Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten

Hitler und Goebbels neu betrachtet: „Führer und Verführer“

Filmkritik

Hitler und sein Hexenmeister: "Führer und Verführer" im Kino

    • |
    • |
    Robert Stadlober (links) als Joseph Goebbels und Fritz Karl als Adolf Hitler in einer Szene des Films "Führer und Verführer". Der Film kommt am 11. Juli in die deutschen Kinos.
    Robert Stadlober (links) als Joseph Goebbels und Fritz Karl als Adolf Hitler in einer Szene des Films "Führer und Verführer". Der Film kommt am 11. Juli in die deutschen Kinos. Foto: Wild Bunch, dpa

    Das Böse übt auf Menschen eine Faszination aus. Seit man sich Geschichten erzählt, spielen in Schilderungen Mörder und Gewaltverbrecher eine zentrale Rolle. Was etwas Tröstliches hat, weil sich offenbar ein Großteil der Zuhörer, Zuschauer, Leser nicht mit den Tätern identifizieren kann. Sie versuchen vielmehr zu verstehen, was in diesen Leuten vor sich geht, die alle Hemmschwellen hinter sich lassen. Besonders hoch im Kurs stehen „Dokumentationen“ über die führenden Köpfe des Naziregimes, in denen Tätern eine Plattform geboten wird, die Opfern oft verwehrt bleibt. Wenn aber Joachim A. Lang („Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“) in seinem neuen Werk nun die fatale Dynamik zwischen Hitler und Goebbels auslotet, tut das der Filmemacher nicht aus Sensationslust. Er öffnet dem Zuschauer vielmehr die Augen für die perfiden Wirkmechanismen der Demagogie, die in kaum veränderter Form bis heute Bestand haben.

    Robert Stadlober spielt Goebbels, Fritz Karl spielt Adolf Hitler

    Der Krieg ist verloren. Joseph Goebbels (Robert Stadlober), Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, ist bereit für den „Heldentod“. Seine Frau und seine Kinder werden ihm folgen. „In hundert Jahren wird ein schöner Farbfilm erscheinen“, sagt er. Seine Tagebücher und Bilder werden in Zukunft das Bild vom Führer und seiner Zeit prägen. Auch wenn alles nur eine einzige, großangelegte Inszenierung war.

    Die Aufnahmen vom keifenden, wild gestikulierenden Adolf Hitler sind ins allgemeine Gedächtnis eingebrannt. Den Privatmann bekommt man eher selten zu Gesicht, es existiert nur eine einzige, 11-minütige Tonaufnahme, in der Hitler privat spricht. Ein heimlicher Mitschnitt. Eine kurze Passage daraus erklingt, wenn sich der Kinovorhang öffnet. Die sanfte Stimme will so gar nicht zu den Bildern in unserem Kopf passen.

    Goebbels verehrt Hitler (Fritz Karl), hält ihn für ein Genie. Umso mehr verachtet er die anderen Köpfe in seiner Umgebung. Einmal wird er der zweite Mann im Staat sein, da ist er sich sicher. Und er wird alles dafür tun, den Führer-Mythos zu etablieren. Hierfür zieht er alle Register von Hetze und Propaganda: Wenn der Führer einen Sieg feiert, werden Millionen Flugblätter gedruckt, alle Gebäude mit Fahnen dekoriert. Fabriken und Schulen werden geschlossen, damit alle Bürger die Straßenränder säumen können. Die Choreografie der Beeindruckung, ja der Einschüchterung ist perfekt. „Mein Hexenmeister hat wieder gezaubert“, lobt Hitler Goebbels. Dessen Kinder nennen Hitler „Onkel Führer“, sie genießen genauso dessen Zuneigung wie ihre Mutter Magda (Franziska Weisz). Als der Schürzenjäger Goebbels einer Tschechin zu nahekommt, regelt Hitler selbst die Ehekrise. Der Propagandaminister knickt hier ein, genauso wie bei der Verfolgung der Juden und den Kriegsplänen seines Chefs, die er zuerst kritisch sieht.

    Joachim A. Lang zeigt Goebbels als Hexenmeister der Medien

    Virtuos bedient sich Goebbels aller Medien: Was in der Wochenschau vor selbst initiierten antisemitischen Hetzfilmen wie „Jud Süß“ oder Durchhalte-Epen wie „Kolberg“ gezeigt wird und was nicht, bestimmt allein er. Lässt sich eine Niederlage wie Stalingrad nicht vertuschen, inszeniert er die Geschlagenen als Helden. Kommt Hitler in einer Filmaufnahme nicht vorteilhaft rüber, erblickt diese nie wieder das Licht eines Projektors: „Was wahr ist, bestimme ich!“

    Joachim A. Lang stellt eine große Nähe zu seinen Protagonisten her, zeigt sie als Menschen. Wenn sich Hitlers innerer Kreis trifft, um Unmenschliches, Unvorstellbares, Unsagbares zu planen und dabei ein Ton herrscht, als rede man über ein neues Gartenprojekt, ist das umso verstörender. Es sind Räuber ohne Moral und Gewissen.

    Der Regisseur lässt im Film auch Opfer zu Wort kommen. Überlebende wie Margot Friedländer richten sich mit berührenden Worten direkt ans Publikum und berichten vom Gräuel des Holocaust. Ihre Botschaft: „Menschen haben Menschen zu respektieren.“ Ebenfalls eingestreut werden harte dokumentarische Bilder von Kriegstoten, Massenerschießungen, KZ-Opfern, die nur schwer zu ertragen sind, die man aber aushalten muss.

    Beim Filmfest München überzeugte „Führer und Verführer“

    Man wird die Fernsehbilder von Hitler und Konsorten mit anderen Augen betrachten, wenn man diesen Film gesehen hat. Was sich Doku nennt, hat mit der Realität in vielen Fällen rein gar nichts zu tun. Goebbels grüßt mit seinen heroischen Bildern aus dem Jenseits und lässt Zuschauer genau das sehen, was sie seiner Meinung nach sehen sollen. Heute sind die medialen Mittel noch vielfältiger, Demagogen unserer Tage beherrschen deren Klaviatur. Deshalb hat Lang genau den richtigen Film zur richtigen Zeit gemacht. Er verspricht sorgfältigste Recherchen, verweist auf eine Vielzahl von Originalzitaten. Robert Stadlober und Fritz Karl führen ein exzellentes Ensemble an, sie verwandeln sich nie in Karikaturen. Ihr Film empfiehlt sich einer breiten Zuschauerschaft, besonders auch Schulklassen höherer Jahrgänge. Übrigens: Auf dem Filmfest von München gewann „Führer und Verführer“ soeben den Publikumspreis.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden