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Interview: Andreas Nohl übersetzt E. A. Poe: „Es bleibt das Verzweiflungsvolle und Wundersame des Geschehens“

Interview

Andreas Nohl übersetzt E. A. Poe: „Es bleibt das Verzweiflungsvolle und Wundersame des Geschehens“

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    Ein Schnappschuss, als er im Sommer an der Übersetzung von Poes "Der Rabe" saß: Schriftsteller und Übersetzer Andreas Nohl.
    Ein Schnappschuss, als er im Sommer an der Übersetzung von Poes "Der Rabe" saß: Schriftsteller und Übersetzer Andreas Nohl. Foto: Tivadar Nemesi

    Herr Nohl, Sie sind bei Ihrem großen Edgar-Allan-Poe-Übersetzungsprojekt beim vierten von fünf Bänden angelangt. Es geht darin um zwei Werke. Das Erzähl-Gedicht „Der Rabe“ ist eines der bekanntesten Poe-Werke, schon oft übersetzt. Gedichte zu übersetzen, gehört zum Schwierigsten in Ihrem Beruf. Wie sind Sie bei Ihrer Übertragung herangegangen?
    ANDREAS NOHL: Ja, der „Rabe“ ist mit insgesamt 700 Übersetzungen das am meisten übersetzte Gedicht der Weltliteratur. Nun fällt dabei auf, dass sich noch kein Dichter von Rang zu einer reimgetreuen Übersetzung hat durchringen können. Baudelaire in seiner Poe-Ausgabe, auf der unsere Edition basiert, hat eine schlichte Prosa-Übersetzung vorgelegt, wie übrigens wenige Jahre später auch noch einmal Stéphane Mallarmé. Daran habe ich mich orientiert, auch weil es im Deutschen bereits, trotz der intrikaten Reimstruktur, über dreißig Übersetzungen gibt. Da wollte ich an diesem Übertreffungswettbewerb – quasi nach dem Motto „Reim komm raus, Du bist umzingelt“ – nicht auch noch teilnehmen. Denn man muss ja wissen, dass das Englische mit seinen beiden Sprachwurzeln – dem Lateinischen und dem Angelsächsischen – sehr viel mehr Reimmöglichkeiten hat als das Deutsche (weswegen es ja auch die konkurrenzlose Weltsprache der Popsongs ist), und man im Deutschen schon grenzwertige und teilweise auch recht drollige Sprachverrückungen vornehmen muss, wenn man das Original denn eins zu eins hinüberretten will. Das schmälert natürlich nicht die Leistung der Kollegen und Kolleginnen. Ich habe im Anhang dann sieben Beispiele deutscher Übersetzungen versammelt, von der frühesten 1862 bis zur jüngsten von Christa Schuenke aus dem Jahr 1996 – die durch ihre sprachliche Unangestrengtheit besticht und im Vergleich wohl auch die beste ist. Meine Prosa-Übersetzung hat dagegen ein anderes Ziel – sie steht parallel neben dem Original, so dass die Virtuosität von Poes Gedicht, das ja selbst etwas Hypertrophes hat, wenn ich das so sagen darf, stets einsehbar bleibt. Und es geht also darum, das Gedicht im Deutschen komplett und bis ins Einzelne nachzuvollziehen und verständlich zu machen, wobei ich aber schon auf die Atmosphäre und auch auf den Rhythmus etwas geachtet habe.

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