Mit einem „Heimspiel“ im Augsburger Liliom-Kino haben Filmproduzent Michael Kalb und Regisseurin Narges Kalhor ihre Kinotour zum Film „Shahid“ begonnen. Ein Heimspiel deshalb, weil Kalb gleich um die Ecke, in Dinkelscherben geboren ist. Und weil ihnen das Liliom-Kino gleich vorab einen Preis verleiht, den hauseigenen Cinema Award. Teile des Films wurden auch in Augsburg gedreht: In der Bar Hallo Werner. Und in der Tram nach Königsbrunn. „Die Hälfte hier im Saal kenne ich“, sagt Kalb.
In dem autofiktionalen Film versucht Narges als junge Frau, die vor zehn Jahren aus dem Iran ins fränkische Zirndorf geflohen ist, ihren ersten Nachnamen „Shahid“ loszuwerden. „Shahid“ ist Farsi und bedeutet „Märtyrerin“. In der Geschichte stellt sie nicht nur eine kafkaeske Bürokratie vor Hindernisse. Auch ist im Film der Geist ihres längst verstorbenen Urgroßvaters ins München der Gegenwart gereist, um sie zu stoppen. Denn er hat ihr den ungeliebten Namen eingebrockt.
Regisseurin kam die Idee aus dem eigenen Leben
Wie die Regisseurin Kalhor erzählt, ist ihr die Idee zu dem Film gekommen, als sie selbst das „Shahid“ aus ihrem Pass streichen lassen wollte. Nach den regimekritischen Protesten 2009 floh sie aus dem Iran, darf bis heute nicht in ihr „Mutterland“ einreisen. Statt tausende Euros für psychologische Gutachten auszugeben, um ihren Namen zu ändern, beschloss sie, einen Film zu machen.
Im Film wurde der Urgroßvater zum Märtyrer, als er vor über hundert Jahren getötet wurde. Im Kampf gegen – ja, was eigentlich? Gegen Kolonialismus oder Korruption, für eine liberale Demokratie oder eine islamische Republik? Das weiß in „Shahid“ niemand mehr so richtig. Er wurde „getötet, weil er an etwas glaubt, woran die anderen nicht glauben“, sagt Narges, gespielt von Baharak Abdolifard, an einer Stelle im Film. Sie wolle einfach ihre Ausbildung zur Barkeeperin machen und von ihrem Freund geschwängert werden, einfach „mit dem ganzen Scheiß nichts mehr zu tun haben“.
Überhaupt steht die Rolle im Kontrast zu den sehr ernsten Themen, die der Film verhandelt. Der zeigt, wie eine Familie abgeschoben wird und wie schwierig das Leben in einem deutschen Asylbewerberheim war. Zwischen politischem Drama und undramatischer Protagonistin entfaltet sich aber nur eine von vielen Spannungen, die den Film auf formaler Ebene durchziehen. „Shahid“ springt vom bitteren Drama zur absurden Komödie und zurück: Reibungen mit einer zähen Beamtin oder einem wohlmeinenden Therapeuten sorgen für witzige Momente. Und dann treten auch noch Kamerateam und echte Regisseurin ins Bild und reißen die vierte Wand ein.
Der Film überzeugte auf der Berlinale
Auf großen Festivals wie der Berlinale überzeugte der Film die Kritik. Trotzdem ist der Abend im Liliom-Kino für den Produzenten Michael Kalb „fast mit am aufregendsten“. Weil der Film eben in keine Schublade passe, weil Regisseurin Kalhor Filme mache, die es so noch nicht gebe. „Da fragst du dich schon: Wie kommt so ein Film jetzt an? Der ist halt kein Eberhoferkrimi.“
Ist „Shahid“ also ein „Kunstfilm für rich kids“, wie sich die Regisseurin im Film vorwerfen lässt? Die Komödienelemente eine bloße Lockerungsübung, die schwierige Themen verdaulich macht? In einem Film, in dem inhaltlich wenig passiert zwischen absurden Musicalsequenzen mit tanzenden Kostümierten zur traumartigen Musik von Marja Burchard (Frontfrau der Münchener Band Embryo), sind es diese Spannungen in der Form, die die Geschichte weitertreiben. Beinahe unterschwellig wird die oft in bildreichen, symbolischen Szenen weitergesponnen.
Es ist die in vertrackten Schleifen erzählte Geschichte, in der sich Narges von einer männerdominierten Erzählung der Vergangenheit löst. Liegt Narges zu Beginn des Films wie ein Embryo nackt und verletzlich auf dem Boden, den tanzenden Männern um sie herum schutzlos ausgeliefert, löst sich der Griff der Männergeschichte im Lauf des Films. „Bei Tageslicht sind Männer doch nicht so ernst“, sagt die Regisseurin im Gespräch, „sondern ein bisschen lächerlich“. Es sei ein Film gegen alles Heldentum, erzählt die Regisseurin. Die Figur Narges wolle keine Heldin sein, sich nicht in ein Täter-Opfer-Schema fügen, das immer neues Leid produziere.
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