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Wissenschaft: Geklonte Tiere: Wie ausgestorbene Arten zurückgeholt werden

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Geklonte Tiere: Wie ausgestorbene Arten zurückgeholt werden

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    Ein männlicher Pyrenäen-Steinbock, fotografiert im Jahr 1981. Seit dem Schaf "Dolly" hat sich das Klonen etabliert.
    Ein männlicher Pyrenäen-Steinbock, fotografiert im Jahr 1981. Seit dem Schaf "Dolly" hat sich das Klonen etabliert. Foto: B. Clos/Parc national des Pyrénées, dpa

    Im Jahr 2000 setzte ein umstürzender Baum dem Pyrenäensteinbock ein jähes Ende. Über tausende von Jahren hatte die Unterart des Iberiensteinbocks in den Bergen zwischen Frankreich, Andorra und Spanien gelebt, bis Krankheiten, eine geringe genetische Vielfalt und die intensive Bejagung durch den Menschen die Bestände drastisch reduzierten. Bei einer Zählung 1989 wurden gerade noch ein Dutzend Tiere gefunden, ein Jahrzehnt später war das in einem Nationalpark im Maladeta-Massiv lebende Weibchen „Celia“ die letzte Vertreterin ihrer Art. 

    Umso dramatischer war die Entdeckung, die Wildhüter einige Monate später machten: Celia lag erschlagen unter einem umgefallenen Baum. Damit war der Pyrenäensteinbock, auch Bucardo genannt, ausgestorben – zumindest für kurze Zeit. Denn drei Jahre später – also vor genau 20 Jahren – ließen spanische Forschende die Unterart wiederauferstehen. Der Trick dabei: Die Forschenden hatten „Celia“ vor ihrem Tod Gewebeproben entnommen und eingefroren. Damit waren sie in der Lage, das Tier zu klonen. Das daraus entstandene Kitz überlebte nur wenige Minuten, die Unterart starb also direkt wieder aus.

    Gewebeproben von gefährdeten Tiere könnten künftig nützlich sein

    Dennoch hoffen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass das Klonen helfen kann, den Artenschwund zu stoppen. Entsprechende Versuche werden aber kontrovers diskutiert. In anderen Bereichen hingegen sind Klone bereits gängig. Die spanischen Forschenden hatten aus den eingefrorenen Körperzellen von „Celia“ die Zellkerne isoliert, die das Erbmaterial des Tieres enthalten – eine Methode, die bereits 1996 beim Klonschaf „Dolly“ zum Einsatz kam. 

    Die Kerne wurden dann in entleerte Eizellen von Hausziegen eingebracht. Im Verlauf von 57 Versuchen wurden sieben Tiere trächtig. Bei sechs endete das Experiment mit einer Fehlgeburt. Die siebte Leihmutter trug den Klon aus: Am 30. Juli 2003 wurde das Kitz per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht. „Die Kern-DNA bestätigte, dass der Klon genetisch mit den Spenderzellen des Bucardos identisch war“, schrieben die Wissenschaftler. „Unseres Wissens ist dies das erste Tier, das von einer ausgestorbenen Unterart abstammt.“ 

    Der Erfolg währte nur kurz. Der neugeborene Bucardo sah zwar gesund aus, hatte aber Schwierigkeiten beim Atmen und starb innerhalb von zehn Minuten an Lungenversagen. Damit war der Pyrenäensteinbock ein zweites Mal ausgestorben. Für einen erneuten Versuch fehlte der Forschungsgruppe das Geld. Zehn Jahre später erklärte Fernández-Arias, dass es nun zumindest Mittel gebe, um zu überprüfen, ob die noch eingefrorenen Zellproben von "Celia" für ein weiteres Experiment geeignet wären – doch seither gab es von dem Projekt keine Neuigkeiten.

    Schaf Dolly war das erste geklonte Säugetier.
    Schaf Dolly war das erste geklonte Säugetier. Foto: dpa

    Schon früh hatten die Autoren selbst die Eignung ihrer Methode als Mittel gegen den Artenschwund infrage gestellt. „Derzeit kann davon ausgegangen werden, dass das Klonen kein sehr effektiver Weg ist, um gefährdete Arten zu erhalten, da der Umgang mit dem experimentellen Wildtier sehr kompliziert ist und das Wissen über die zellulären Mechanismen, die mit der Technik verbunden sind, sowie über die Fortpflanzungsmerkmale der Tiere unzureichend ist.“ Bei Arten wie dem Bucardo sei das Klonen jedoch die einzige Möglichkeit, sein Verschwinden zu verhindern. Entsprechend ermutigten die Forschenden dazu, Gewebeproben aller gefährdeten Tiere aufzubewahren, da sie für künftige klonbasierte Erhaltungsprogramme nützlich sein könnten. 

    Auch in Deutschland werden genetisch veränderte Schweine geklont

    Tatsächlich inspirierte das Experiment Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Sie machten sich Gedanken darüber, welche Arten sie mithilfe des Klonens vor dem Aussterben bewahren, und welche Arten sie wieder zurück auf den Planeten bringen könnten. Darunter sind auch solche, die es seit Jahrtausenden nicht mehr gibt, etwa das Mammut, an dessen Wiederauferstehung der Molekularbiologe George Church von der Harvard Universität arbeitet. 

