Hola, Señor Sintrenza, por qué de repente canta en español y no en hessiano?
Gerd Knebel: Sie arbeiten schon für eine deutsche Zeitung, oder? (lacht) Sie wollten wissen, warum ich plötzlich auf Spanisch singe und nicht mehr auf Hessisch.
Richtig!
Knebel: Ist eigentlich ganz einfach zu erklären. Ich hab’ früher schon ziemlich viel deutsches Zeug gemacht, sei es Metal, Alternative oder Rap. Aber im Laufe der vergangenen Jahre ist die spanische Sprache immer wichtiger für mich geworden. Als ich dann versucht habe, einzelne Wörter und Ausdrücke zu lernen, fand ich es faszinierend, was diese Sprache für einen Rhythmus hat, für eine tolle Melodie. Also begann ich, mithilfe einer befreundeten Kolumbianerin einige meiner alten Texte zu übersetzen. Das hat super funktioniert, und fiel mir erstaunlicherweise gar nicht schwer, weil ich schon immer gerne mit Sprachen herumexperimentiert habe. Manches entwickelte sich ungeahnt in emotionalere Richtungen, wurde wehmütiger oder temperamentvoller. Irgendwann kam ich nicht umhin, daraus ein Lied zu basteln, dann noch eins und noch eins, bis ich das dann auch noch singen wollte. Und schließlich wurde ein ganzes Album daraus, das Niklas Kleber aus Wiesbaden produziert hat.
Sie stellen auf "Babuchas De Seda Granate" ,was so viel bedeutet wie "kastanienbraune Seidenpantoffeln", zwölf Kurzgeschichten vor. Kann man darüber lachen, weil man das ja auch von Ihnen irgendwie erwartet?
Knebel: Man möchte es kaum glauben: In Spanien ist der Humor echt krass. Vor allem in punkto Vulgarität passieren da Dinge, die es bei uns wahrscheinlich so nicht gäbe. Aber nicht alles auf dem Album ist spaßig gemeint. In "La Vecina" geht es um eine ältere Frau, die ich bei meinen Spaziergängen in Spanien durch das Fenster ihres Hauses beobachten konnte, wie sie schon am Nachmittag vor dem Fernseher hing und abends nach mehreren Stunden immer noch dasaß. Die war ganz allein. Warum klingelt da niemand und leistet ihr Gesellschaft? Später habe ich erfahren, dass sie irgendwann gestorben ist, einsam vor ihrem Fernseher. Echt wahr, ist wirklich passiert! Sie hat mich damals auch gesehen, und vielleicht treffen wir uns ja später mal im Jenseits und trinken einen Kaffee miteinander.
So nachdenklich kennen wir Gerd Knebel gar nicht. Deshalb steht vermutlich auch der Name Gerdo Sintrenza auf dem Cover. Was bedeutet der?
Knebel: Mein deutscher Name wäre für die Spanier eine Zungenkatastrophe geworden. Deshalb habe ich zunächst ein paar Fantasienamen ausgedacht, bis ich irgendwo mal auf „Sintrenza“, was übersetzt „ohne Zopf“ heißt, gestoßen bin. Das klingt doch gut, und für einen Glatzkopf wie mich passt das super!
Die meisten Menschen kennen Sie als Komiker, vor allem durch das Duo "Badesalz" mit Henni Nachtsheim oder durch Soloprogramme wie "Wörld Of Drecksäck" Sie sind aber auch Gründungsmitglied der hessischen Kultband "Flatsch!" sangen bei den "Groben Junggesellen" und überraschen nun eben auf Spanisch. Macht diese eigenwillige Mischung das Gesamtbild von Gerd Knebel aus?
