Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten
Gesellschaft
Icon Pfeil nach unten

Zeitzeichen: "Avatar" im Kino: Kleben sich die Klimaaktivisten jetzt an Leinwände?

Zeitzeichen

"Avatar" im Kino: Kleben sich die Klimaaktivisten jetzt an Leinwände?

    • |
    James Cameron begann 2017 mit der Produktion der "Avatar"-Filme.
    James Cameron begann 2017 mit der Produktion der "Avatar"-Filme. Foto: epa/dpa

    Ob es irgendwo da draußen in den unendlichen Weiten des Alls nicht vielleicht Leben gibt, das sich als intelligent erachtet, dabei aber so restlos dämlich ist, dass es als komplett lächerlich schiene, wäre sein Fall nicht doch auch so ernst?

    Solange das nicht gefunden ist, gelte jedenfalls der Spruch von Michael Braungart, Mitbegründer der Kreislaufwirtschaft auf dem Planeten Erde, nach dem der Mensch „die dümmste Spezies“ ist. Weil wir nämlich Massen an Müll erzeugen, mit dem nichts in der Natur etwas anfangen kann, und weil wir unsere Lebensgrundlagen ausplündern und vergiften. Dabei ist das ja noch längst nicht alles.

    Erste "Avatar"-Film spielt rund drei Milliarden Dollar ein

    Denn diese Spezies ist ja auch eine, die mit immer weiter fortschreitender Hingabe einen Fetisch pflegt: Bilder hervorzubringen und anzuschauen, wenn sich diese zu Geschichten fügen, nennt man sie Filme, mitunter zerstreuend zur Unterhaltung und/oder fokussierend zur Daseinsbespiegelung eingesetzt. Und welche Filme schauen sich die Menschen da am liebsten an? 

    Als umsatzstärkster aller Zeiten galt da bis vor kurzem noch ein fortgesetztes Heldenspektakel, in dessen Grunderzählung der vermeintliche Bösewicht einer ist, der (selbst eher seufzend) aus rein rationaler Notwenigkeit heraus die Hälfte der Spezies auslöscht, weil sie einfach viel zu viel für den Planeten geworden ist: das „Endgame“ von Marvels „Avengers“ in Folge eines „Infinity War“.

    Abgelöst wurde der verfilmte Comic ums Existenz-Finale durch eine bereits ältere Bildgeschichte namens „Avatar“, durch die nachträgliche Neuveröffentlichung im klimaschädlichsten Land der Erde namens China auf ein Einspielergebnis von rund drei Milliarden Dollar gestiegen. Gleichzeitig vorbereitend auf dessen Fortsetzung, die nun am kommenden Mittwoch weltweit in die Filmtheater kommt, „Avatar: The Way of Water“. 

    Die Menschen erzählen sich darin von einer Spezies, die in völliger Harmonie mit Mutter Natur und ihren Geschöpfen lebt. Die heißen Na’vi, wirken wie blauhäutige Verwandte von Homo sapiens sapiens – tatsächlich können sich die Menschen im Film je einzeln auch (als Avatar) in den Körper eines solchen Wesens versetzen und sollen sich durch den Film womöglich erinnern, dass auch ihre Spezies einmal so Teil der Natur war.

    Kleben sich Klimaaktivisten bald an Kinoleinwänden fest?

    In der Gegenwart der Bildgeschichte aber sind die Menschen die (nicht in Na’vi verwandelten, kollektiven) Bösen, die die Umwelt zur Gewinnung von Rohstoffen ausplündern, damit vergiften und zerstören (siehe Braungart). Und weil der Erfolg der Bildergeschichte zwischen Unterhaltung und Daseinsbespiegelung nachhaltig zu sein verspricht, sind im zweijährigen Rhythmus bis 2028 bereits drei weitere Fortsetzungen terminiert, jeweils kurz vor Weihnachten, wenn die Menschen für moralische Märchen und messianische Weltrettungsgeschichten besonders empfänglich sind. So glotzt Homo sapiens sapiens dann massenhaft innerlich berührt also auf Leinwände, auf denen ihnen Bilder vorführen, wie dämlich sich die Spezies von außen betrachtet aufführt.

    Man könnte das ja Aufklärung nennen, wenn andererseits wissenschaftliche Alarmbotschaften genauso ernst genommen und ankommen würden wie etwa jene im aktuellen Buch „3 Grad mehr“ (Oekom Verlag), dass das, worauf diese Spezies gerade ganz, ganz wirklich zusteuert, ein tatsächlicher Kollaps, ein wirklich werdendes Horrorszenario ist, das zu vermeiden es dringenden drastischen Umsteuerns bedarf. Damit Homo sapiens dereinst nicht völlig beschämt auch seinen Kindern und Kindeskindern gegenübersteht auf deren fassungsloses „Warum?“.

    Und vielleicht kleben sich ja ab Mittwoch schon Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ an Kinoleinwänden fest. „Avatar“ wäre jedenfalls nicht nur zur Erlangung öffentlicher Aufmerksamkeit populärkulturell genug, sondern sie wären damit auch mal voll im Thema – und dürften sich von der ihrem Anliegen der Weltrettung gegenüber doch wirklich gerne altväterlich verständig und altmütterlich unterstützend wirkenden Gesellschaft ein bisschen weniger getadelt, ein bisschen akzeptierter wieder fühlen.

    Körper stilllegen und ab ins Metaverse?

    Und dann wäre es von „Avengers“- und „Avatar“-Märchen zur Echt-Welt-Lösung vielleicht doch nur noch ein Schritt. Der nämlich, dass die Hälfte der Menschheit im „Endgame“, also künftig eben in Na’vi-Avataren existieren, Geist und Leben ins programmierte, aber mit VR-Brille und Sensor-Anzügen in den Sinneseindrücken nicht mehr (also gar nicht mehr?) zu unterscheidende Metaverse verlegt, den wirklichen Körper ressourcensparend stillgelegt. Es fänden sich womöglich genug Freiwillige für dieses Dasein demnächst in den Kinos, wenn ihnen die Zukunft in der wirklichen Welt nur nüchtern genug dagegengestellt wird. 

    Und dann wäre die Menschheit doch gar nicht so dämlich, oder? Sie hätte sich einfach nur durch vermeintlich zerstreuende Unterhaltung auf ihre erste Exit-Option fokussiert. Und die verbleibenden wachen Menschen könnten in Ruhe an der zweiten arbeiten: Auf ins All! Fragt sich nur noch, ob dann Platz drei oder vier der ewigen Kinobestenliste wirksam wird: „Titanic“ oder „Star Wars: Das Erwachen der Macht“?

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden