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Interview: Staatstheater-Intendant Bücker: "Wir haben mehr Vorstellungsabsagen als je zuvor"

Interview

Staatstheater-Intendant Bücker: "Wir haben mehr Vorstellungsabsagen als je zuvor"

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    Staatsintendant André Bücker im Interview.
    Staatsintendant André Bücker im Interview. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Bücker, sind Sie zufrieden mit den Beschlüssen der Bayerischen Staatsregierung, die Saalkapazitäten von 25 auf 50 Prozent zu erhöhen?
    ANDRÉ BÜCKER: Ja, ich finde es ist absolut richtig, es war überfällig und notwendig, das muss man klar sagen. Bayern hatte als einziges Bundesland diese 25-Prozent-Obergrenze. In allen anderen Bundesländern durften mehr Menschen bei Kulturveranstaltungen eingelassen werden. Übrigens bin ich überzeugt, dass TheaterTheater in Augsburg: Programm, Neubau, Karten – alle Infos

    Das Unverständnis der Kultur gegenüber den Corona-Maßnahmen rührte auch daher, dass für
    BÜCKER: Ich glaube, dass wir auch ohne das „Plus“ genauso gut fahren würden. Im Verhältnis zur Gastronomie erscheint das nicht sinnvoll. Die Menschen, die zu uns kommen, können vorher im Restaurant ohne Abstände und Masken sitzen. Sie unterhalten sich, müssen keine Mindestabstände einhalten. Dann gehen sie gemeinsam ins Theater, müssen eine Maske aufsetzen, Abstände einhalten und zusätzlich auch noch einen Test vorweisen, obwohl sie geimpft oder genesen sind. Das hat die Kulturbranche nicht verstanden hat, das war und ist nicht nachvollziehbar.

    Es stellt sich auch in diesem Corona-Winter der Eindruck ein, dass es die Kultur bei den Maßnahmen wieder am härtesten trifft?
    BÜCKER: Die Verhältnismäßigkeit ist nicht gegeben. Wir fragen uns, warum es dort so und hier ganz anders ist, wo die Verhältnisse absolut vergleichbar wären. Das ist ein großes Problem. Aber inzwischen bin ich wirklich müde, das immer wieder zu sagen. Seit zwei Jahren müssen wir darauf hinweisen, seit zwei Jahren schreiben Sie es, schreiben es die Medien, und es hat sich nichts daran geändert. Irgendwann müssen wir das noch einmal aufarbeiten, aber das braucht wohl Zeit und Abstand.

    Das klingt resigniert. Die Zahlen steigen im Augenblick auch in Augsburg in einer Weise, wie man es noch nicht in der Pandemie gesehen hat. Wie gehen Sie mit dieser Situation aktuell um?
    BÜCKER: Es ist inzwischen sehr schwer. Natürlich sind wir auch von der Omikron-Welle betroffen. Wir haben mehr Vorstellungsabsagen als je zuvor. Die Kolleginnen und Kollegen bei uns im Haus, die zum Beispiel kleine Kinder haben, in der Kita oder in den Schulen, sind hart getroffen. Da sind viele in Quarantäne im Moment. Wir müssen ständig umdisponieren, müssen ständig umbesetzen. Das bleibt nicht aus. Bei derartig hoher Inzidenz können wir das Coronavirus nicht mehr vollständig draußen halten. Es ist uns lange sehr gut gelungen, aber das ist jetzt kaum noch möglich.

    Wobei Sie doch ein Hygienekonzept anwenden?
    BÜCKER: Wir haben ausgefeilte eigene Konzepte für die Mitarbeitenden, gerade auch für diejenigen, die auf der Bühne die Abstände nicht einhalten können und dort ohne Masken agieren. Da wird akribisch darauf geachtet, dass das wir dort kein Infektionsgeschehen haben. Bisher kam es, toi, toi, toi, noch zu keinem größeren Ausbruch im Haus; wir konnten Infektionen sehr früh feststellen und rausfiltern.

    Bei Ihnen kommen auch PCR-Pooltests zum Einsatz. Läuft das noch, wo die Tests knapp geworden sind?
    BÜCKER: Wir haben da vorgesorgt, das funktioniert. Außerdem haben wir seit letztem Jahr einen Mediziner fest bei uns im Haus angestellt, der für uns das Monitoring mit aufsetzt, überwacht und durchführt.

    In dieser Woche hat das Mainfrankentheater in Würzburg angekündigt, im Februar wegen der Pandemie seinen Spielbetrieb einzustellen. Wann würde ein solches Szenario dem Staatstheater drohen?
    BÜCKER: Wenn wir einen großen Ausbruch innerhalb des Hauses haben sollten. Wobei ich sehr hoffe, dass das nicht passiert. Aber ausschließen, dass so etwas passieren könnte, das können wir nicht. Wir arbeiten sehr umsichtig daran, Corona draußen zu halten.

