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Zeitzeichen: Habeck will Fehler "heilen": Warum diese neue Sprache in unsere Zeit passt

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Habeck will Fehler "heilen": Warum diese neue Sprache in unsere Zeit passt

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    Die Flamme eines Gasherds.
    Die Flamme eines Gasherds. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Ist es Ihnen auch aufgefallen? Wie plötzlich ein Wort in den politisch-medialen Betrieb eingesickert ist, das dort eigentlich semantisch nichts zu suchen und eher in einer Reha-Einrichtung denn bei einem Bundeswirtschaftsminister zu vermuten wäre? Und ja, es geht natürlich noch mal um Graichen (kein homöopathisches Rinden-Extrakt), es geht noch mal um die Wahlverwandtschaften im Bundeswirtschaftsministerium, in der ein Staatssekretär bekanntlich seinen Trauzeugen mindestens durchwinkte an die hoch dotierte Spitze der bundeseigenen Dena, um dann doch noch dieses Missgeschick einzuräumen gegenüber Robert Habeck, der daraufhin das Auswahlverfahren neu ansetzte und mitsamt seiner gesamten grünen Partei von einem Fehler sprach, der nun aber – und da ist das Wort – „geheilt“ sei. Und ganz im Ernst fragten denn auch Journalisten und Talkshowmoderatoren zurück: Ist der Fehler denn nun „geheilt“?

    Das quacksalberische Wort vom "heilen" hält sich seitdem hartnäckig

    Nein, ist er natürlich nicht, Patrick Graichen wurde bekanntlich wenig später entlassen. Aber das quacksalberische Wort vom „heilen“ hält sich seitdem hartnäckig, und man darf sich schon wundern über diesen seltsamen Sound, diese neue Sprache, die wie eine Wundcreme daherkommt und doch nur zukleistert, was in früheren Zeiten mal korrigiert, nicht aber geheilt gehörte – Fehler eben. 

    Aber vielleicht ist das auch gar nicht so absonderlich, diese fast schon pathologische Infantilisierung des Diskurses, schließlich gab es auch schon mal das „Gute-Kita-Gesetz“, wo man sich fragte, ob sich diese Formulierung nun an Viertklässler richtet. Wobei: Die können zu gut einem Viertel wie zuletzt wieder per Studie belegt wurde eh nicht mehr lesen. Die Sprache also, von der man sagen kann, dass sie die Grundlage unseres gemeinsamen Gesellschaftsmodells ist, sie kommt auf der einen Seite mittlerweile wie eine Handvoll Globuli daher, auf der anderen immer noch ruppiger, wie als Gegenreaktion auf einen allergenen Zuckerschock.

    Die Koalitionäre verkeilen sich im Heizungskeller

    Und dabei muss man gar nicht die Chrupallas dieser Republik bemühen, es reicht ein Einkauf im nächstgelegenen Supermarkt. Selbst der oberste Wähler-, Alpaka- oder Sonstwie-Flüsterer Olaf Scholz ließ sich diese Woche zu der Bemerkung hinreißen, die sogenannten Aktionen der sogenannten Aktivisten der „Letzten Generation“ seien „bekloppt“ – was diese unmittelbar mit dem Beschmieren der Berliner Parteizentrale der SPD quittierten. Und das am 160. Geburtstag jener Partei, Happy Birthday, nimm das! 

    Nein, da gibt es wohl nix zu verkleistern, und mehr als um die „Letzte Generation“ müssen sich Scholz, Habeck eher um das aktuelle Regierungsbündnis kümmern, wo der Tonfall nichts mehr mit dem ursprünglich verkündeten anderen Politikstil zu tun hat. Vom Ende des „Appeasements“ sprach Wolfgang Kubicki (FDP) schon vor Monaten, und man fragt sich, ob es sich noch um eine Koalition oder eher um Kriegsparteien handelt. Die Gegenfrage aus dem ZDF-Hauptstadtstudio würde wohl lauten: „Kann man das heilen?“, aber dessen ungeachtet verkeilen sich die Koalitionäre derzeit im Heizungskeller. Und verunsichern mit dieser Kakofonie und Sprachverwirrung seit Wochen zuverlässig einen Großteil der Bevölkerung, die somit gar keine BILD-Zeitung mehr braucht, um Angst um der Oma ihr klein Häuschen (oder das eigene) zu haben. 

    Noch einmal, Fehler, die die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes ohne Zweifel hat, kann und muss man gemeinsam korrigieren. Wundsalbe oder gar das Gegengift einer Fundamentalopposition in der Koalition helfen hingegen nicht weiter, man muss dazu gar nicht Paracelsus bemühen. 

    Die Misere steht nur pars pro toto für den Gesamtzustand des Gemeinwesens

    Aber die ganze Misere steht ja, wie gesagt, nur pars pro toto irgendwie für den Gesamtzustand dieses Gemeinwesens, und dieses Gemeinwesen, von dem mittlerweile keiner mehr so recht sagen kann, was es ist, ausmacht, wollen nun auch die Unionsparteien stärken. Und es ist ein bisschen wie in der berühmten Sparkassen-Werbung: Wenn die Verzweiflung groß ist und einem gar nix mehr einfällt, machen wir halt das mit den Fähnchen. Kein Witz: In einem diese Woche im Parlament eingebrachten „Bundesprogramm Patriotismus“ plädieren CDU und CSU unter anderem für „die ganzjährige Sichtbarkeit nationaler Symbole – insbesondere der Bundesflagge – im öffentlichen Raum“. Als ob das irgendeiner Laubenpieper-Kolonie verboten wäre. Auch die Nationalhymne solle öfter und nicht nur bei Fußballspielen der DFB-Elf gesungen werden. Wir erinnern uns an Sarah Connor und „Brüh im Lichte“, haben aber auch darüber hinaus starke Zweifel, dass so etwas der dringend nötigen Verständigung dient. Oder gar etwas „heilen“ kann. 

    Herr, lass Pfingsten werden.

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