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Wissen: E-Autos werden boomen – aber woher kommen die Rohstoffe?

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E-Autos werden boomen – aber woher kommen die Rohstoffe?

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    Ein Symbol markiert einen Parkplatz für Elektroautos an Ladesäulen für E-Auto an einem Rastplatz.
    Ein Symbol markiert einen Parkplatz für Elektroautos an Ladesäulen für E-Auto an einem Rastplatz. Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Der Umstieg auf E-Autos gibt vielen Menschen erst mal ein gutes Gefühl. Autofans sind begeistert von der raschen Beschleunigung, Klimaschützer vom geringen Kohlendioxid-Ausstoß. Beide Gruppen loben die vergleichsweise geringe Anfälligkeit für Reparaturen, denn im E-Motor bewegen sich weniger Teile, die verschleißen können. Und E-Bloomberg-Report vom November, der Plug-in-Hybridautos mit einbezieht.

    Im ersten Halbjahr 2021 hatten demnach 7,2 Prozent der weltweit verkauften Neuwagen einen elektrischen Antrieb. Tendenz steigend. Nicht nur Bloomberg macht eine einfache Rechnung auf: Sollte der Transportsektor bis 2050 klimaneutral sein, so dürften Autos, die Benzin und Diesel nutzen, schon allein aufgrund ihrer Lebensdauer nur noch bis 2035 verkauft werden. Dabei sind auch E-Autos zwar keinesfalls klimaneutral, im Schnitt aber klimafreundlicher als Verbrenner-Autos. Und die Entwicklung der E-Autos steht erst am Anfang.

    Die Lebensdauer von Batterien muss laut eines Berichtes der Internationalen Energieagentur stark steigen, damit die weltweiten Klimazielen eingehalten werden können.
    Die Lebensdauer von Batterien muss laut eines Berichtes der Internationalen Energieagentur stark steigen, damit die weltweiten Klimazielen eingehalten werden können. Foto: Andrea Warnecke, dpa (Symbolbild)

    E-Auto-Boom: Ein wichtiger Rohstoff kommt aus Australien

    Allein die Kathode einer Batterie für einen üblichen Mittelklassewagen enthält jeweils mehrere Kilogramm Mangan, Lithium, Kobalt und Nickel. Hinzu kommt Graphit für die Anode. „Derzeit zeigen die Daten ein drohendes Missverhältnis zwischen den verstärkten Klimaschutz-Ambitionen der Welt und der Verfügbarkeit wichtiger Mineralien, die für deren Verwirklichung unerlässlich sind“, sagt der Direktor der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, anlässlich der Vorstellung eines Berichtes über Mineralien und alternative Energien allgemein. Damit die Welt die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele einhalten kann, muss demnach bis 2040 die gesamte Energiespeicherkapazität in Form von

    Dabei liegen viele derzeit geförderte Rohstoffe geografisch gesehen laut IEA noch konzentrierter vor als Erdöl: Kobalt stammt derzeit zu rund 70 Prozent aus dem Kongo. Der Großteil des Lithiums kommt aus Australien (52 Prozent), Chile (22 Prozent) und China (13 Prozent). Rund die Hälfte der Nickel-produktion kommt aus Indonesien, Russland und den Philippinen. Eine noch viel stärkere Konzentration, und zwar auf ein einzelnes Land, gibt es laut IEA beim Veredeln der

    Hinzu kommen mögliche schädliche Auswirkungen auf die Umwelt. Lithium stammt zwar vor allem aus dem Erzbergbau in Australien, aber auch aus Salzwüsten in Südamerika. In Chile wird salziges Wasser hochgepumpt und verdunstet. Wie stark es durch den Eingriff zu Trinkwassermangel kommt, ist umstritten. „Bolivien ist derzeit noch in der Pilotphase der Lithiumproduktion, verfügt aber nach aktuellem Stand mit geschätzten 21 Millionen Tonnen über die weltweit größten Reserven“, heißt es in der Studie „Weniger Autos, mehr globale Gerechtigkeit“ von PowerShift und anderen Entwicklungsorganisationen.

    Auch Deutschland verfügt über etwas Lithium

    Auch Deutschland hat etwas Lithium: Eine Anlage entsteht in Bruchsal im Oberrheingraben, wo lithiumhaltige Lösung ohnehin in einem Geothermiekraftwerk nach oben gelangt. „Das erste Lithium kann in der Anlage industriell vermutlich in sechs bis zehn Jahren gewonnen werden“, sagt Jochen Kolb vom Karlsruher Institut für Technologie. Mit den jetzigen Gegebenheiten der Anlage könne etwa Material für 20.000 Batterien pro Jahr gewonnen werden. Das Unternehmen Vulcan Energy möchte in einem anderen Projekt dem Volkswagen-Konzern bereits 2026 Lithium aus dem Oberrheingraben liefern. Die Deutsche Lithium GmbH will das Leichtmetall schon bald im Erzgebirge abbauen. Rund 125.000 Tonnen vermutet das Unternehmen in der Lagerstätte bei Zinnwald. Auch Grubenwasser im Ruhrgebiet enthält Lithium. Allerdings ist noch unklar, wie wirtschaftlich die Gewinnung in