    Wie weit richten Sie Ihren Blick in die Zukunft? Denken Sie schon an die Spielzeit 2022/23?
    BÜCKER: Selbstverständlich planen wir da, übrigens ganz normal.

    Also ohne Corona?
    BÜCKER: Wie wir das auch schon für die laufende Spielzeit getan haben.

    Aber Sie hatten doch für diese Spielzeit verschiedene Corona-Szenarien vorgesehen?
    BÜCKER: Für die Belegung unserer Säle, aber für die künstlerische Planung spielte Corona keine Rolle.

    Anderswo klagen Theaterhäuser, dass das Publikumsinteresse selbst bei stark eingeschränkter Saalgröße am Erlahmen ist, im Staatstheater sind viele Vorstellungen ausverkauft. Wie kommt es, dass das Publikum so treu ist?
    BÜCKER: Augsburgs Staatstheater hat einfach ein begeistertes Publikum. Das ist wunderschön, ist großartig und hält uns aufrecht. Auch die Resonanz des Publikums bei den Vorstellungen selbst bei 25-prozentiger Belegung war immer toll. Allerdings wissen wir nicht, wie es wäre, wenn wir jetzt 100 Prozent unserer Tickets im Angebot hätten. Ich befürchte da schon bei einigen eine gewisse Entwöhnung und eine gewisse Phase, die wir brauchen, bis sich das wieder ändert.

    Man hört das auch anderswo: Geschlossene Räume plus viele Menschen gleich Gefahr, das hat sich jetzt zwei Jahre lang eingeprägt.
    BÜCKER: Wenn die Pandemie vorübergeht, wird das noch eine Zeit lang so sein. Aber ich bin mir sehr sicher, dass das schnell vorübergeht. Der Mensch vergisst auch sehr schnell. Das ist sein großer Nachteil, aber kann in diesem Fall auch ein großer Vorteil sein.

    Sie mussten durch die Corona-Regeln die Kapazität reduzieren. Gleichzeitig ist der Aufwand für Sie enorm gestiegen. Was bedeutet die Pandemie auf der Einnahmen- und Ausgabenseite für Sie? Wie stark wird das Staatstheater finanziell belastet?
    BÜCKER: Uns fehlen drei Viertel der Ticketeinnahmen im Moment, seit Donnerstag nur noch die Hälfte. Wer weiß, wie lange das dauert. Dazu haben wir enorme Kosten für die Testung und zusätzliche Sicherungsmaßnahmen und Personal. Dann haben wir auch noch eine neue Lüftungsanlage eingebaut im Orchesterprobensaal. So fällt uns auch das Interim noch mal auf die Füße. Wir können noch nicht genau beziffern, was am Ende der Spielzeit zusammenkommt, wie stark uns das belasten wird. Aber das ist schon massiv.

    Droht Ihnen, dass Sie auf den Kosten sitzen bleiben und am Ende dazu aufgefordert werden, Stellen zu streichen?
    BÜCKER: Das sehe ich nicht. Das wäre ein irrwitziger Weg. Diese Maßnahmen mussten wir treffen. Insofern sind wir da in einem Boot mit vielen anderen in der Kultur, mit Veranstaltern, aber auch Institutionen wie den Museen, denen die Besucherzahlen ja auch massiv eingebrochen sind. Im Moment sehe ich keine Anzeichen, dass bei den Bayerischen Staatstheatern Kürzungspläne drohen. Das wäre auch nicht angemessen.

    Die Münchner Kammerspiele als ein städtisches Haus hat es schon getroffen; dort schlägt die Pandemie aufs Personal durch.
    BÜCKER: Das ist auch eine wirklich äußerst irritierende Entwicklung, dass in einer Stadt wie München so massiv an der Kultur gespart werden soll. So etwas hat es meines Wissens nach in Bayern noch nie gegeben. Ich finde das gerade in der jetzigen Zeit ein völlig falsches Signal. Ich kann nur hoffen, dass da wieder nachgesteuert und korrigiert wird. Das gibt es bei den Bayerischen Staatstheatern zurzeit nicht. Ich gehe auch nicht davon aus, dass so etwas geplant wird. Da freue ich mich sehr, dass der Freistaat zu seinen Institutionen steht, ebenso wie die Stadt Augsburg.

    Zur Person

    André Bücker ist seit 2017 Intendant des Staatstheaters Augsburg. Zuvor war er Intendant am Nordharzer Städtebundtheater in Halberstadt/Quedlinburg und am Anhaltischen Theater in Dessau.

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