In einer aktuellen Telekom-Kampagne werben Sie für "digitalen Optimismus" und betonen, dass junge Menschen nicht nur Social-Media-Junkies sind. Sieht sich Ihre Generation häufig dieser Kritik ausgesetzt?
Billie Eilish: Ja, es gibt tonnenweise Vorurteile, wie unsere angebliche Besessenheit von sozialen Medien und von "Likes", was zu einem gewissen Grad sogar zutrifft. Aber wir jungen Menschen sind ziemlich schlau, und ich habe das Gefühl, dass ich durch meine eigene Art, das Internet und damit auch die Lernprozesse anderer Leute zu sehen, schon sehr viel Hoffnung verspürt habe.
Das passt ins Stimmungsbild: Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar sind junge Europäer vom Nutzen der Digitalisierung überzeugt, vor allem im Bereich der Wissensvermittlung. Wie erleben Sie das?
Eilish: Man kann mithilfe digitaler Technologien einfach so viel lernen. Es gibt so viele Themen, wie soziale Ungerechtigkeit oder das Klima, von denen ich vor der Zeit des Internets einfach keine Ahnung hatte – und hätte ich diese Möglichkeit des schnellen Lernens nicht gehabt, wüsste ich nicht so viel über diese Dinge. Deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, soziale Medien nicht einfach wegzustoßen, weil sie wirklich nützlich sein können. Solange man Informationen auf ihre Richtigkeit überprüfen kann und weiß, dass die Quellen glaubwürdig sind, können sie so mächtig sein.
In den vergangenen Monaten haben vorwiegend junge Menschen im Internet mit Protestaktionen wie "Black Lives Matter" oder "Fridays for Future" die Aufmerksamkeit auf gesellschaftliche Verfehlungen gelenkt. Ist dies eine der Stärken von sozialen Medien?
Eilish: Auf jeden Fall! Ich meine, ein einziger Klick ermöglicht es dir, etwas über die Welt zu lernen und vielleicht das Gefühl zu bekommen, etwas bewegen zu können, und Menschen, die man liebt, zu unterstützen, und für andere Menschen und für sich selbst zu kämpfen.
Glauben Sie, dass dieses soziale Engagement und die Mobilisierung der Massen ohne den Einsatz digitaler Technologien nicht möglich gewesen wären?
Eilish: Es ist nicht so, dass die Leute nicht versuchen würden, etwas zu verändern, wenn es das Internet nicht gäbe. Ich glaube aber, es macht es zumindest schneller und einfacher, sich über Dinge zu erkundigen, Petitionen zu unterzeichnen oder über Kundgebungen informiert zu werden.
Fallen Ihnen spontan Beispiele für kreative digitale Projekte ein, die Ihnen begegnet sind und Sie beeindruckt haben?
Eilish: Ja, es gibt unglaublich viele. Ein Beispiel wäre das Projekt "Support and Feed", das meine Mutter zu Beginn der Corona-Quarantäne ins Leben gerufen hat. Dabei geht es darum, Menschen in Not mit einer vegetarischen Mahlzeit zu versorgen. Das ist gut für die Umwelt, hilft Bedürftigen und unterstützt Restaurants, die zurzeit wegen Covid-19 eine harte Zeit durchmachen.
Und wie ist es mit Ihnen? Welche Rolle spielen Internet und soziale Medien für Sie privat? Wie wäre ein Leben ohne diese Technik?
Eilish: Ich könnte es Ihnen wirklich nicht sagen. Ich bin mit dem Internet aufgewachsen – so sehr ich mir auch wünschte, es gäbe keine Videos von mir aus der Zeit, als ich nervig und zwölf Jahre alt war. Das ist ein Teil des Lebens. Das Internet ist zudem die einzige Möglichkeit, mit meinen Fans zu interagieren, wenn ich nicht auf Tournee bin. So kann ich mit ihnen kommunizieren, mit ihnen zusammen sein und das Gefühl haben, dass wir eins sind.
Kompensiert dieser Nutzen die vielen Besucher, die Ihre Shows nur über Smartphone-Bildschirme verfolgen?
Eilish: Während meiner Shows gibt es immer ein paar Songs in meiner Setliste, bei denen ich meine Fans dazu ermutige, ihre Handys wegzulegen, mich anzusehen und den Moment zu genießen. So sehr wir alle Videos machen wollen – ich liebe es selbst –, so sollten wir zumindest manchmal auch daran denken, dass es ein Gleichgewicht geben sollte.
Interview: Fabian Wegener, dpa
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