    Church will Zellen des Asiatischen Elefanten mit Mammut-Genen kombinieren, die aus Gewebeproben von Überresten des Urzeitgiganten stammen. Die DNA in jenen Überresten reicht Church zufolge nicht aus, um einen Mammut-Klon zu erschaffen. Mithilfe der Genschere Crispr-Cas9 könne die DNA aber in das Erbgut der heutigen Dickhäuter eingefügt werden. Das Ergebnis wäre keine exakte Mammut-Kopie, sondern wahrscheinlich ein kälteresistenter behaarter Elefant. 2027 soll das erste Hybrid-Kalb geboren werden. Zusammen mit der australischen Universität Melbourne soll auch der 1936 ausgestorbene Tasmanische Tiger wieder zum Leben erweckt werden. 

    Klon-Geschwister mit identischem Erbgut: Die in China geklonten Affen wurden mit einem absichtlich hervorgerufene Gendefekt "ausgestattet".
    Klon-Geschwister mit identischem Erbgut: Die in China geklonten Affen wurden mit einem absichtlich hervorgerufene Gendefekt "ausgestattet". Foto: Institut für Neurowissenschaften der chinesischen Akademie der Wissenschaften/Xinhua, dpa

    Vorhaben wie diese stoßen aber auch auf Kritik: Einige Wissenschaftler sprechen von unabsehbaren Folgen für die Ökosysteme. Andere fürchten, dass die Gelder für andere Schutzmaßnahmen fehlen könnten. Viele Tierschützer lehnen das Klonen ab, unter anderem, weil bei jedem Klonvorgang Embryonen sterben und viele Klone unter Missbildungen leiden. Besonders kritisiert werden Klone für die medizinische Forschung. 

    In mehreren Ländern, darunter Deutschland, werden genetisch veränderte Schweine geklont, die – derzeit noch im experimentellen Rahmen – als Organspender dienen sollen, aber auch als Versuchstiere für die Pharmaindustrie. 2018 berichteten chinesische Wissenschaftler im Journal Cell, zwei Javaneraffen geklont zu haben. Die Primaten werden für Medikamententests genutzt – bei identischem Erbgut entfällt ein Unsicherheitsfaktor dieser Tests. 

    In der Rinderzucht ist das Klonen seit langem von kommerzieller Bedeutung

    Eine andere Motivation steht beim Klonen von Kamelen in Dubai im Vordergrund: Hier werden Duplikate von Tieren erzeugt, die besonders viel Milch geben oder bei Rennen und Schönheitswettbewerben erfolgreich waren – eine Praxis, die auch im Pferdereitsport angewandt wird. Gerade Hochleistungspferde für das Springreiten oder Polo werden seit fast 20 Jahren geklont, nachdem einer italienischen Forschungsgruppe 2003 die erste genetische Kopie eines Pferdes geglückt war.

    Darüber hinaus ist das Klonen seit langem in der Rinderzucht von kommerzieller Bedeutung. In Amerika sowie in Japan, China und Südkorea haben sich Unternehmen auf das Klonen von Zuchtbullen mit hoher Spermaproduktion und von Kühen, die besonders viel Milch produzieren, spezialisiert. Daneben befinden sich geklonte Schweine, Ziegen und Schafe im Angebot solcher Firmen. 

    Im Jahr 2015 machte das chinesische Unternehmen Boyalife mit der Ankündigung Schlagzeilen, in der Hafenstadt Tianjin eine Klon-Fabrik errichten zu wollen. Dort sollten bis zu einer Million Rinder erzeugt werden, um den wachsenden Fleischhunger des Landes zu stillen. Wie weit diese Pläne fortgeschritten sind, ist nicht bekannt: Neben Presseberichten zu den Plänen finden sich diese bislang nur als Ankündigung auf der Boyalife-Website. 

    Eine südkoreanische Firma bietet das Klonen von Haustieren an

    Bemerkenswerterweise ist an dem Projekt auch das südkoreanische Unternehmen Sooam Biotech Research Foundation beteiligt, dessen Gründer Hwang Woo-suk einen der größten Betrugsskandale der jüngeren Wissenschaftsgeschichte verursachte: Der Tiermediziner und sein Team hatten eine Studie im Fachblatt Science veröffentlicht, der zufolge sie menschliche Stammzellen aus geklonten Embryonen gewonnen hätten. In einer zweiten Arbeit berichteten sie vom Klonen maßgeschneiderter Stammzellen für Patienten mit unheilbaren Krankheiten. Beide Durchbrüche erwiesen sich als Fälschungen. 

    Lediglich der von Hwang geschaffene Klonhund „Snuppy“, über den das Team 2005 im Fachjournal Nature berichtete, hielt der wissenschaftlichen Prüfung stand. Und tatsächlich ist Hwang dem Klonen von Hunden treu geblieben – und damit einem weiteren Wachstumsmarkt, der sich auch in Haustier-Klon-Fabriken in den USA und China niederschlägt. Hwangs Unternehmen bietet unter dem Titel „Not You But You“ („Nicht Du, aber Du“) das Klonen von Hunden an, wobei auf der Internetseite nicht nur von Haustieren, sondern auch von Arbeitshunden die Rede ist, etwa von Spürhunden für den Polizeidienst. 

    Ebenso werden hier Tipps für ein erfolgreiches Prozedere gegeben: Am besten sollten dem Tier noch zu Lebzeiten Gewebeproben entnommen werden, Biopsie-Anweisungen stehen direkt zum Herunterladen zur Verfügung. Für den Fall, dass der Vierbeiner bereits verstorben ist, gelte es, schnell zu handeln. Man solle den Kadaver in nasse Tücher wickeln und in einen Kühlschrank, nicht aber einen Gefrierschrank legen. Insgesamt betrage das Zeitfenster dafür maximal fünf Tage. Bei Erfolg dauere es dann nicht lange, bis der Klon geschaffen werde, so die Website: „Sie können sich darauf verlassen, dass Sie innerhalb von fünf Monaten wieder mit Ihrem geliebten Begleiter vereint sind.“

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