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Foto: Jenny Sturm- Adobestock
Foto: Jenny Sturm- Adobestock

Der deutsche Film darbt. Gedreht wird irre viel, aber die Budgets sind mickrig. Es besteht Reformbedarf bei der Filmförderung.

Zeitzeichen
26.02.2023

Wo bleiben die guten Filme aus Deutschland?

Von Richard Mayr

Alle klagen über die Filmförderung, aber ohne geht es nicht. Denn jährlich kommen zu viele Filme auf den Markt. Fast alle haben das gleiche Problem - zu wenig Geld. Das sieht man den Filmen an.

Früher war vielleicht nicht alles besser, aber definitiv mehr Publikum, schaut man den deutschen Film an. Bevor das Fernsehen sich als Massenmedium nach 1945 durchsetzte, waren die Kinos voll. Es gab ja auch viel mehr. Schaut man darauf, welche deutschen Kinofilme den größten Publikumszuspruch hatten, finden sich unter den Top 30 neben dem Spitzenreiter "Der Schuh des Manitu" fast nur Filme aus den späten 1950er Jahren, die goldenen Filmjahre nach dem Krieg, was den Massenmarkt anging.

Es war die Zeit von Heinz Rühmann und Liselotte Pulver in Filmen wie "Das Wirtshaus im Spessart" und "Der brave Soldat Schwejk". Die Produzenten wussten, wie sie den Publikumsgeschmack trafen. Und - noch wichtiger - die Filme finanzierten sich selbst. Bevor man jetzt allerdings die deutsche Filmgeschichte verklärt, ein Zitat von Edgar Reitz, der in seinen Memoiren über seine Studentenzeit in den 1950ern schreibt: "Wir jungen Künstler verachteten die deutschen Filme jener Zeit abgrundtief."

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Foto: Constantin Film
Foto: Constantin Film

"Der Schuh des Manitu" zählt zu den erfolgreichsten deutschen Filmen.

Bevor das erste Mal die Klappe fällt, ist ein Marathon zu absolvieren

Und heute? Da findet der deutsche Film international bis auf wenige Ausnahmen (gerade "Im Westen nichts Neues") auch nicht große Beachtung. Und die deutsche Lust, das alles in Grund und Boden zu reden, ist genauso groß wie zu Reitz' Zeiten mitten im deutschen Wirtschaftswunder. Allerdings hat sich eines grundlegend geändert. Wer heute Filme macht, ist ein Vollprofi im Förderanträgeschreiben. 

Denn bevor das erste Mal die Klappe am Filmset fällt und die Kamera läuft, ist erst einmal ein Marathon von Gremium zu Gremium zu absolvieren, bis die durchschnittlich zwei bis drei Millionen Euro Budget zusammengekommen sind. Summen, die gegen vergleichbare Hollywood-Budgets winzig wirken. Und wenn Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sich zu dritt bereit zeigen, Gelder zur Verfügung zu stellen, werden Teile des Films dort auch gedreht, weil Filmförderung ja auch immer Filmstandort-Förderung ist. Für die Filmemacher heißt das, noch ein paar Kompromisse mehr zu machen. Zu ihren weiteren Kerntugenden zählen: Geduld, Ausdauer und Zähigkeit. 

Dass das nicht die klassischen Tugenden der Kunst, sondern eher die von Ausdauerläufern sind, sieht man manchem deutschen Film auch an, von der Bescheidenheit der Ausstattung bis zur Kompromissbereitschaft in der Handlung. Wenn als Financiers dann auch noch die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender mitmischen, sitzen noch ein paar Bedenkenträgerinnen und Bedenkenträger mehr mit an Bord. Beste Voraussetzungen, um alles Kantige, Provozierende, vielleicht auch Verstörende einem eingehenden Schleifprozess zu unterziehen. "Wir würden ja, wenn ..."

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Das System der Filmförderung ist irre

Rund 600 Millionen Euro werden jährlich auf diese Weise verteilt. Gut 300 Filme entstehen dadurch Jahr für Jahr. Viel zu viel für die 52 Kinostarttermine, die das Jahr hat. Es gibt also jährlich viel zu viele geförderte Filme, die gleichzeitig alle daran leiden, zu kleine Budgets zu haben. 

Und diese 300 Filme mit den kleinen Budgets müssen über einen Verleih einen der begehrten Kinostart-Termine bekommen, um dort gegen internationale Konkurrenz zu bestehen, der man optisch ansieht, dass nicht an allen Ecken und Enden gespart werden musste. Klingt irre, ist aber leider so. Dass die deutschen Filme dabei nur schwer über einen Marktanteil von 20 Prozent hinauskommen, ist selbsterklärend. Vor der Renaissance des deutschen Films in den 1990er Jahren war der Marktanteil sogar noch kleiner. 

Trotzdem besteht Handlungsbedarf. Entscheidungen dauern ewig, Budgets müssen vergrößert werden und dem Kinofilm sitzen auch noch die Streaming-Anbieter mit einer ganz anderen Vermarktungslogik im Nacken. Und es soll auch etwas geschehen: Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat angekündigt, da etwas vorlegen zu wollen

Aber bevor ein neues, effizienteres Fördermodell entsteht, einmal ganz kurz die ketzerische Frage gestellt: Warum nicht das Undenkbare ins Auge fassen? Warum nicht auf den ganzen Hokuspokus verzichten? Warum sich nicht ausmalen, wie die Filme von den Fassbinders und Schlingensiefs der Gegenwart aussehen würden? Schnell und billig produziert, anarchisch und frei im künstlerischen Zugriff. Ach ja, es gibt sie ja längst und sie haben ihre Plattform gefunden, es ist der größte und unübersichtlichste Basar für Filme aller Art: Youtube.

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