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Guns N' Roses in München: Der Kampf des Axl Rose

Konzertkritik

Guns N' Roses in München: Der Kampf des Axl Rose

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    Dies ist ein Archivfoto. Denn Guns N’ Roses lassen sich wie am Freitag in München auf ihrer aktuellen Welttournee nicht für Medien fotografieren. Es ist auch nicht immer schön, Axl Rose beim Singen zuzusehen; rechts: Slash.
    Dies ist ein Archivfoto. Denn Guns N’ Roses lassen sich wie am Freitag in München auf ihrer aktuellen Welttournee nicht für Medien fotografieren. Es ist auch nicht immer schön, Axl Rose beim Singen zuzusehen; rechts: Slash. Foto: Jack Plunkett, dpa

    Gleich zu Beginn dröhnt „Welcome to the Jungle“. Und der Superheld im Zentrum des Geschehens zeigt dazu in seiner göttlichen Alterslosigkeit, dass er wirklich noch topfit ist, volle Kampfkraft, er schlägt auch in luftigen Höhen mit spielerischer Leichtigkeit Kapriolen. Und doch wird der Bruch folgen. Denn das hier ist ja der Auftakt einer Komödie, zu Marvels neuem „Thor“-Teil, gerade in den Kinos angelaufen.

    Der Kampf an diesem Freitagabend im Münchner Olympiastadion ist von ganz anderem Charakter. Auch ziemlich früh schon spielen Guns N’ Roses ihren Dschungelhit – und es ist alles andere als ausgemacht, dass dieses Konzert nicht eher eine Tragödie wird. Denn an selber Stelle und frisch im Kern-Heldenquartett der 1990er wiedervereint lieferten Slash, Duff McKagan, Dizzy Reed und vor allem Sänger Axl Rose vor fünf Jahren bereits eine Show, die eher wie eine endgültige Götterdämmerung statt wie eine Auferstehung wirkte.

    Zweimal wegen Covid verschoben, nun fast wegen Axls Stimmproblemen abgesagt

    Und nun hatte sich vor dieser erneuten Station hier auf der durch Covid seit 2020 immer wieder verschobenen Welttournee hier Axls Stimme während des Auftritts in Tottenham aus den Höhen komplett verabschiedet, weshalb der in Glasgow dann gleich mal abgesagt wurde. Denn auch der Kampf dieses ehemaligen Superhelden, im Februar 60 geworden und allzu menschlich, so gar nicht alterslos, dreht sich um Kapriolen dort droben, aber alles andere als spielerisch leicht.

    Nun ist Axl Rose damit in der Riege der derzeit tourenden, in den 90ern zu Rockweltstars gewordenen Sänger nicht allein. In den Höhen prekärer geworden ist es auch für Pearl Jams Eddie Vedder (Tendenz: jaulend) und Anthony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers (Tendenz: noch leichter knapp daneben). Aber bei den Guns N’ Roses und all ihren Hits ist die Stimmlage eben prägend, und während der Trennung der Band hat Myles Kennedy an der Seite von Slash gezeigt, wie hinreißend die Kraft in den Höhen da noch wirken kann, auch bei „Welcome to the Jungle“ – aber das hier ist ja die Ikone im Anspruch der Selbstbehauptung, Axl, Posterboy von einst und Diva: Wenn er das nicht mehr kann, muss er doch eigentlich einpacken, soll das hier nicht unfreiwillig komisch und damit eben tragisch werden.

    Nachdem die erste Viertelstunde im Dröhnen eines katastrophalen Sounds noch keinerlei Aufschluss zulässt, besteht der Sänger bei „Welcome to the Jungle“ aber seine ersten Gratwanderungen leidlich, doch jeder Sprung in die Höhen wirkt wie ein Wagnis. Was um so stärker in den Fokus rückt, weil diese Band um ihn herum dagegen so ungeheuer souverän abliefert und dabei so unerhört alterslos wirkt, vor allem Slash, aber auch Duff, dazu Richard Fortus an der zweiten Gitarre, der aussieht wie Ron Wood, in seiner Jugend. In dieser Konzentration, von der auf der vergleichsweisen Minimalbühne auch kein Effektbrimborium ablenkt, scheint es, als würden die über 60.000 Menschen (mit mal wieder maximaler Band-Shirt-Dichte) in der fast ausverkauften Arena unweigerlich die Luft anhalten, wenn Axl bald darauf schon „Live and Let Die“ vor der Brust hat. Jedenfalls wird auffallend wenig ausgelassen gefeiert, eher gespannt betrachtet und erleichtert gejubelt, wenn ein Song samt Suche der passenden und zu bewältigenden Stimmlagen gelingt.

    All die Hits von Guns N' Roses an diesem Abend in München - und nichts davon schlimm

    Freilich gelingt nicht alles. „Better“ schmerzt zum Beispiel ziemlich im direkten Kontrast zum fulminanten „Estranged“. das Jimmy-Webb-Cover „Wichita Lineman“ gerät schlimm, „Civil War“ samt (bis zum blau-gelben Mikrofon-Ständer) stimmiger Solidaritätsadresse an die Ukraine stark.Aber all die Hits eben, die die Gunners freilich servieren müssen, etwa „Sweet Child o’ Mine“ und „You Could be Mine“, „November Rain“ und „Don’t Cry“, „Knockin’ on Heaven’s Door“ und das wie immer abschließende „Paradise City“ – allesamt gelingen sie mindestens leidlich und insgesamt jenseits des Tragischen. Der menschliche Faktor Axl Rose in dieser wieder heldenstählern gewordenen Band-Maschine, wirkt zwar immer wieder wackelig und dazu unsicher im Krafteinsatz, aber besteht sie.

    Und geradezu rührend, wie er, der einst ausverkaufte Stadien stundenlang warten ließ, weil er noch keine Lust hatte und lieber noch einen Film zu Ende glotzen wollte, sich nun gealtert und gereift nach jedem einzelnen Lied vor dem Publikum verbeugt. Dankend für die Treue und die Ovationen, wie er es auch in einem seiner wenigen Sätze zum Publikum tut. Aber zudem, als wollte er, der einst meinte, Guns N’ Roses praktisch ganz allein weiter tragen zu können und krachend scheiterte, nun als Künstler in Demut und Stolz zeigen: Dies ist unser Werk, dargeboten mit allem, was wir haben.

    Denn keiner kann diesem Sänger vorwerfen, er würde es sich leicht machen. Über zweieinhalb Stunden lang stellt Axl Rose, wo etwa Marvel-Inszenierungen die Verletzlichkeit von Superhelden zu Ironie und Charme nutzt (was er beides nicht hat), stellt dieser Mensch seine Schwächen und sein mögliches Scheitern offen aus. Jetzt noch bei einigen Terminen in Europa (darunter Hannover), dann in Lateinamerika, dann in Japan, in Australien … Klar, das Schmerzensgeld ist Abend für Abend ordentlich (Kartenpreisdurchschnitt in München rund 120 Euro) – trotzdem bleibt das ganz schön mutig. Bloß: Wie lange geht das noch gut?

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