    Kobalt, das in vielen Akkus, Legierungen und Werkzeugen steckt, kommt vor allem aus dem Kongo, wo laut Bericht der Entwicklungsorganisationen viele Menschen durch den Bergbau verdrängt werden, aber insbesondere die kleinen Minen auch wichtige Arbeitsplätze bieten. Doch gerade in diesen gebe es Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen.

    Umweltschäden durch den Abbau von Rohstoffen für E-Autos

    Wenig beachtet werde der Umweltschaden durch den Abbau von Nickel etwa auf den Philippinen, sagt Michael Reckordt von der Organisation PowerShift, die sich für eine ökologische und gerechte Rohstoffpolitik einsetzt. Aufgrund schlecht gebauter Rückhaltebecken gelange das Schwermetall immer wieder in Flüsse und Meerwasser. „Fischer müssen weiter rausfahren, Aquakulturen werden vernichtet.“

    Eine ähnliche Gefahr der Verseuchung an Land durch mangelhafte Rückhaltebecken gehe von Kupferminen in Ecuador aus. Und so betont der Bericht auch: „Metallische Rohstoffe werden nicht nur für die Akkus von E-Autos, sondern auch für Karosserie, Gehäuse, Motor, Abgassysteme und Bordelektronik eines jeden Autos – also auch jenen mit Verbrennungsmotor – bereits jetzt in hohen Mengen verarbeitet.“

    Weniger und leichtere Fahrzeuge sind wichtig für Klima und Umwelt

    „Wir sind nicht prinzipiell gegen Bergbau, aber wir befürworten ihn nur unter Zustimmung der lokalen Bevölkerung und guten Umweltbedingungen“, sagt Reckordt, der auch positive Entwicklungen in der EU und Deutschland sieht. Er verweist unter anderem auf das im Juni in Deutschland beschlossene Lieferkettengesetz oder auf deutsche Autounternehmen, die Rohstoffe vermehrt direkt von den Produzenten kaufen, um die Förderung besser zu kontrollieren. Noch sei nicht absehbar, was dies bewirke. „Doch momentan macht sich die Autoindustrie auf den Weg, und das ist erst mal gut“, sagt Reckordt.

    Wichtig für Umwelt und Klima seien aber in jedem Fall weniger und leichtere Fahrzeuge – derzeit werde im Auto eine 80-Kilo-Person mithilfe von zwei Tonnen Material transportiert. „Und Rohstoffe, die wir einmal importiert haben, müssen so lange wie möglich im Kreislauf gehalten werden“, sagt Reckordt.

    Auch deutsche Unternehmen recyceln Batterien für E-Autos

    Fortschritte gibt es zumindest schon beim Materialeinsatz. „Aus einer alten Batterie lässt sich Kobalt für drei neue gewinnen“, sagt Matthias Buchert, Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität vom Öko-Institut in Darmstadt. Beim Recyceln lägen ebenso wie in der Batterieproduktion asiatische Länder vorne. „China und Südkorea haben viel früher mit der Produktion von Lithium-Zellen für E-Autos im industriellen Maßstab begonnen und konnten schon mit dem Produktionsausschuss das Recyceln üben.“

    In Europa gibt es laut Buchert nur eine Handvoll Unternehmen, die E-Auto-Batterien recyceln, etwa den Marktführer im Recycling von Technologie- und Edelmetallen Umicore in Belgien, die Nickelhütte in Aue (Sachsen) oder Accurec in Krefeld. In den meisten Fällen wird die aus den Batteriemodulen erhaltene sogenannte Schwarzmasse eingeschmolzen, um dann Metalle daraus zu gewinnen.

    Eine Lösung: Batterien aus recyceltem Material

    Ein weiterer Vorreiter in der EU ist das schwedische Unternehmen Northvolt, das in einem geschlossenen Kreislauf E-Auto-Batterien bauen und recyceln möchte. Der Partner von VW, BMW und Volvo verkündete im November, seine erste Batterie gebaut zu haben, die in Bezug auf Nickel, Mangan und Kobalt aus 100 Prozent recyceltem Material besteht. Der industrielle Produktionsbeginn soll 2023 starten.

    Noch gibt es wenige Rückläufe größerer Batterien. Wichtig sei jedoch, dass insbesondere die Großindustrie nun Recyclingkapazitäten aufbaue, sagt Daniel Horn von der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS in Hanau. Die Autoindustrie ist bereits aus wirtschaftlichen Gründen dabei.

