Vielleicht wären die Nachrichten von seinem überraschenden Tod und alle die Nachrufe ein wenig kleiner ausgefallen, hätte Jeff Beck im vergangenen Jahr nicht solch eine aufsehenerregende Tournee gespielt. Bei der hatte ihm der Gastsänger ein wenig die Show gestohlen: Es war Johnny Depp, der dafür sorgte, dass sein Publikum deutlich jünger und weiblicher war als sonst.
So konnte Jeff Beck noch einmal vor vollen Häusern spielen, auch wenn sich die Aufmerksamkeit in erster Linie auf seinen Gastsänger richtete. Das war eigentlich bezeichnend für seine Karriere, in der er es nie selber zum Stadion-Rockstar geschafft hatte, aber dafür immer wieder die Stücke mancher Arena-Rocker veredeln durfte. Doch er war ein Gitarrengott, allerdings einer, dem vor allem andere Musiker huldigten. Jetzt ist Jeff Beck im Alter von 78 Jahren an einer Hirnhautentzündung gestorben.
Jeff Beck hatte 1944 das Licht im kriegsgebeutelten England erblickt, das in den Folgejahren für junge Männer nicht besonders attraktive Lebensentwürfe bereithielt. So entschieden sich etliche, ihr Glück in der Musik zu suchen, im Rock 'n' Roll, im aufkommenden Beat. Beck startete seine Karriere als Session-Musiker und bekam 1965 seine große Chance, als der schon damals von vielen bewunderte Eric Clapton die Yardbirds verließ und er ihn ersetzen durfte. Das ließ die Band kommerziell abheben.
Unvergesslich: Jeff Beck und Jimmy Page in Antonionis "Blow Up"
Später tauchte an Becks Seite noch ein gewisser Jimmy Page auf, der später Led Zeppelin gründete. Die beiden sind in einem kurzen Ausschnitt von Michelangelo Antonionis ikonischem 60er-Jahre-Film "Blow Up" bei einem Auftritt zu sehen. Beck zertrümmert da auf Geheiß des Regisseurs merkwürdig unmotiviert seine Gitarre. Ihm gefiel das nicht sonderlich, denn er war eher einer, der sein Instrument liebte und es ausgesprochen zärtlich liebkosen konnte. Gerade diese Zuneigung zu den sechs Saiten, die für ihn die Welt bedeuteten, haben möglicherweise dafür gesorgt, dass seine einstigen Weggefährten Eric Clapton und Jimmy Page an ihm vorbeizogen, zu Megastars wurden und er der Mann für die kleineren Hallen blieb.
Jeff Beck gefiel sich eher darin, Regeln zu brechen, mit seiner Gitarre zu experimentieren, ihr mit neuen Effekten fremde Welten zu erschließen und sich vor allem in den Siebzigern im Virtuosen-Kosmos zu verlieren. Vom Rock-Pionier wandelte er sich zum Jazzrock-Wegbereiter, etwa mit dem großartigen Album "Blow By Blow". Er wollte eben nur spielen. Dazu brauchte er selten genug jemanden, der zu seinen Stücken singt, auch wenn dieser Jemand gelegentlich Rod Stewart hieß, der ihm 1985 mit "People Get Ready" einen sehr bescheidenen Chart-Erfolg bescherte.
In den Charts war Jeff Beck als Edel-Gast von Stars wie Bon Jovi
In den Hitparaden landete Jeff Beck ohnehin meist huckepack – als Edel-Studiomusiker, der zu dem Stück eines Stars mal eben ein paar geniale Töne beisteuerte (etwa das Solo in Bon Jovis Solo-Hit „Blaze Of Glory“). Ansonsten aber zog er sich auch gerne mal in seine private Autowerkstatt zurück. Dort schraubte er hingebungsvoll an seinen PS-starken Oldtimern herum. Und gelegentlich nahm er ein Album auf, um in sein ganz eigenes Gitarren-Universum abzuheben.
Im Laufe der Zeit perfektionierte er immer mehr seine eigentümliche und unnachahmliche Spielweise. Bei ihm machte nicht die Masse der rasanten Läufe die Musik, sondern der einzelne, extrem fein abgeschmeckte Ton. Der konnte sich manchmal wie aus dem Nichts heraus aufbauen. Er ließ die einzelnen Noten langsam anschwellen, bis sie sirrten, flirrten, manchmal rau röhrten, jaulten – um sie wieder langsam in zarter Schönheit ersterben zu lassen.
Er konnte sie in Millimeterarbeit mit dem Vibratohebel verbiegen und zum Vibrieren bringen. Ein Plektrum benutzte er irgendwann kaum mehr, er zupfte die Saiten nur noch mit dem Finger. So brachte Jeff Beck seine Gitarre zum Singen. Das brachte ihm diverse Grammy-Auszeichnungen ein, er wurde von Kollegen als "Gitarren-Professor" verehrt, als Mann der Zaubertöne, als Musiker für Musiker. Ein Genie eben.