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Internationaler Jazzsommer Augsburg: Rebecca Trescher kommt mit Tentett

Interview

Klarinettistin Rebecca Trescher: „Ich bin nicht die klassische Jazzerin“

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    Die Klarinettistin Rebecca Trescher kommt zum Internationalen Jazzsommer in Augsburg
    Die Klarinettistin Rebecca Trescher kommt zum Internationalen Jazzsommer in Augsburg Foto: Dovile Sermokas

    Wie kam der Jazz in Ihr Leben?
    REBECCA TRESCHER: Ziemlich unverhofft. Ich bin in einem Dorf bei Tübingen aufgewachsen und wurde mit der Klarinette in der Blasmusik groß. Auf dem Gymnasium stieß ich dann auf eine Jazz-AG, die von einem kreativen, experimentierfreudigen Musiklehrer geleitet wurde. Dort improvisierte ich zum ersten Mal und lernte den Jazz auf intuitive Weise kennen. Er vermittelte eine solche Spielfreude und ich erlebte eine Freiheit und Experimentierfreude, die letztendlich den Stein ins Rollen brachte.

    Spielfreude und die Lust an der Improvisation sind auch zwei wichtige Elemente Ihres Tentetts. Eine sehr ungewöhnliche Besetzung. Wie kam es zur Gründung?
    TRESCHER: Das war sicherlich geprägt von meiner klassischen Musikerziehung als Jugendliche. Ich hatte an der Tübinger Musikschule klassischen Klarinettenunterricht und war in einem Jugend- Sinfonieorchester. Als ich dann an der Hochschule für Musik Nürnberg Jazz studierte, wurde deutlich, dass Klarinette im Jazz ein Nischeninstrument ist. Unter den vielen Saxofonstudierenden war ich als Jazzklarinettistin eine Exotin. Schon ziemlich früh während des Studiums habe ich meine erste Band gegründet. Ich habe immer viel komponiert und mir über verschiedene Klangfarben Gedanken gemacht. Die Band hat sich dann so angebahnt. Ich habe aus der kreativen Szene in Nürnberg und unter Kommilitonen von der Hochschule eine kleine sinfonische Besetzung zusammengestellt, um den Klarinettenklang besser zu inszenieren und einen transparenten Holzbläsersound zu kreieren. Seit 2019 spielen wir in der aktuellen Formation. Nur drei von uns kommen noch aus Nürnberg, die anderen leben mittlerweile in ganz Deutschland verteilt. So bleibt es immer spannend und frisch.

    Was macht es so besonders, in dieser Besetzung zu spielen?
    TRESCHER: Ich mag sinfonische Farben, daher habe ich ein kleines Orchester zusammengestellt. Gleichzeitig schätze ich die Power und den Groove einer Big Band. Ich habe zwei Saxophonisten in der Band und einen Trompeter, die aber eben auch Klarinetten und Flügelhorn spielen. Das Cello ersetzt das Baritonsaxofon und sorgt für einen transparenteren Klang. Hinzu kommen die Konzertharfe und das Vibrafon. Wir sind ein sinfonisches Ensemble, haben aber die Flexibilität einer Jazzcombo. Mir ist es wichtig, wie in einer kleinen Combo zu interagieren und energiegeladene Soli zu spielen, die dann wieder im kollektiven Ensembleklang aufgefangen werden.

    Das Tentett vereint also die guten Seiten zweier Welten.
    TRESCHER: Genau, für mich auf jeden Fall. Ich bin stilistisch total offen. Ich bin nicht die „klassische Jazzerin“, ich mag auch Popmusik, Minimal Music und Impressionismus. Stilistisch gibt es in dieser Band ein sehr breites Spektrum, und das macht es sehr spannend. Diese Band lässt viele Freiheiten zu.

    Sie komponieren alle Stücke für die Band. Wie sind die Stücke auf dem neuen Album entstanden?
    TRESCHER: Wenn die Band die Stücke das erste Mal zu hören bekommt, sind sie komplett auskomponiert. „Character Pieces“ ist aber besonders, es ist ein Konzeptalbum, bei dem die neun Charakterköpfe der Band kleine Skizzen eingereicht haben, mit denen ich ein maßgeschneidertes Programm komponiert habe. Das war ein sehr spannender Prozess, weil die Musiker noch einmal mehr einbezogen waren, weil der Nukleus der Platte von den Bandkollegen kam. Wenn ich dann ein Stück zum ersten Mal in die Probe mitgebracht habe, war eine andere Energie da. Das hat noch einmal etwas mit dem Kollektiv gemacht und meine eigene Klangsprache inspiriert.

    In den Songtiteln findet man Wasser, Wind, Wolken – war die Natur ein thematischer Einfluss?
    TRESCHER: Draußen zu sein, ist eine große Inspiration. Auch mein „Paris Zyklus“ entstand aus Beobachtungen, da eben mehr auf der Straße als im Wald. Es sind Beobachtungen aus dem Alltag, ich bin sehr sensibel für Details. Das Durchlässige der Wolken, das Sprudelnde von Wildwasser entwickelt Bilder und Töne in meinem Kopf. Ich sage aber auf Konzerten auch immer, dass jeder seine eigenen Bilder und Geschichten entdecken kann. Das nimmt die Leute auch mit. Die schönste Erfahrung ist für mich, wenn jemand nach dem Konzert sagt, dass sie eigentlich mit Jazz gar nichts anfangen konnten und nun erlebten, dass es gar nicht anstrengend und anspruchsvoll sein muss, sondern es auch einfach wunderschön sein kann. Das ist das schönste Kompliment, das man uns machen kann. Deshalb ist es auch großartig, dass ich bei diesem genreoffenen Festival an diesem wunderschönen Ort in Augsburg spielen kann. Ich freue mich sehr darauf und bin gespannt.

    Rebecca Trescher, geboren 1986 in Tübingen, ist eine international anerkannte Jazzklarinettistin. An der Hochschule für Musik studierte sie Musikpädagogik, Jazzklarinette und Jazzkomposition. Sie leitet verschiedene Ensembles, mit ihrem Tentett kommt sie am Donnerstag, 11. Juli, zum Internationalen Jazzsommer Augsburg in den Botanischen Garten. Konzertbeginn ist um 20 Uhr.

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