute Abend habe ich eine Angstprobe. Den ersten Akt habe ich zuletzt vor vier Wochen gesehen. Dann kam immer Corona dazwischen.

Was bedeutet das für Sie, wenn Sie nicht mehr in der Hauptstadt Berlin inszenieren, sondern in Ingolstadt?

Peymann: Ich gehe dahin, wo man mich will. Mit 84 Jahren weiß man nie, ob das die letzte, vorletzte oder drittletzte Inszenierung ist. Die Perspektive ist nicht mehr groß. Der Ehrgeiz auch nicht. Ich habe alles hinter mir. Berühmter kann ich nicht mehr werden. Die Leute in Wien gehen auf die Knie, wenn sie mich sehen. Daran erkennt man: Wenn man sich auf die Menschen einlässt, lieben sie einen. Ich hoffe, dass die Ingolstädter sich einlassen. Sie leben in einer nicht sehr leichten Stadt.

Das müssen Sie erklären.

Peymann: Sie haben sich für diese schreckliche Autofirma entschieden, die die Stadt im Griff hat. Sie kommen von der Innenstadt kaum an die Donau, weil überall für die Autos Rennstrecken gebaut worden sind – wie in Stuttgart übrigens. Das ist eine Hypothek.

Woher nehmen Sie die Energie, in Ihrem Alter noch einmal mit einem neuen Ensemble zu inszenieren?

Peymann: Die Schauspieler hier sind alle sehr neugierig, die Jungen und auch diejenigen, die lange hier sind. Sie wollen, sie möchten. Das ist teilweise anders als in Wien, da hat man es als Regisseur schon schwerer …

Wie fühlt sich das an, mit Ihnen zusammenarbeiten?

Peymann: Ich bin ein angstfreier Mensch, ich bekenne mich zu meiner künstlerischen Rücksichtslosigkeit. Ich bin nicht bequem, bin laut. Es wird auf Proben auch geweint. Ich weiß das. Vor allem weine ich auch, weil die Anstrengung so groß ist und die Suche nach Vollendung so viele Hürden aufweist. Gelacht wird aber mindestens genauso viel! Ich bin jetzt 84, aber mutlos bin ich nicht. Viele suchen nach Kompromissen – auch mit der Politik. Ich denke nicht daran. Die Politik ist verpflichtet, uns die Millionen auf den Tisch zu legen. Wir sind das Licht. Wir sind diejenigen, die in diese Betonfabrik Bundesrepublik, in diese Profitfabrik Bundesrepublik den Gedanken an Lebendigkeit und kulturelles Leben bringen. Wir haben einen Auftrag. Was wäre Deutschland ohne die Theater, ohne die Literatur, ohne die Orchester?

Kein bisschen Rechtfertigung bei Ihnen für die vielen Subventionen?

Peymann: Überhaupt nicht. Im Gegenteil, das ist eine Verpflichtung. Und das, obwohl wir nicht systemrelevant sind. Nein, wir sind gegen das System. Kunst ist nie für, sondern immer dagegen. Grundsätzlich. Das Theater war immer gegen die Mächtigen. Und die Mächtigen müssen die Großzügigkeit besitzen, sie zu subventionieren. Gleichzeitig müssen sie erkennen, dass eine Gesellschaft ohne uns Zauberer und Verzauberer nichts wäre, nur Autobahn. Insofern ist es schön, dass ich ein bisschen Theater gegen Audi mache. Haben Sie genug? Das reicht doch.

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