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Wissenschaft : Was für eine Affenbande: Vom wilden Toben zur Teamarbeit

Wissenschaft

Was für eine Affenbande: Vom wilden Toben zur Teamarbeit

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    Komm spiel mit mir: Schimpansen sind dazu auch im Erwachsenenalter noch gerne bereit.
    Komm spiel mit mir: Schimpansen sind dazu auch im Erwachsenenalter noch gerne bereit. Foto: Peter Endig, dpa

    „Mein Mann ist ein großes Kind.“ Was mitunter als Stoßseufzer einer Ehefrau vorgetragen wird, kennzeichnet eine typisch menschliche Eigenart: soziales Spiel bei Erwachsenen. Auch unter Schimpansen gebe es Exemplare, die ihr ganzes Leben lang gern und häufig mit anderen spielten, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal Current Biology. Das passiere insbesondere vor Handlungen, die kollektive Zusammenarbeit erfordern.

    Mit anderen zu spielen, schafft Toleranz und Zusammenhalt, erläutern die Forschenden um Liran Samuni vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ), Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen. Die Bereitschaft zur Kooperation werde erhöht, etwa bei komplexen, riskanten Aktivitäten. Samunis Team bezog drei im Taï-Nationalpark im Südwesten der Elfenbeinküste lebende Gruppen von Schimpansen (Pan troglodytes) in die Untersuchung ein. Erwachsene Männchen und Weibchen spielten dort regelmäßig miteinander, mit Aktionen wie Ringen, Scheinbeißen, Schlagen, Ziehen und Jagen.

    Dabei zogen sie ein sogenanntes Spielgesicht: ein weit geöffnetes Maul, bei dem aber nicht drohend die Zähne gezeigt werden und die Gesamtmimik entspannt bleibt. Es signalisiert dem Gegenüber, dass alles Rangeln und Ärgern gerade als Spaß zu verstehen ist. Zudem gaben sie hechelnde Laute von sich, was die Forschenden mit dem menschlichen Lachen vergleichen.

    Spiel kann ein Mittel zur Spannungsabnahme und Konfliktlösung sein

    Derlei soziales Spiel sei unter erwachsenen Tieren nicht alltäglich gewesen, aber unter bestimmten Bedingungen immer wieder aufgetreten. Es zeigte sich, dass erwachsene Schimpansen unter anderem verstärkt spielten, bevor sie an Gruppenaktivitäten wie Affenjagd oder Territorialverteidigung teilnehmen. Tiere, die zuvor gemeinsam spielten, arbeiteten bei solchen Unternehmungen eher zusammen, berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Spiel signalisiert demnach kooperative Motivation und kann die kollektive Zusammenarbeit fördern. Zudem könnte Spiel den Beobachtungen zufolge ein Mittel zur Spannungsabnahme und Konfliktlösung sein – wildes Toben zum Druckabbau.

    Das Leben in sozialen Gruppen habe eben seine Vorteile, aber auch einen Preis, heißt es in Current Biology. Soziale Interaktionen seien in einer Gruppe komplex zu steuern. „Zum Beispiel sind die Individuen, mit denen man heute um Nahrung oder Partner konkurriert, oft die Kooperationspartner von morgen, wenn man ein gemeinsames Ziel verfolgt.“ Das soziale Spiel biete den Schimpansen ähnlich wie die gegenseitige Fellpflege einen Weg, in diesem Wechselbad der Gefühle den sozialen Zusammenhalt zu bewahren und Versöhnungen zu erleichtern.

    Vor allem durch statusversessene Männchen gibt es viel Aggression

    Konflikte sind bei Schimpansen nicht selten – generell gibt es viel Aggression, vor allem durch statusversessene Männchen. Schimpansen seien sich selbst ihre ärgsten Feinde, Drohungen und Gewalt innerhalb der Gruppen alltäglich, erläutert der Biologe Carl Safina in seinem Buch „Die Kultur der wilden Tiere“. Beobachtungen von Schimpansen seien oft unangenehm, weil sie so sehr an menschliches Verhalten erinnerten. In ihrer Studie geben die Forschenden um Samuni zu bedenken, dass sich das Verhalten der Taï-Schimpansen, die für ihren besonders starken Gruppenzusammenhalt bekannt seien, nicht zwingend bei anderen Beständen finden müsse. Unterschiedliche Populationen der Tiere zeigten oft einzigartige Strategien und Verhaltensweisen, ihre ganz eigene Kultur also.

    Wie Menschen lassen sich auch Affen durch Vorbilder motivieren

    Eine aktuell in PLOS ONE vorgestellte Analyse ergab wiederum, dass Schimpansen sich ähnlich wie Menschen durch Vorbilder motivieren lassen. Sie sind eher bereit, sich gegenseitig zu putzen oder miteinander zu spielen, wenn sie sehen, dass andere das schon tun, berichten Wissenschaftler um Georgia Sandars von der britischen Durham University (Großbritannien).

    Sie hatten das Verhalten von 41 Schimpansen in einer Auffangstation in Sambia beobachtet. Schimpansen aller Altersgruppen, Ränge und Geschlechter ließen sich demnach von Pflege- oder Spielverhalten anstecken. Derlei Verhaltensansteckung trage wahrscheinlich dazu bei, die sozialen Bindungen innerhalb der Gruppe zu stärken, vermuten die Forschenden.

