Sonnenlicht wirkt bei Männern offenbar appetitanregend. Einer aktuellen Studie zufolge ist dafür ein Hormon verantwortlich, das im Fettgewebe der Haut ausgeschüttet wird. Bei Frauen behindere das Sexualhormon Östrogen diese Ausschüttung, berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachblatt Nature Metabolism.
Auf den ersten Blick klingt es nach dem selbstverständlichsten Vorgang der Welt: Wir haben Hunger, wir essen etwas, wir sind satt. Allerdings ist die Frage, wie Hunger im Körper genau entsteht, wissenschaftlich noch längst nicht hinreichend beantwortet. Klar ist, dass die zugrunde liegenden physiologischen Vorgänge weit über einen leeren Magen hinausgehen.
300 Kilokalorien mehr im Winter: Jahreszeit und Geschlecht beeinflussen Hunger
Vielmehr liegt die Steuerungszentrale für Hunger und Sättigung im Gehirn und hier genauer im Hypothalamus, der jeweils entsprechende Hormone ausschüttet. Verschiedene Hunger- und Sättigungshormone werden auch in Magen und Fettgewebe produziert.
Darüber hinaus haben genetische Faktoren einen Einfluss darauf, wie viel Hunger ein Mensch hat. Hinzu kommen Essgewohnheiten, Portionsgrößen oder der Geschmack eines Nahrungsmittels – und nun, zumindest für das männliche Geschlecht, offenbar auch Sonnenlicht.
Bei der Auswertung epidemiologischer Daten von etwa 3000 Personen in Israel aus einem Zeitraum von drei Jahren, stellte ein Team um Carmit Levy von der Tel Aviv University eine signifikante Wechselwirkung zwischen Geschlecht und Jahreszeit fest.
Demnach aßen Männer im Sommer, wenn die Sonneneinstrahlung am höchsten war, mehr. Konkret nahmen sie zwischen März und September im Durchschnitt täglich 300 Kilokalorien mehr zu sich als in den Wintermonaten. Bei Frauen blieb die Kalorienaufnahme hingegen über das Jahr verteilt nahezu gleich.
"Hungerhormon" steigt bei Männern in der Sonne an
Die Forschenden bekräftigten den gefundenen Zusammenhang über Experimente mit Freiwilligen, die sich in der Sonne aufhielten: Männer fühlten sich nach Sonneneinstrahlung deutlich hungriger, während Frauen von keinem verstärkten Appetit berichteten. Die Analyse von Blutproben zeigte zudem, dass Männer mehr Veränderungen bei Proteinen aufwiesen, die mit dem Fettstoffwechsel in Verbindung stehen. Darüber hinaus waren die Werte des sogenannten „Hungerhormons“ Ghrelin bei den Studienteilnehmern erhöht.
Die folgenden Untersuchungen mit Mäusen stützten diese Daten nicht nur, sondern deckten auch einen neuen Mechanismus auf, der den Effekt erklären könnte. So führte eine zehnwöchige tägliche UV-B-Bestrahlung dazu, dass die männlichen Nager mehr fraßen und auch stärker motiviert waren, nach Nahrung zu suchen. Bei den Tieren wurde ein Ghrelin-Anstieg nachgewiesen. Üblicherweise wird dieses Hormon – auch beim Menschen – hauptsächlich im Magen produziert.
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber beobachteten, stimulierte die Lichtbestrahlung bei den männlichen Mäusen die Ghrelin-Freisetzung in den Fettzellen (Adipozyten) der Haut. Bei den weiblichen Mäusen war dieser Effekt abgeschwächt, da das Geschlechtshormon Östrogen die Ghrelin-Freisetzung in den Adipozyten behinderte.
In einem weiteren Versuchsaufbau zeigte sich nach einer fünftägigen UV-B-Bestrahlung männlicher menschlicher Hautproben ebenfalls eine erhöhte Ghrelin-Expression. Wie die Autorinnen und Autoren der Studie schreiben, ist Ghrelin nur ein Faktor von mehreren, der im Zusammenspiel von Sonnenlicht und Hunger eine Rolle spielt. Weitere Untersuchungen seien nötig.
Forschende: Lichttherapie kann bei Appetitlosigkeit helfen
Nichtsdestotrotz lege ihre Arbeit nahe, dass die Anregung der Ghrelinproduktion bei Appetitlosigkeit helfe: So könnten etwa Patienten, die sich einer Chemotherapie unterziehen müssten, von einer ergänzenden Lichttherapie profitieren. „Verschiedene Fettdepots schütten unterschiedliche Hormone und andere Stoffe aus, die in der Lage sind, das Essverhalten zu regulieren, aber über die metabolische Wirkung des Hautfettgewebes ist viel weniger bekannt“, schreiben die beiden spanischen Ernährungsmediziner Carlos Dieguez und Ruben Nogueiras in einem Kommentar zu der Studie.
Künftige Forschungsarbeiten sollten auch den Einfluss von Faktoren wie Alter oder ethnische Zugehörigkeit untersuchen. Insgesamt, so betonen Dieguez und Nogueiras, werde die aktuelle Studie aus Israel „sicherlich den Weg für weitere Studien über die Rolle der Haut bei der Energie- und Stoffwechselhomöostase ebnen, ein Bereich, der bislang weitgehend übersehen wurde.“ (dpa)