Der Name ist hier Programm: „Made for Two“ heißt der neue Ballettabend des Staatstheaters Augsburg, und er präsentiert ausschließlich Duette, also Choreografien für ein Paar. Weil es bereits 2020 einen Abend mit diesem Motto gab, ist dem Titel noch ein „reloaded“ angefügt. Ein zweiter Aufguss also? Auf keinen Fall! Neun Choreografien, acht davon speziell für die Ballettkompanie in Augsburg geschaffen, präsentiert dieser großartige Abend und in der intimen Atmosphäre der Brechtbühne ist der Zuschauer ganz nah dran an diesen tänzerischen Zwiegesprächen der Körper, die jedem und jeder im Publikum eine eigene Einfühlung und Interpretation erlauben.
„The Fact of Being“ von Alba Castillo etwa ist laut Programmheft inspiriert vom Mythos der Medusa, die von Neptun vergewaltigt, dafür aber von Athene mit jenem Schlangenhaupt bestraft wurde, das sie zum Monster machte. Es könnte aber auch ein erstes Date sein, das sich da auf der Bühne abspielt zwischen dem Mann (Nikolaos Doede) und der Frau (Fátima López Garcia), die mit Masken und Perücken zu Beginn nebeneinander auf zwei Stühlen sitzen, aufgeregt mit den Füßen trippeln und zaghaft nach rechts oder links blicken und sich abschätzen, bevor sie einander näher an sich heranlassen und ihre Gesichter preisgeben - um sich dann auch wieder zu verlassen.
Anziehung und Ablehnung, dieses ewige Spiel zwischen Mann und Frau, thematisiert auch Giovanni Napoli in seiner hochemotionalen Choreografie „Whisper of an ending“. Das Ende einer Beziehung, in der Leidenschaft und Verletzung wechseln, zeigt er, der bis zum Sommer noch Kompaniemitglied in Augsburg war, in faszinierend präzisen Körperphrasen und Giulia Finardi und Alfonso López González interpretieren diese spannungsgeladene Beziehungsstudie mit großer Ausdruckskraft.
Aber es geht nicht nur um die erotische Konnotation, wenn in „Made for Two“ Mann und Frau, Frau und Frau oder Mann und Mann miteinander tanzen. Mit einer eigenwilligen Bewegungssprache, die teilweise wirkt, als sei sie unter Schwarzlicht entstanden, lässt Francesca Frassinell „be gentle with the fear“ zwei Tänzerinnen (Martina Piacentino und Soyoka Iwata) weitgehend isoliert voneinander agieren, während Anne Jung in „Beneath the Woods“ unter Zuhilfenahme raffinierter Lichtimpressionen, Organismen (Lucie Horná und Álvaro Olmedo) auf einem Waldboden in Beziehung treten lässt. Um die Frage, wie Überleben nach einer Katastrophe gestaltet werden kann, geht es in der Choreografie der beiden Schweizer Riva & Repele, die schon 2023 auf der Ballettgala große Bewunderung erzeugte und nun von Afonso Pereira und Thomas Krähenbühl interpretiert wird. Angelehnt an den Fall eines Schwerverbrechers entwickelt Nicolaos Doede in seiner auch von den Bewegungen asiatischer Kampfkunst inspirierten Choreografie „The Passenger“ mit Chiara Zincone und Álvaro Olmedo ein Gefängnisdrama, in dem es um Macht und Überwältigung geht.
Überhaupt ist die Vielfalt der Stile und Bewegungssprachen die prägende und beeindruckende Erinnerung an diesen Tanzabend. So reizen Tomona Seike und Vito Damiano Vlpicella in Lukás Timulas Stück „Hold“ ihre Balance bis zum äußersten aus und geben sich schließlich am Ende doch immer wieder Halt - auch dies eine Spielart des tänzerischen Duetts. Als Kontrapunkt zur Rasanz der anderen Stücke und in der Tradition eines klassischen Tanzstils steht dagegen die Choreografie von Ballettchef Ricardo Fernando, der in „State of Mind“ fast schon elegisch und wunderschön anzusehen ein Paar (Lucie Horná und Mateo Mirdita) als Schlafwandler über die Bühne schweben lässt.
Und schließlich ein fulminanter Abschluss mit Ihsan Rustems „Nemesis“, der nicht nur in das Beige, Grau und Grün der übrigen Kostüme eine neue Farbe bringt: In lilafarbenen Anzügen beginnen Kako Kijima und David Nigro zur „Norma“-Arie „Casta Diva“ einen humorvollen Wettstreit um die ganz großen Posen, der in ein dynamisch getanztes Finale zu Benjamine Clementines „Nemesis“ mündet und das Publikum in bester Stimmung entlässt.
Die Krönung eines wunderbaren Abends? Das muss jeder für sich entscheiden, denn vergleichen lassen sich einzelnen Stücke nicht, aber jedes ist dazu geeignet, im Zuschauer oder der Zuschauerin etwas zum Schwingen und Klingen zu bringen. Deshalb - auch weil die verbleibenden Vorstellungen schon wieder nahezu ausverkauft sind - bleibt zu wünschen, dass es ein „re-reloaded“ dieses großartigen Ballettabends gibt.
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