    Ähnlichkeiten zu menschlichem Verhalten gibt es indes nicht nur bei Schimpansen. So zeigt eine weitere aktuell publizierte Studie der Durham University, dass soziale Bindungen Kapuzineraffen beim Erlernen neuer Fertigkeiten helfen. Das Forschungsteam um Rachel Kendal vom Fachbereich Anthropologie hatte zwei Gruppen wild lebender Rückenstreifen-Kapuziner (Sapajus libidinosus) im brasilianischen Nationalpark Serra da Capivara beobachtet.

    In dem Park wurde dafür eine große Kiste mit Futter installiert, das die Affen entweder durch Anheben einer Tür oder durch Ziehen eines Knopfes erreichen konnten. Die Affen lernten hauptsächlich durch direkte Beobachtung von anderen, wie das Team in den Proceedings der US-nationalen Akademie der Wissenschaften („PNAS“) berichtet.

    Dabei war bei starker sozialer Toleranz – zum Beispiel bei der Körperpflege oder beim gemeinsamen Fressen – die Wahrscheinlichkeit für gegenseitiges Lernen höher. Dieser Zusammenhang zwischen sozialer Toleranz und sozialem Lernen könne womöglich die evolutionären Kräfte klären helfen, die an den kulturellen Fähigkeiten von Primaten einschließlich des Menschen be-teiligt sind, so Kendal.

    Auch Werkzeugtricks geben Schimpansen weiter

    Auch Tiere werden nicht allein durch ihre Gene zu dem, was sie sind. Sie lernen Gebräuche und entwickeln unter dem Einfluss ihrer Umwelt Eigenarten – auch sie haben also eine Kultur. Sie wird durch soziales Lernen von Tier zu Tier weitergegeben. Schimpansen haben Experten zufolge eine ausgefeiltere Kultur als jeder andere nichtmenschliche Primat.

    Die Primatenforscherin Jane Goodall beschrieb schon 1964, wie Schimpansen in Tansania mit einem Stock Termiten aus einem Erdhügel fischten – und belegte damit, dass der Gebrauch von Werkzeugen keine exklusiv menschliche Fähigkeit ist. Seit Jahren mehren sich die Belege dafür, dass auch die Weitergabe solcher kulturellen Praktiken nicht dem Menschen vorbehalten ist.

    Eine großangelegte Studie dazu wurde aktuell im Fachmagazin Science veröffentlicht. Ein Team um Cassandra Gunasekaram von der Universität Zürich hatte aktuelle genetische Daten zur Schimpansenwanderung mit kulturellen Aufzeichnungen kombiniert. Genutzt wurden dabei Daten des Pan African Programms, bei dem Forschende seit 2010 an dutzenden Standorten in afrikanischen Ländern Schimpansen-Populationen beobachten.

    Das Team konzentrierte sich auf die Übertragung von 15 unterschiedlichen Nahrungssuchverhaltensweisen zwischen 35 Populationen der vier Schimpansenunterarten. Komplexe Nahrungssuchverhaltensweisen sind demnach stärker mit jüngsten genetischen Migrationsmarkern verbunden – das würde bedeuten, dass derartige Verhaltensweisen und damit auch das Wissen darüber wahrscheinlich nur dann entstand, wenn Gruppen miteinander verbunden waren oder sich mischten.

    Die kulturelle Komplexität bei Schimpansen spiegele frühe menschliche Muster der kulturellen Evolution wider, so die Forschenden. Sie ermögliche Einblicke in die Entwicklung sogenannter kumulativer Kultur bei frühen Homininen. Dabei gehen komplexe sozial erlernte Verhaltensweisen, Technologien oder Wissen darauf zurück, dass sie auf früheren weitergegeben Innovationen aufbauen. Sie werden über Generationen hinweg angesammelt, verbessert und weitergegeben. Ein Beispiel dafür ist die Schrift.

    Bei Schimpansen – den nächsten Verwandten des Menschen – gebe es zwar eine Vielzahl kultureller Verhaltensweisen wie die Verwendung von Futtersuchwerkzeugen, die beim Menschen zu findende Tiefe der kumulativen Kultur fehle aber. Vermutlich sei das auf die hochmobilen Nahrungssuchpraktiken unserer Vorfahren zurückzuführen, die wahrscheinlich breitere soziale Netzwerke förderten und den Austausch und die Bewahrung vielfältigen kulturellen Wissens ermöglichten, erläutert das Team um Gunasekaram. „Diese verstärkte Vernetzung unserer Vorfahren förderte wahrscheinlich kooperatives Verhalten, Lehren und gemeinsames Lernen und brachte die Menschheit auf einen besonderen Weg der kulturellen Koevolution.“ Einfachere kulturelle Verhaltensweisen hingegen, wie sie bei Schimpansen typisch sind, seien im Laufe der Evolution wahrscheinlich unabhängig voneinander in verschiedenen Regionen entstanden. (Annett Stein, dpa)

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