Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Interview: Filmstar Diane Kruger: „Ich habe mit so vielen Idioten gearbeitet“

Interview

Filmstar Diane Kruger: „Ich habe mit so vielen Idioten gearbeitet“

    • |
    Diane Kruger sagt: "Ich mag es unheimlich, Mutter zu sein. Mehr, als ich das erwartet hätte."
    Diane Kruger sagt: "Ich mag es unheimlich, Mutter zu sein. Mehr, als ich das erwartet hätte." Foto: Jens Kalaene, dpa

    Frau Kruger, „The 355“ ist ein Actionthriller, in dem die Hauptrollen fast ausnahmslos Frauen spielen – der endgültig ein Beweis, dass sich die Zeiten in der Filmbranche geändert haben?

    Diane Kruger: Die Dinge bewegen sich auf jeden Fall in die richtige Richtung, auch wenn wir da noch einen langen Weg vor uns haben. Was sich auf jeden Fall geändert hat, ist, dass Frauen jetzt die Möglichkeit haben, ihre Meinung offen zu sagen. Als ich noch jünger war, musste ich so viel Süßholz raspeln, um etwas durchzusetzen, das für mich wichtig war. Jetzt kann ich viel direkter sein.

    Woran liegt das?

    Kruger: Das mag damit zu tun haben, dass ich älter geworden bin. Und nachdem ich in der Branche einigermaßen etabliert bin, bekomme ich auch mehr Respekt. Aber gleichzeitig sehe ich eben, wie sich die Gesellschaft insgesamt verändert. Das merke ich schon an den Stoffen, die meine Tochter in der Vorschule durchnimmt. Ich hoffe, dass die nächste Generation über solche Fragen nicht mehr diskutieren muss, sondern dass das alles selbstverständlich ist. Ich werde jedenfalls meinen Beitrag leisten, damit das noch zu meinen Lebzeiten passiert.

    Diane Kruger ist jetzt vor allem Mutter, aber bleibt Schauspielerin

    Regie führt bei „The 355“ ein Mann. Der hat also auf Ihre Meinung gehört?

    Kruger: Absolut, Simon Kinberg war total offen für die Ideen aller Beteiligter, ob Frau oder Mann. Er hat meine Perspektive geschätzt, und zwar richtig geschätzt. Er hat nicht einfach nur zugehört, sondern Vorschläge auch wirklich umgesetzt. Wobei ich meine Kollegin Jessica Chastain hervorheben muss, die als Produzentin fungierte. Normalerweise drehe ich in erster Linie mit Männern. Es war ein echter Augenöffner mit einer Frau zusammenzuarbeiten, die so kooperativ ist.

    Sind Frauen also generell die besseren Mitstreiter?

    Kruger: Nicht generell. Ich habe mit so vielen Idioten gearbeitet, Männer wie Frauen gleichermaßen. Denn manche Frauen glauben, sie müssen sich gegenüber anderen Frauen ekelhaft verhalten, um sich dadurch mächtiger und erfolgreicher zu fühlen. Bei Jessica dagegen hast du dich immer willkommen gefühlt. Du wurdest gleichberechtigt behandelt. Wie erwähnt, man sollte so etwas gar nicht mehr hervorheben müssen. Das sollte Normalität sein, nicht nur in unserer Branche, sondern überall.

    Sie sprachen vorhin Ihr Alter an. Bewerten Sie jetzt mit 45 den Sinn Ihres Leben anders?

    Kruger: Das ist eine Riesenfrage, die sich nicht auf die Schnelle beantworten lässt. Das Leben ändert sich ständig. Ich bin heute an einem Punkt, den ich mir vor fünf Jahren nicht hätte vorstellen können. Das Schlimmste ist, dass man eine Vorstellung hat, wie sein Leben sein sollte. Denn wenn es anders kommt, ist man nur enttäuscht. Ich weiß nur, dass mir meine Familie wichtiger ist als alles andere und dass ich alles dafür tun werde, dass meine Tochter gut aufwächst und die Chance hat, ein schönes und erfolgreiches Leben zu führen. Alles andere ergibt sich daraus von selbst.

    Kruger sagt: "Ich mag es unheimlich, Mutter zu sein. Mehr als ich erwartet hätte."

    Doch Ihre Karriere wollen Sie hoffentlich nicht an den Nagel hängen?