    Wo können alte Batterien noch weiter eingesetzt werden?

    VW etwa prüft derzeit, wo alte Batterien, die für Autos nicht mehr taugen, vor dem Recycling noch weiter eingesetzt werden können – zum Beispiel in flexiblen Ladesäulen, die nahezu überall aufgestellt werden können. Anfang 2021 startete der Konzern eine Pilotanlage, die Batterien zu Schwarzmasse zerkleinert. Dieses Pulver enthält etwa Kobalt, Nickel, Lithium, Mangan und Graphit, die noch durch Partnerunternehmen chemisch getrennt werden müssen. „Ganz entscheidend ist für uns, dass wir die wichtigsten Batteriematerialien künftig selber wiederverwenden können“, sagt ein VW-Sprecher.

    Der Chemieriese BASF hat mit dem Bau einer Prototyp-Anlage in Schwarzheide begonnen – sie steht damit ebenso wie die Tesla Gigafactory von Elon Musk in Brandenburg und ist nur 1,5 Autostunden davon entfernt. Die

    Industrieanlagen auf dem Gelände der BASF Schwarzheide GmbH in Brandenburg. Hier sollen wichtige Rohstoffe aus Schwarzmasse hergestellt werden.
    Industrieanlagen auf dem Gelände der BASF Schwarzheide GmbH in Brandenburg. Hier sollen wichtige Rohstoffe aus Schwarzmasse hergestellt werden. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Hier sollen aus der Schwarzmasse Nickel, Kobalt, Mangan und Lithium gewonnen werden. Es gebe eine Vielzahl an Forschungsprojekten und Start-ups in dem Bereich, sagt Horn. Sehr erfolgreich sei die 2017 aus einem Start-up gegründete Firma Duesenfeld, die eine nahezu komplette und energieeffiziente Rückgewinnungskette entwickelt habe, die bereits Lithium umfasse. 2000 Tonnen wurden 2020 recycelt, durch neue Standorte soll die Kapazität vervielfacht werden.

    Egal, ob das Trennen der Metalle durch Erhitzen und Schmelzen oder Schreddern und mit Lösungsmitteln geschehe: „Die verschiedenen Verfahren machen alle Sinn, müssen aber optimiert werden, weil sie noch so neu sind“, sagt Buchert vom Öko-Institut. Das

    Lithium-Recycling wird die Top-Aufgabe für Autohersteller

    „Lithium wird das Material sein, das am begehrtesten ist. Dessen Recycling wird die Top-Aufgabe“, sagt Buchert. Lithium gelange jedoch bislang beim Schmelzen der Schwarzmasse aufgrund seines chemischen Charakters in die Schlacke und habe dort einen Anteil von etwa ein bis drei Prozent. „Die Heraustrennung von Lithiumverbindungen aus der Schlacke ist eine anspruchsvolle Aufgabe.“ Ausgerechnet am Lithium aber werde kein Weg vorbeiführen, nehmen Horn und Buchert an und verweisen auf dessen für eine Batterie wichtigen physikalischen Eigenschaften.

    Einige Autokonzerne und Forscher, etwa an der Uni Gießen, entwickeln eine Lithium-Festkörperbatterie, die voraussichtlich besser zu recyceln ist. Diese Batterien sollen leichter und energiedichter werden und somit eine höhere Reichweite haben. Im Forschungsstadium ist auch die Lithium-Luft-Batterien mit einem porösen Gerüst, bei denen das Element mit Sauerstoff reagiert. Sie können theoretisch eine sehr hohe Speicherkapazität erlangen, sind aber noch recht weit von der Praxis entfernt. Weltweit werden auch Batterien ohne Lithium entwickelt, wie Zink-Luft-Batterien, die zwar als leistungsstark gelten, aber noch instabil sind.

    Bislang sind nur wenige Batterien für E-Autos recyclebar

    Wichtig für das Recycling von Autobatterien wäre eine Kennzeichnung, welche Materialien in den Batterien enthalten sind, oder gar die Berücksichtigung des Recyclings schon bei der Entwicklung. „Es besteht jedoch ein großer Wettbewerb unter den Herstellern, und sie wollen die Zusammensetzung der Batterie nicht preisgeben“, sagt Horn vom Fraunhofer-IWKS.

    Bislang werde beim Bau zudem kaum auf die Recyclingfähigkeit von Batterien geachtet. „Es geht primär darum, die Reichweiten zu erhöhen.“ Auch die Ladezeit soll verbessert werden. Beides sei auch nötig, um mit Hilfe der E-Autos die Verkehrswende zu schaffen, sagt Horn und verweist auf die Entwicklung des Verbrennungsmotors: „Es gibt keine Technologie der Welt, die von Anfang an perfekt ist.“ (dpa)

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