Frau Damrau, auf Ihrem neuen Album interpretieren Sie unter anderem ein Stück aus Oscar Straus‘ Operette „Eine Frau, die weiß, was sie will“. In besagtem Lied singt die Hauptfigur, eine berühmte Künstlerin, die Worte: „Mein Herr, Sie wollen ein Interview / also bitte notieren Sie, hören Sie zu…“
DIANA DAMRAU: „…ich zeig‘ Ihnen gerne meine Valeurs / und all meine seelischen Interieurs“.
Leisten Sie Folge, Frau Damrau, ich bitte darum!
DAMRAU: (lacht) Sie wissen aber auch, was sie sagt.
Nur was sie will …
DAMRAU: Genau!
Zweifellos beste Voraussetzungen! Fangen wir mit der Frage an, wie die Opernsängerin Diana Damrau eigentlich zur Operette gekommen ist.
DAMRAU: Früh schon, als Kind in meiner Familie. Damals gab es die Sendung „Sie wünschen, wir spielen“ im Radio, da ging es von volkstümlicher Musik bis hin zur Operette. Die war ja damals noch ein bisschen mehr in aller Munde, auch im Fernsehen, wo im „Blauen Bock“ oder im „Sonntagskonzert“ auch Opernsänger ihre Auftritte hatten mit Operettenmelodien. Dazu kommt, meine Mama heißt mit zweitem Vornamen Rosalinde, insofern war „Die Fledermaus“ die erste Operette, von der ich gehört habe.
Ihre Mutter erhielt den Namen wegen der Operette?
DAMRAU: Ja, meine Großeltern waren Fans der klassischen Musik, mein Opa hatte eine Druckerei, dort wurden die Karten für die Staatsoper in Stuttgart gedruckt. Und der Cousin meines Opas war Paul Kuen, der an der Bayerischen Staatsoper viel gesungen hat, aber auch den Mime in Bayreuth. Oper war in aller Munde, genauso wie die Operette, da gibt es einfach wunderschöne Melodien.
Die sich offensichtlich früh bei Ihnen festgesetzt haben.
DAMRAU: Mir ging es bei meinem Album mit Operettenmelodien nicht darum, dass jetzt noch die für Sänger obligatorischen Operetten-Platte her muss. Mein Wunsch seit der Covid-Zeit ist, dass ich Dinge mache, die mir und anderen Menschen Freude bringen. In dieser Covid-Zeit, und die ist ja nicht leichter geworden mit den aktuellen Kriegen und der ganzen Weltsituation heute, ist mir die Rolle der klassischen Musik und des Theaters noch mehr bewusst geworden: Dass man die Menschen berührt und auch einfach mal etwas Schönes dagegensetzt.
Manche sehen in der Operette nur Operettenseligkeit.
DAMRAU: Aber es gibt auch jede Menge Doppelbödigkeit. Die Operette war früher der Ort, an dem Kabarett stattfand. In der Operette singen die Schauspieler, tanzen die Sänger, jeder macht, was von ihm nicht erwartet wird in seinem normalen Arbeitsalltag. Es gibt aktuelle Bezüge, oft bissig serviert, und man lacht auch mal über sich selbst. Und, für mich ganz wunderbar: In der Operette gibt es ein anderes Bild von der Frau. Die müssen da nicht immer nur wie verrückt um etwas kämpfen …
… um am Ende auch noch zu sterben.
DAMRAU: Für mich ist die Operette das umfassendste Genre des Musiktheaters. Ein großer Akzent liegt hier auf dem Schauspiel. In Stücken wie der „Fledermaus“ etwa ist das Timing unglaublich wichtig. Man muss ein Gespür haben für komische Momente. Dass man seinen Dialog nicht einfach durchziehen, sondern mit Lachern aus dem Publikum umgehen kann und trotzdem nicht den Faden verliert. Es ist eine Kunst, Operette zu spielen und zu singen.
Für Ihr Album haben sie die ausgewählten Melodien unterteilt nach den Städten Wien – Berlin – Paris.
DAMRAU: Das Genre ist ausgesprochen facettenreich. In der Berliner Operette steckt viel mehr Sprechgesang und Chansoneskes drin als etwa in der Wiener Operette wie der „Fledermaus“. Die ist eigentlich eine komische Oper, anspruchsvoll fürs Orchester wie für die Sänger.
Und Paris?
DAMRAU: Die Operette kommt ursprünglich aus Frankreich, dort hat es angefangen mit Offenbach. Johann Strauß hat das Genre dann für sich entdeckt und in Wien seinen eigenen Operettenstil entwickelt. Berlin war das dritte Standbein der Operette. In jeder dieser drei Zentren gab es sowohl die klassisch gesungenen wie die schauspielhaft-chansonesken Stücke. Und natürlich muss es Duette geben, Operette ohne Liebesduette, das ist nicht vorstellbar. Wobei es da an Spitzzüngigkeit und Gewagtheit nicht fehlt, man denke nur an Nummern wie „Komm mit mir ins Chambre séparée“.
Die Konzeption des Albums haben Sie mit einer weiteren Sängerin vorgenommen, Elke Kottmair …
DAMRAU: … eine Augsburgerin. Wir haben zusammen studiert In Würzburg. Elke war dann lange an der Dresdner Staatsoperette, sie kennt das Genre in- und auswendig. Während der Covid-Zeit hat sich der Kontakt zwischen uns wieder intensiviert. Als die Idee mit dem Operetten-Album aufkam, habe ich gefragt: Elke, was hast Du alles im Repertoire? Aus diesem Austausch ist der Aufbau des Albums entstanden, und Elke singt ja auch mit in einem Stück. Wir haben, glaube ich, eine schöne Auswahl aus den genannten Zentren getroffen.
Trotz Ihrer Begegnung in Kindertagen mit der „Fledermaus“ geben Sie jetzt erst, nämlich hier in München an der Bayerischen Staatsoper, ihr Rollendebüt als Rosalinde.
DAMRAU: Na ja, ich habe ein Jahrzehnt lang die Adele in der „Fledermaus“ gesungen.
Was unterscheidet Rosalinde von Adele?
DAMRAU: Adele ist die Gewinnerin des Stücks. Die hat zwei Arien, ist sehr prägnant auf der Bühne. Man ist gefesselt von diesem Mädchen, das ohne Rücksicht auf Verluste etwas werden will, was auch gelingt - aus dem Stubenmadl wird eine Künstlerin. Bei Rosalinde schaut’s etwas anders aus. Vielleicht stand sie früher auch auf der Bühne, jetzt aber ist sie gesetzte Dame und verheiratet. Mit dem Herrn von Eisenstein hat sie sich einen nicht leicht zu handhabenden Gatten geangelt.
Die Münchner Neuinszenierung besorgt Barrie Kosky, ein Spezialist für das Genre, dem man nachsagt, die Operette aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt zu haben.
DAMRAU: Vor allem die deutsche Operette. Jetzt in München kommt aber stark das Wienerische durch, Koskys Inszenierung spielt ja auch dort. Die ganze Inszenierung ist wienerisch gedacht, aber mit einem heutigen Twist. Kosky legt großen Wert auf das Schauspielerische – ein bisschen ist es so, als würden wir zugleich ein Stück fürs Sprechtheater erarbeiten. Zuletzt fließt natürlich alles zusammen. Wunderbar, dass man als Sängerin mal so intensiv in „Die Fledermaus“ reingehen kann und nicht nur Kalauer runterhauen soll. Und die Aufführung am Ende trotzdem frech, modern und schwungvoll sein wird.