Knebel: Ich glaube schon. Ich konnte mich schon als Jugendlicher für verschiedene Musikstile begeistern und hab' alles querbeet gehört, von Frank Zappa, Jimi Hendrix, Led Zeppelin, Beatles, Stones, John McLaughlin bis hin zu Al Di Meola. Ich wollte mich nie auf eine Sache festlegen lassen, auch weil man damit leichter die Angst vor Klischees verliert. Denn Leonard Cohen oder Cat Stevens sind eben nicht nur was für Mädchen, und Johnny Cash sollte man auf keinen Fall in die Country-Schublade stecken. Und wenn ich jetzt spanische Popmusik mache, dann entspricht das eben genau dieser Philosophie.
Man kennt Sie meist als leicht reizbaren Menschen, der anderen gerne übers Maul fährt. Ist das nur Ihr Alter Ego oder bekomme ich jetzt auch eine auf die Fresse?
Knebel: Nee, warum sollte ich? Sie reden ja keinen Stuss. Natürlich ist das eine Rolle, die sich vor allem im Zusammenspiel mit Henni bei "Badesalz" ergeben hat, wie bei Dick und Doof zum Beispiel. Es wäre doch langweilig, wenn wir beide brav und nett wären.
Ich frage jetzt nicht, ob Sie Dick oder ob Sie Doof sind.
Knebel: Wollen Sie jetzt vielleicht doch frech werden? (lacht) So etwas ergibt sich zwangsläufig, was natürlich auch an meiner Power liegt, die im Alter naturgemäß ein bisschen nachlässt. Vielleicht hatte ich früher mal ADHS, weil ich mich immer von Aktionismus und Energie durchflutet fühlte. Daraus entstanden dann eine Menge Sachen wie von selbst. Die Bühne war eine Art Ventil, ich konnte da richtig Dampf ablassen, egal, ob bei der Musik oder unseren Programmen.
Apropos Alter: Warum verraten Sie eigentlich niemandem, wann Sie geboren sind? Das verführt zum Spekulieren, vor allem, wenn man liest, dass Sie seit über 40 Jahren im Geschäft sind.
Knebel: Ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis: Ich bin 90 (lacht)! Nein, es gibt ein paar richtig gute Gründe, warum ich das mache, und die haben sich inzwischen hinlänglich bestätigt. Außerdem habe ich da noch eine Wette laufen. Wenn man in meinem Beruf ein bestimmtes Alter erreicht, dann bekommt man automatisch einen Stempel verpasst. Dann heißt es nur: Das kann der doch gar nicht, da ist der doch viel zu alt dafür! Aber hallo Leute: Ich bin fit! Gutes Beispiel: Mit Aren Emirze, meinem armenischen Freund, spielte ich mal in der Band "Angst vor Clowns". Aren machte einen Test, spielte die Platte in seinem Bekanntenkreis vor und fragte, für wie alt sie den Sänger halten würden. "So paar und Zwanzig", meinten die Leute. Und ein Makler fragte mich mal am Telefon, ob ich überhaupt Geld hätte, weil ich noch so jung klingen würde. Wer muss also wissen, wie alt ich wirklich bin? Echt niemand!
Wo liegt die Grenze zwischen Originalität und Dumpfbacken-Gaudi, zwischen einem wirklich guten Witz und Peinlichkeit? Gibt es für Sie Tabus?
Knebel: Das kann und will ich gar nicht beurteilen. Jeder Mensch bringt bei einem Auftritt seine eigene Humorgrenze mit, seine persönliche Empfindlichkeitsschwelle. Aber es gibt ständig welche, die sich nach unseren Auftritten hinstellen und pauschal behaupten: Das war jetzt überhaupt nicht witzig oder sogar richtig geschmacklos! Um wessen Geschmack geht es da überhaupt? Es ist leicht, über andere zu lachen. Aber wenn man dann selbst mal dran ist, oder die Gruppe, der man sich zugehörig fühlt, dann gefriert einem schnell das Lachen.
Zur Person
Gerd Knebel, Musiker, Comedian und Schauspieler aus Rodgau, hat mit Henni Nachtsheim zusammen das Duo „Badesalz“ gegründet und den Humor auf Hessisch deutschlandweit bekannt gemacht.