    Kruger: Nein, ich liebe meinen Beruf. Ich hoffe, dass mit fortschreitendem Alter weiterhin schöne Rollen auf mich zukommen. Aber ich werde mich eben auch sehr stark in die Erziehung meiner Tochter einbringen. Ich werde sicherlich nicht die Mutter sein, die die meiste Zeit nur am Drehen ist und zum Schlafengehen Küsschen gibt. Ich mag es unheimlich, Mutter zu sein. Mehr als ich das erwartet hätte.

    Was hatten Sie denn vom Familienleben erwartet?

    Kruger: Ursprünglich war geplant, dass ich zwei Monate nach der Geburt wieder drehe. Das erschien mir selbstverständlich. Ich kenne Kolleginnen, die gleich danach mit dem Arbeiten angefangen haben und damit keinerlei Probleme hatten. Aber sobald meine Tochter auf der Welt war, konnte ich mir das überhaupt nicht mehr vorstellen. Gottseidank wurde der Film verschoben, und ich habe acht Monate nur Baby und Familie gemacht. Und als ich nach diesen Monaten wieder anfing zu drehen, war selbst das unheimlich schwierig. Ich bin neidisch, wenn ich einen Nachmittag nicht da bin und sie mit unserer Kinderfrau unterwegs ist. Denn ich habe das Gefühl, meine Tochter hat eine Erinnerung, von der ich nicht Teil bin.

    Sie gingen in Verteidigungshaltung und forderten nach der Geburt die Paparazzi in einem offenen Brief auf, Sie und Ihre Tochter in Ruhe zu lassen.

    Kruger: Ich wusste nicht, dass ich so extrem reagieren würde, als wir unsere Tochter bekommen haben. Dieser Beschützerinstinkt hat total reingekickt. Ich möchte ihr einfach die Möglichkeit geben, ihre Welt selbst kennenzulernen und durch ihre Augen zu sehen. Ich weiß nicht, ob sie es toll finden würde, wenn es 1000 Kinderfotos von ihr im Internet gibt. Vielleicht ist ihr das ab einem bestimmten Alter egal, und sie wird tun, was sie für richtig hält. Aber was meine Rolle angeht, so möchte ich ihr das nicht wegnehmen.

    Mit ihrer Tochter spricht Diane Kruger nur Deutsch

    Jetzt versuchen Sie eine Gratwanderung, denn inzwischen zeigen Sie Fotos von Ihrer Tochter auf Instagram, bei denen ihr Gesicht nicht zu erkennen ist.

    Kruger: Ich liebe nun mal meine Tochter, und manchmal ist sie einfach zu süß. Das sind Momente, die ich mit meinen Fans teilen möchte. Und ein Foto von hinten zum Beispiel ist da eine Lösung.

    Sie leben nach vielen Jahren in Paris mit Ihrer Familie in Atlanta, weil Ihr Lebensgefährte Norman Reedus dort seine Serie „The Walking Dead“ gedreht hat. Nachdem die jetzt zu Ende ist, wollen Sie nicht nach Europa zurück?

    Kruger: Ich habe mich in Atlanta voll eingelebt. Mein Lebensgefährte hat dort ein Haus, und wir überlegen, ob wir das behalten. Wir sind da auf dem Land. Es ist für ein Kind schon etwas anderes, wenn es im Grünen aufwächst. So gesehen kann es sein, dass wir künftig die Hälfte des Jahres dort verbringen.

    Doch Ihre Tochter wird nicht zum amerikanischen „Country Girl“?

    Kruger: Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viel es bringt, zu reisen und in anderen Ländern zu wohnen. Je offener man gegenüber anderen Kulturen ist, desto mehr schätzt man vielleicht seine eigene Kultur. Ich versuche meine Tochter so aufzuziehen, dass ihr das Reisen gefällt und dass sie mit allen Kulturen okay ist. Ich habe unheimlich gerne in Paris gelebt. Ich hoffe, dass wir da noch mal leben werden. Ich möchte meiner Tochter auch die Möglichkeit eröffnen, in Deutschland zu sein. Ich spreche mit ihr auch nur Deutsch. Und so gesehen hoffe ich, dass wir alle weiterhin Vagabunden sein können.

    Zur Person: Diane Kruger (ursprünglich Heidkrüger) stammt aus Niedersachsen. Nach ihrer Modelkarriere kam sie 2002 zum Kino. Die Helena in „Troja“ war ihr internationaler Durchbruch, dem viele Hollywood-Rollen folgten – aber auch die Hauptrolle in Fatih Alkins „Aus dem Nichts“. Sie lebt mit Familie (Kollege Norman Reedus und die dreijährigen Tochter) in Atlanta.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden