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Interview: Blechtrommel-Film wird 40: Der Hauptdarsteller erinnert sich

Interview

Blechtrommel-Film wird 40: Der Hauptdarsteller erinnert sich

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    Mit weit aufgerissenen Augen die Blechtrommel spielend, so ist David Bennent in der „Blechtrommel“-Verfilmung in Erinnerung geblieben.
    Mit weit aufgerissenen Augen die Blechtrommel spielend, so ist David Bennent in der „Blechtrommel“-Verfilmung in Erinnerung geblieben. Foto: Imago images

    Herr Bennent, wann haben Sie sich den Film „Die Blechtrommel“ zum letzten Mal angeschaut?

    David Bennent: Im letzten Jahr wurde Volker Schlöndorff in Nîmes in Südfrankreich geehrt. Dort hat man auch „Die Blechtrommel“ gezeigt. Die Franzosen laden gern alle Beteiligten ein. Die Vorführung fand in einem Freilichtkino mit einer riesengroßen Leinwand in einem wunderschönen Park statt. Es war Sommer und Vollmond und 3000 Zuschauer saßen auf Stühlen draußen. In dieser tollen Kulisse habe ich mir den Film noch mal angeschaut.

    Erinnern Sie sich an Diskussionen mit Ihren Eltern, ob Sie die Rolle annehmen sollen oder nicht?

    Bennent: Natürlich sind diese Erinnerungen vage, es ist über vierzig Jahre her, dass wir gedreht haben. Ich erinnere mich daran, dass wir die Geschichte besprochen haben. Es gab Gespräche mit meinem Vater über die Zeit, in der der Film spielt. Es hat eine Weile gebraucht, bis wir entschieden haben, dass ich das mache. Aber an konkrete Details erinnert man sich nach all der Zeit nicht.

    War es Ihnen wichtig, dass Ihr Vater als Darsteller des Greff am Film beteiligt war?

    Bennent: Als ich wusste, dass mein Vater auch da sein würde, gab mir das natürlich eine Sicherheit. Mit zwölf Jahren ist man ja noch ein Kind und auf Unterstützung und familiären Halt angewiesen.

    Wie hat man Ihnen die Geschichte nahe gebracht?

    Bennent: Meine Eltern haben sich diese Aufgabe aufgeteilt. Meine Mutter und mein Vater haben mir das Buch vorgelesen. Ich habe die Fragen gestellt, die mich bewegt haben, und sie wurden mir alle beantwortet. Als Kind versteht man so ein Buch natürlich auf eigene Art und Weise. Auf diese Art und Weise habe ich meine Rolle umgesetzt. Die großen Gedanken des Günter Grass sind damals natürlich an mir vorbei gegangen. Wichtig war es, dass ich die Grundzüge der Geschichte verstanden habe. Ein jugendlicher Mensch weigert sich, in die Erwachsenenwelt zu geraten. Deshalb bin ich den Jugendlichen von heute sehr dankbar dafür, dass sie wieder auf die Straße gehen und den Erwachsenen sagen, dass es so nicht weitergeht. Ich sehe eine große Parallele zwischen dem Film und unserer heutigen Zeit.

    Wurde in Ihrer Familie über die Zeit des Nationalsozialismus gesprochen?

    Bennent: Mein Vater wurde 1921 geboren. Das war der schlimmste Jahrgang. Von acht Schulkameraden war er der Einzige, der aus dem Krieg zurückgekehrt ist. Er hat das Glück gehabt, nie eine Waffe abgefeuert zu haben und nie an der Front gewesen zu sein. Er war an der Ostsee, beim Bodenpersonal der Luftwaffe. Das Grauen des Krieges hat er natürlich trotzdem mitbekommen. Und er hat sehr viel darüber gesprochen. Er hat seinen Kindern die Verantwortung übertragen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass so etwas nicht noch einmal geschieht.

    Wie werden Sie selbst aktiv?

    Erst spät hat David Bennent den „Blechtrommel“-Oscar selbst in der Hand gehalten.
    Erst spät hat David Bennent den „Blechtrommel“-Oscar selbst in der Hand gehalten. Foto: Sebastian Gabsch

    Bennent: Ich versuche, den Mist vor meiner eigenen Haustür zu klären. Ich spreche mit den Menschen. Die Welt ist derzeit zum Verzweifeln. Man könnte aus dem Fenster springen. Aber was nützt das schon? Vielleicht können wir Künstler mit Filmen und Theaterstücken dem Zuschauer wenigstens einen kleinen Weg zeigen. Ich glaube nicht, dass wir die Menschen retten können. Aber wir können ein Zeichen setzen. Deshalb ist der Film „Die Blechtrommel“, der einst den ersten deutschen Oscar bekommen hat, leider auf seine Weise noch modern.

    Waren Sie bei der Oscar-Verleihung zugegen?

    Bennent: Nein. Tatsächlich hatte ich den Oscar am Tag vor unserem Gespräch zum ersten Mal in der Hand. Der Sohn des Produzenten Franz Seitz hatte die glänzende Idee, die Statue mit nach Berlin zu nehmen. So ist es manchmal. Damals war ich zwölf. Für einen Jugendlichen ist dieser Rummel nichts. Ich kann mich gut an Cannes erinnern. Alle Leute haben sich gefreut. Ich war später mal als Erwachsener in Cannes, da kann man das eher genießen. Als Kind war ich unheimlich unter Druck. Ich bin in Griechenland aufgewachsen. Ich kam nach Cannes und habe das Meer gesehen. Das Einzige, was ich im Kopf hatte, war am Strand zu sitzen und zu schwimmen. Das durfte ich nicht, weil die Fotografen da waren und ich Interviews geben musste. Das ging mir alles auf die Nerven. Was sollte ich als Kind in Hollywood? Die Statue jetzt in den Händen zu halten war bestimmt beeindruckender, als damals dabei gewesen zu sein.

    In Übersee gab es gegen den Film Klagen wegen Kinderpornografie.

    Bennent: Da fragt man sich, wie zurückgeblieben man sein muss, um so etwas zu behaupten. Ich war zwölf Jahre alt und Kathi Thalbach war ein wunderschönes junges Mädchen. Die Arbeit hat mir Spaß gemacht. Kleine, kranke Hirne spinnen sich gern eine Problematik zurecht, die mich nie wirklich interessiert hat. Kathi und ich können darüber lachen, weil wir wissen, wie wir gedreht haben. Wenn ich als kleiner Junge am Set durch ein Schlüsselloch kucke, ist da gar nichts. Dann gibt es den Gegenschnitt und die Leute sagen: „Um Gottes willen, was tun sie diesem Jungen an!“. Diese Hysterie habe ich nie verstanden. Man hätte sich eher die Frage stellen sollen, wie dieser Junge mit all dem Rummel um den Film zurechtkommt. Der war viel schlimmer, als nackt mit Kathi im Bett zu liegen.

    Sind Ihnen Menschen wie Katharina Thalbach oder Mario Adorf öfter wiederbegegnet?

    Bennent: Natürlich! Mit Volker hat sich eine echte Freundschaft etabliert. Wenn ich erfahren habe, dass auf einem Festival Mario oder Kathi zwei Tage vor mir oder nach mir angekündigt waren, habe ich versucht, eher anzureisen oder länger zu bleiben. Ich denke oft an sie und vielleicht denken sie ja auch an mich.

    Sie haben immer wieder in Filmen gespielt, besonders große Erfolge haben Sie aber auf der Bühne gefeiert. Nun hat es den Anschein, als ob Sie in den letzten Jahren wieder verstärkt vor der Kamera gefragt sind.

    Bennent: Ich freue mich sehr darüber, dass ich wieder schöne Angebote bekomme. So ändern sich die Zeiten. Es gab zehn Jahre, in denen ich nicht drehen konnte oder wollte, weil ich in Paris bei Peter Brook Theater gespielt habe. Wenn man in der Filmwelt einmal Nein sagt, dann heißt es ganz schnell, er will nicht mehr drehen.

    Mit dem Wissen von heute: Würden Sie die Rolle des Oskar heute noch einmal spielen?

    Bennent: Das ist die große Frage! Für uns alle und für mich besonders war es ein Riesenschock zu erfahren, dass Günter Grass in der Waffen-SS war. Ob mein Vater es mir erlaubt hätte, weiß ich nicht. Es spät erfahren zu haben ist für alle ein großes Dilemma. Mein Vater ist aus „Mangel an Gehorsam“ aus der Hitlerjugend ausgeschlossen worden; es ist ihm dadurch außer ein paar Hänseleien nicht viel passiert. Offenbar musste man nicht dabei sein. Trotzdem sind viele junge Leute hineingerutscht. Der Nachgeschmack ist wahnsinnig bitter. Im Hinterkopf habe ich, dass mein Vater gesagt hätte: „Da machst du nicht mit!“.

    Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ kommt dieser Tage in einer digital restaurierten Fassung in die Kinos

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